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Argentinien stellt TV-Sender Telesur und Russia Today ein

Regierung von Präsident Macri schränkt politisches Spektrum der Presse weiter ein. Medienkonsortium Grupo Clarín profitiert von dieser Politik

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Protestmarsch der Medienangestellten in Buenos Aires, Argentinien, am “Día del Periodista”
Protestmarsch der Medienangestellten in Buenos Aires, Argentinien, am “Día del Periodista”

Buenos Aires. Die argentinische Regierung unter Präsident Mauricio Macri wird nicht nur den multinationalen Nachrichtensender Telesur aus dem Angebot der öffentlich empfangbaren Kanäle im Land streichen, sondern auch weitere Medienangebote, die nicht auf ihrer politischen Linie liegen. Betroffen davon sind ebenfalls der russische Sender Russia Today und die in Havanna ansässige Nachrichtenagentur Prensa Latina.

Telesur gab die Entscheidung der argentinischen Regierung selbst über soziale Netzwerke bekannt. Zugleich meldeten Medien die Kündigung weiterer Medienverträge.

Laut der argentinischen Tageszeitung La Nación hat der Regierungsentscheid pragmatische Gründe. Die Macri-Regierung sei innerhalb des öffentlichen, kostenlosen Digitalfernseh-Angebots (TDA-System) auf freie Sendeplätze für regionale Fernsehstationen angewiesen – eine Forderung verschiedener Provinzregierungen. Gemäß der Nachrichtenagentur DyN soll der Sendeplatz von Telesur darum an den Sender der Provinz Feuerland gehen. Zudem informierten Medien vor wenigen Tagen, dass die Regierung ebenfalls die Kooperationsverträge mit dem russischen Fernsehsender Russia Today und der Anfang der 1960er Jahre von Ernesto Che Guevara gegründeten Nachrichenagentur Prensa Latina auflösen wird.

Patricia Villegas, Präsidentin des lateinamerikanischen TV-Senders Telesur, bestätigte via Twitter und Facebook, dass die argentinische Regierung in den nächsten 14 Tagen den Sender definitiv aus dem TDA-System streichen wird. Nach einem Streit um das Mediengesetz und das neue Ministerium für audiovisuelle Kommunikation (amerika21 berichtete), bewerten Kritiker diesen Schritt als einen weiteren Angriff auf die Medien- und Meinungsfreiheit in Argentinien. In einem Schreiben erklärte die argentinische Regierung dem Fernsehsender, der einst vom ehemaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez als Gegengewicht zu CNN und BBC mitgegründet wurde, dass das kostenfreie Sendeangebot einer Erneuerung bedarf, damit mehr Argentinier Zugang zu einem pluralistischen, demokratischen und freien Fernsehangebot erhalten.

Carolina Silvestre, Verantwortliche für Telesur in Argentinien, vertritt indes die Meinung, dass das Vorgehen der argentinischen Regierung die Rechte des Senders beschneidet. In einem Brief an den Medienminister Hernán Lombardi legte sie der Regierung darum nahe, den Entscheid nochmals zu überdenken. Die Medienpolitik stehe in letzter Konsequenz im Widerspruch gegen die Verfassung, von der freie Meinungsäußerung sowie die Presse- und Informationsfreiheit geschützt werden. Zudem hält Silvestre den Entscheid für politisch-ideologisch motiviert, weil von der Neustrukturierung des Medienmarktes vor allem das Megakonsortium Grupo Clarín profitiert. Die Clarín-Gruppe gehörte und gehört zu den Hauptunterstützern von Macri.

Rückendeckung erhält der Sender vom Staatenbund Bolivarischen Allianz für Amerika (Alba), der den Sender als objektive Stimme im Kampf gegen progressive Regierungen Lateinamerikas würdigt. Die politisch rechts gerichteten Medien hätten sich einem "Krieg" mit dem Ziel verschrieben, den regionalpolitischen Block Südamerikas zu teilen.

Heftige Kritik gegenüber dem Regierungsentscheid war bereits im März aufgekommen, als Hernán Lombardi zum ersten Mal über das geplante Vorhaben informierte. "Macri fürchtet die Wahrheit", ließ sich beispielsweise der bekannte argentinische Sportjournalist Víctor Hugo Morales damals zitieren. Ebenfalls wies er auf das falsche Spiel Lombardis hin, der noch im vergangenen Dezember verkündete, dass die Vielfalt der Medienlandschaft aufrechterhalten werde.

Am 7. Juni, dem geschichtsträchtigen "Tag der Journalisten", hatten sich Medienvertreter in der Innenstadt von Buenos Aires zu einen Marsch gegen die Regierung von Mauricio Macri getroffen. Gemeinsam protestierten sie gegen Entlassungen, Betriebsschließungen, Prekarisierung und Lohnsenkungen in der Medienbranche sowie für die freie Meinungsäußerung. Allein in Buenos Aires gingen in den letzten sechs Monaten über tausend Arbeitsplätze der Medienbranche verloren.