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Cepal begutachtet vor Ort Hilfsmaßnahmen nach Erdbeben in Ecuador

Präsident Correa verlängert Ausnahmezustand. Erdbeben schwächt Wirtschaft. Cepal bescheinigt Regierung gute Reaktionen. Helfer üben auch Kritik

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Beim Erdbeben zerstörte Gebäude in Portoviejo in der Provinz Manabí
Beim Erdbeben zerstörte Gebäude in Portoviejo in der Provinz Manabí

Quito. Experten der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik der Vereinten Nationen (Cepal) haben die vom Erdbeben am stärksten betroffene Küstenregion Ecuadors besucht, um den Grad der Schäden festzustellen und die von Regierungsseite geleistete Notfallhilfe zu bewerten. Die Regierung von Präsident Rafael Correa hat indes weitere Maßnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Konsequenzen des Erdbebens abzufedern. Bürger und Politik sind nach dem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,8 vom 16.April nach wie vor bemüht, mit den Auswirkungen umzugehen und Strategien für den Wiederaufbau zu entwickeln.

Cepal-Vertreter Humberto Sosa bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur Andes, dass die Reaktion der Regierung auf das Erdbeben "umgehend erfolgte, die operativen Komitees für den Notstand wurden aktiviert". Der Koordinator für nachhaltige Entwicklung und Umweltkatastrophen der Cepal, Omar Bello, bekräftigte diese Aussage, gab aber auch zu bedenken, dass Ereignisse solchen Ausmaßes in allen Ländern der Welt zu Problemen führen würden.

Die Überprüfung der Schäden ergab, dass etwa 80.000 Menschen ihre Häuser und Wohnungen verloren haben. Außerdem seien 875 Erziehungseinrichtungen beschädigt worden, wovon um die 120.000 Kinder beeinträchtigt sind. Das Bruttoinlandsprodukt sei nach Meinung der Experten in den betroffenen Gebieten um 0,7 Prozent zurückgegangen, 21.813 formelle wie informelle Arbeitsstellen seien verloren gegangen.

Am Samstag verlängerte Präsident Correa den seit dem Erdbeben geltenden Ausnahmezustand in den betroffenen Regionen. Um diese mit konkreten Maßnahmen beim Wiederaufbau zu unterstützen, hat das Ministerium für Produktion, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit (MCPEC) die Bürger Ecuadors dazu aufgerufen, mit Ideen zur "Steigerung der Produktivität" beizutragen. Es wurde eine Homepage eingerichtet, auf der verschiedene Maßnahmen wie die Intensivierung von Innovationen, die Substituierung von Importen oder die Schaffung qualitativer Beschäftigung ausgewählt und Vorschläge eingebracht werden können.

In dieser Woche sind auch erste Vereinbarungen zwischen der Entwicklungsbank (Banco de Desarollo) und Bürgermeistern besonders geschädigter Orte getroffen worden, um den Wiederaufbau finanziell zu unterstützen. So soll der Ort Pedernales sechs Millionen US-Dollar erhalten, Jama acht Millionen.

Ecuador befindet sich bereits seit längerer Zeit in einer wirtschaftlichen Krise, die ihren Ursprung vor allem im stark gesunkenen Ölpreis hat. Um die Kosten für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben decken zu können, hatte die Regierung im Mai ein Solidaritätsgesetz auf den Weg gebracht (amerika21 berichtete). Darin ist unter anderem die Erhöhung der Mehrwertsteuer für ein Jahr von 12 auf 14 Prozent vorgesehen sowie die Abgabe eines Tageslohns für Personen die über 1.000 Dollar verdienen. Correa hatte auch in Erwägung gezogen, Staatsbetriebe wie die Banco del Pacifico oder die Fluglinie TAME zu privatisieren, die nicht mehr wirtschaftlich arbeiteten und deren Verkauf dem Staat finanzielle Entlastung bringen könnte.

Kritisch zu den positiven Äußerungen der Cepal-Experten zur unmittelbaren Hilfe nach dem Erdbeben äußerte sich im Gespräch mit amerika21 Felipe Jacome von der Stiftung Mingai. Diese gemeinnützige Nichtregierungsorganisation ist im Bereich der Ersten-Hilfe aktiv und war mit mehreren Gruppen von Ärzten und freiwilligen Helfern im Erdbebengebiet aktiv, unter anderem auch direkt in den Tagen nach dem 16. April. Zum einen kritisierte er die Informationspolitik der Regierung, die viel zu lange gebraucht habe, um die Bevölkerung über die konkreten Auswirkungen des Bebens zu informieren. Zum anderen sieht er ein Problem darin, dass die Beschränkungen des Zolls zur Einfuhr von Gütern nicht gelockert wurden, um essentielle medizinische Hilfe, vor allem in Form von Medikamenten, ins Land zu bringen. Natürlich sei es klar, dass die Regierung auf eine Katastrophe solchen Ausmaßes nicht perfekt vorbereitet sein könne, jedoch dürfe sie Hilfen, die nicht von staatlicher Seite kämen, nicht blockieren, so Jacome. Er wies außerdem darauf hin, dass es seinem Wissen nach auch heute noch abgelegene Orte gebe, zu denen immer noch keine konkrete Hilfe von staatlicher Seite vorgedrungen sei.