Bogotá. Der kolumbianische Senat hat am Montag mit 61 Stimmen zu zwei Gegenstimmen die Verfassungsreform beschlossen, die die Umsetzung der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) möglich macht. Die Partei des ultrarechten ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe enthielt sich. Diese Gerichtsbarkeit ist ein zentraler Aspekt des nach jahrelangen Verhandlungen abgeschlossenen Abkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Farc).
Laut Medienberichten ist damit der schwierigste Schritt im Zuge der Umsetzung des Abkommens beschritten worden. Auch Präsident Juan Manuel Santos beschrieb ihn als "Schlüssel zum Frieden". Mit der Annahme der JEP ist der Weg zu einer juristischen Aufarbeitung der im bewaffneten Konflikt begangenen schweren Verbrechen formal freigegeben. Unter der besonderen Rechtsprechung sollen die Kriegsverbrechen aller Parteien berücksichtigt werden. Dazu zählen Mitglieder der Guerilla, der staatlichen Streitkräfte sowie zivile Kriminelle und staatliche Behörden. Auch die Urteile gegen Farc-Mitglieder, die bereits in Haft sind, können vor der JEP erneuert werden.
Ein Sondergericht soll die kommenden 15 Jahre lang bestehen und in den ersten zehn Jahren die Urteile sprechen. Diejenigen, die ihre Schuld nicht anerkennen und nicht mit dem Gericht kooperieren, werden nach normalem Strafrecht verurteilt. Für diejenigen, die geständig und kooperativ sind, soll es mehrere Stufen der Strafen geben. Verbrechen gegen die Menschheit und besonders schwere Straftaten werden mit Haftstrafen bis zu acht Jahren unter besonderen Bedingungen geahndet. Mit der Sondergerichtsbarkeit soll eine angemessene Entschädigung der Opfer gewährleistet werden. Ziele sind auch die Aufarbeitung der Ereignisse während des Konflikts und die Wahrheitsfindung. Das Sondergericht soll verpflichet werden, Gerechtigkeit zu schaffen und so der Wiedergutmachung sowie der Garantien der Nichtwiederholung zu dienen.
Jairo Estrada, Sprecher der Bewegung "Stimmen des Friedens", hebt hervor: "Die Sondergerichtsbarkeit ist die Antwort auf das Regime der Straflosigkeit in diesem Land. Es ist die wichtigste intellektuelle und politische Anstrengung, um die Anerkennung der Rechte der Opfer zu fördern". In Kolumbien wird von einer allgemeinen Straflosigkeit in rund 98 Prozent aller Staftaten ausgegangen.
Nach Auffassung der Farc ist dies ein wichtiger Schritt, um Paramilitärs und deren Finanzgeber vor Gericht stellen zu können.
Überraschend war die Stellungnahme der bisherigen Verfechterin des Friedensprozesses, Claudia López, Senatorin der Grünen, die das JEP eine "Gerichtsbarkeit der Ungerechtigkeit" nannte, da Straftäter wie Mörder und Entführer mit wenigen Jahren Haft davon kämen.