Chile / Menschenrechte

Chile: Polizei in Temuco geht gewaltsam gegen Straßenhandel vor

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Carabineros im Einsatz gegen Straßenhandel in Temuco. Mapuche-Händlerinnen werden zu Boden gestoßen und gewaltsam abgeführt
Carabineros im Einsatz gegen Straßenhandel in Temuco. Mapuche-Händlerinnen werden zu Boden gestoßen und gewaltsam abgeführt

Temuco, Chile. Seit Anfang der vergangenen Woche werden Straßenhändler von den Carabineros aus dem Zentrum von Temuco vertrieben. Die Stadt in Südchile ist ein Zentrum der indigenen Mapuche. Nach Auseinandersetzungen wurden mehrere Personen festgenommen, vier von ihnen mussten die Nacht auf der Wache verbringen. Ihnen wird Gewalt gegen Polizeibeamte vorgeworfen. Beteiligte bezeugen dagegen ein brutales Vorgehen seitens der Polizei. Auch an den Folgetagen wurden die Händlerinnen und Händler von einem großen Polizeiaufgebot vertrieben.

Grundlage der Polizeioffensive ist ein Erlass des Bürgermeisters Miguel Beckers, der den Handel in den Straßen des Zentrums verbieten will. Die Vorsitzende von Folil Mapu, einer Vereinigung von Straßenhändlern, Rosa Martinez Pichun, sagte dazu: "Ich verkaufe hier meine Produkte seit fünf Jahren und nur weil der Bürgermeister uns hier nicht haben will, bedeutet das nicht, dass wir einfach gehen". Der Verkauf von Produkten in den Straßen Temucos wird seit Generationen von Mapuche betrieben. Auf kleinen Höfen kultivieren sie Gemüse und Früchte und verkaufen diese in der Stadt. Eine Tradition, die eine wichtige Einnahmequelle bietet.

Bei ihrem Straßenverkauf stützen sie sich  auf das Abkommen 169 der ILO für indigene Völker, welches "der Eigenversorgung dienende und traditionelle Tätigkeiten" (Art. 23 (1)) unter Schutz stellt. Neben 21 weiteren Staaten hat auch Chile dieses Abkommen am 15. September 2008 ratifiziert. Vertreter der Mapuche beklagen, dass es von öffentlichen Institutionen und Gerichten nicht berücksichtigt wird. Stattdessen macht die Justiz vermehrt Gebrauch vom Antiterrorgesetz, das noch aus der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) stammt.

Die Carabineros und die Stadtverwaltung haben indes angekündigt, auch weiterhin verstärkt gegen die Straßenhändler vorzugehen. Diese weigern sich allerdings, ihre Tradition aufzugeben und bestehen auf ihr Recht, in den Straßen des Zentrums Handel zu treiben. Die Verwaltung lässt sich nur zaghaft auf Verhandlungen ein. Bis eine Lösung gefunden wird, bleibt den Händlern nichts weiteres übrig als auszuharren. Auch wenn sie dadurch Gewalt und Erniedrigungen durch die Polizeikräfte in Kauf nehmen, werden sie weiterhin ihre Produkte verkaufen, so Rosa Martinez Pichun.