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Keine Lösung der Krise in Haiti in Sicht

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Zehntausende gehen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince auf die Straße und fordern den Rücktritt von Präsident Moïse
Zehntausende gehen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince auf die Straße und fordern den Rücktritt von Präsident Moïse

Port-au-Prince. Das ärmste Land Lateinamerikas leidet weiter unter einer Dauerkrise. Seit dem 7. Februar reißen die Proteste gegen die Regierung von Jovenel Moïse in Haiti nicht mehr ab. Der Präsident wird für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht, zudem wird ihm Korruption vorgeworfen. Bei den teils gewalttätigen Demonstrationen mit Straßensperren, Plünderungen von Geschäften und Barrikaden kamen nach staatlichen Angaben neun Personen ums Leben. Soziale Organisationen sprechen dagegen von mindestens 60. 247 Menschen wurden verletzt und 600 inhaftiert.

Die sogenannte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (Minustah) wurde 2017 nach 15 Jahren mit der Einschätzung beendet, dass Haiti sich auf dem Wege zu Stabilität befinde. Die Wirklichkeit zeigt jedoch ein anderes Bild.

So betrug die Inflationsrate etwa im Dezember 15,1 Prozent und die Wachstumsrate ist eine der niedrigsten in der Region. Haiti ist zudem eines der Länder weltweit mit der größten Ungleichheit. Nach Angaben der Weltbank leben fast 60 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (2,41 US-Dollar pro Tag) und mehr als 24 Prozent in extremer Armut (1,23 US-Dollar pro Tag). Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 63 Jahren.

"Die Krise begann nicht erst 2019. Es handelt sich vielmehr um das Ergebnis von vier Jahrzehnten Misswirtschaft, schlechten wirtschaftspolitischen Entscheidungen und ständiger politischer Instabilität. Aber die letzten zwei Jahre waren besonders schwierig", so Etzer Emile, Wirtschaftswissenschaftler von der Quiqueya-Universität in Port-au Prince, gegenüber der chilenischen Tageszeitung La Tercera.

Die kritische Situation des Landes hat sich durch die Abwertung der Landeswährung Gourde und die Krise bei der Energieversorgung aufgrund von Treibstoffmangel noch weiter verschärft. Viele Analytiker stimmen darin überein, dass Präsident Moïse den in ihn gesetzten Erwartungen nicht gerecht geworden ist und er mit seiner Regierungsarbeit keine Antworten auf die seit seinem Amtsantritt wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung gefunden hat. Währenddessen hat sich die Wirtschaftskrise nur weiter verschlimmert.

"Die letzten Erfahrungen mit internationaler Hilfe nach dem Erdbeben 2010 waren aus verschiedensten Gründen desaströs, was die Ergebnisse angeht. Zu verzeichnen waren mangelhafte Koordinierung, fehlende Aufrichtigkeit und schlechte Strategien", erklärt Emile weiter und fügt hinzu: "Nicht nur, dass Haiti keine substantielle finanzielle Hilfe mehr erhielt wie zuvor, auch keine Hilfe mehr von Petrocaribe, sondern weil die politische Unreife der haitianischen Regierung offensichtlich wurde und sie nicht stark genug war, der Korruption entgegenzutreten und Wirtschaftsreformen voranzubringen."

Inmitten dieser politischen Spannungen bemüht sich die Regierung nun verstärkt um einen Dialog und hat Maßnahmen gegen die schwere Wirtschaftskrise und die Korruption angekündigt. Ungeachtet dessen rufen soziale Organisationen und oppositionelle politische Gruppen zu neuen Protesten auf.