Venezuelas Präsident will Amnestiegesetz für ungültig erklären lassen

Maduro lehnt Unterzeichnung ab. Oberstes Gericht soll Verfassungsmäßigkeit prüfen. Zehntausende demonstrieren gegen Amnestie und Straflosigkeit

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"Nein zum kriminellen Amnesie-Gesetz" forderten Demonstrantinnen in Caracas
"Nein zum kriminellen Amnesie-Gesetz" forderten Demonstrantinnen in Caracas

Caracas. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat das sogenannte Amnestiegesetz dem Obersten Gerichtshof zur Überprüfung vorgelegt. Das "Gesetz über Amnestie und Nationale Versöhnung" war von der oppositionellen Mehrheit im Parlament verabschiedet worden. Die Regierung von Maduro, der linke Minderheitsblock in der Nationalversammlung sowie viele soziale Bewegungen, politische Organisationen und Menschenrechtsgruppen sprachen sich gegen das Gesetz aus und begrüßten die Entscheidung des Präsidenten.

Das Gesetz umfasst eine Amestie für Verbrechen, die im Zusammenhang mit politischen Protesten seit 1999 begangen wurden. Es listet 24 Delikte auf, darunter Anstiftung zum Gesetzesbruch, Anstiftung zum Hass, Gewalt gegen Behörden, Verbreitung von Panik in der Bevölkerung durch falsche Information, Beschädigung von Verkehrswegen und Verkehrsmitteln, Bildung einer kriminellen Vereinigung, illegaler Besitz und Gebrauch von Feuerwaffen, Verführung von Minderjährigen zur Begehung eines Delikts, Landesverrat, Verrat von militärischen Geheimnissen, Rebellion, militärische Rebellion und Aufruf zur gewaltsamen Erhebung.

Wer eines dieser Verbrechen schuldig gesprochen wurde, kommt in den Genuss der Amnestie, sofern belegt wird, dass das Delikt im Kontext von politischen Demonstrationen oder Aktionen "begangen wurde oder hätte begangen werden können", die darauf abzielten, "die institutionelle Ordnung oder die amtierende Regierung" zu verändern.

Angesichts dieser weitreichenden Regelung, die möglicherweise auch die Verantwortlichen des Militärputsches gegen die Regierung von Hugo Chávez 2002 einschließt, sprach der venezolanische Verfassungsrechtler Hermann Escarrá von einem "Kriegsgesetz". Aufgrund seiner Ausrichtung würde das Gesetz geradezu einen neuen Staatsstreich rechtfertigen, sagte Escarrá im staatlichen Fernsehen.

Präsident Maduro will nun die Verfassungskammer des Obersten Gerichts über die Gültigkeit des Gesetzes urteilen lassen. "Aus verfassungsmäßiger Sicht ist das Gesetz illegal und kriminell", sagte der Staatschef. Der soziale Frieden basiere auf Respekt und Gerechtigkeit, weshalb er diese Amnestie bekämpfe und eine Unterzeichnung ablehne.

Unterstützung erhielt Maduro von der Menschenrechtsorganisation "Komitee der Opfer der Guarimbas", einem Zusammenschluss von Angehörigen von bei gewalttätigen Protesten gegen die sozialistische Regierung ("Guarimbas" genannt) im Frühjahr 2014 getöteten Personen. Damals hatten radikale Oppositionsgruppen während Monaten gewaltsam für einen Sturz der Regierung demonstriert. Dabei kamen 43 Menschen ums Leben, über 800 wurden verletzt. Einer der politisch Verantwortlichen der Proteste, Leopoldo López von der Rechtspartei Volkswille (VP), wurde deswegen zu einer Haftstrafe von knapp 14 Jahren verurteilt. Nach dem Willen des Oppositionsbündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD), welches das Gesetz im Parlament verabschiedete, soll López ebenso wie andere für die Ausschreitungen verantwortliche Politiker von der Amnestie profitieren.

Die Komitee-Sprecherin Desirée Cabreras kritisierte, dass die Opfer im Parlament nicht angehört wurden. Das Amnestiegesetz diene nur dem Schutz der Täter, die darin zu Opfern gemacht würden. Für eine echte Versöhnung sei die Bildung einer Wahrheitskommission nötig, die die Geschehnisse untersuche, forderte Cabreras.

Am vergangenen Donnerstag hatten Zehntausende in Venezuelas Hauptstadt Caracas gegen das Gesetzesvorhaben protestiert.

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