Bolivien und Russland unterzeichnen Verträge über Kernenergie

Investitionen im Umfang von 300 Millionen US-Dollar vorgesehen. Einsatz in Onkologie, Landwirtschaft und Grundlagenforschung

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Evo Morales und Rosatom-Chef Sergey Kiriyenko
Evo Morales und Rosatom-Chef Sergey Kiriyenko

El Alto. Bolivien hat in der Nutzung der Kernenergie einen entscheidenden Schritt unternommen. Die bolivianische Regierung und die staatliche Atomagentur Russlands (Rosatom) haben am 6. März in einem Festakt die ersten beiden Abkommen über den Bau eines Nuklearforschungs- und -entwicklungszentrums in El Alto unterschrieben. Sie müssen allerdings noch vom bolivianischen Parlament ratifiziert werden. Für das Projekt sind Investitionen im Umfang von 300 Millionen US-Dollar vorgesehen, die von der Zentralbank Boliviens zur Verfügung gestellt werden. Präsident Evo Morales appellierte an die Legislative, die Formalitäten zu beschleunigen, damit der Bau so schnell wie möglich beginnen könne.

Morales wies darauf hin, dass Bolivien das einzige Land Lateinamerikas sei, das bis dato keine Forschung im Bereich der Kernenergie betreibe. Mit der Unterzeichnung der Verträge durch den bolivianischen Energieminister Luis Alberto Sánchez und dem Generaldirektor von Rosatom, Sergey Kiriyenko, sei nun besiegelt, dass das geplante Forschungszentrum "das modernste und größte Lateinamerikas sein wird".

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur ABI bestehe das Nuklearprojekt aus drei Komponenten. Erstens diene das Nationale Zyklotron-Radium-Zentrum zur Diagnose und zur Behandlung von Krebs und anderen Krankheiten mit Hilfe fortgeschrittener medizinischer Technologien. Zweitens werde im industriellen Sektor eine Mehrzweckstrahlenanlage zur Pflanzenresistenz und damit zur Ernährungssicherheit beitragen. Damit könnten die agroindustrielle Produktion und die Nahrungsmittelexporte gesteigert werden. Drittens würde mit Hilfe des Nuklearreaktors die Grundlagen- und Anwendungsforschung im Wissenschafts- und Technologiebereich in der Medizin und den Naturwissenschaften befördert. Die Forschungslabore und die Ausbildungsprojekte trügen zur Stärkung der Universitäten des Landes bei. Die ambitionierten Regierungsziele seien zu realisieren, weil der russische Präsident Wladimir Putin einen Technologie- und Wissenstransfer zugesagt habe, so Evo Morales.

Das Zentrum zur friedlichen Nutzung von Kernenergie wird auf einer Fläche von 15 Hektar auf dem Gebiet von Parcopata in El Alto erbaut, das zwischen den Straßen von Oruro und Viacha liegt. Der Bau soll in vier Jahren abgeschlossen sein. Nachdem der ursprünglich geplante Standort im Süden von La Paz auf den Widerstand von Anwohnern gestoßen war, hatte die Regierung ihre Pläne geändert und sich für die Metropole auf der Hochebene des Altiplano entschieden.

Am 9. März hat nun das Ministerialkabinett das Regierungsdekret gebilligt, das die Gründung des staatlichen Unternehmens "Agencia Boliviana de Energía Nuclear" (ABEN) gesetzlich auf unbegrenzte Dauer festschreibt. Das Unternehmen wird damit beauftragt, Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Kernenergie zu entwickeln und zu vermarkten sowie das zukünftige Kernenergiezentrum zu verwalten. Die ABEN als dezentrale öffentliche Behörde steht unter dem Schutz des Energieministeriums und ist in technischen, finanziellen, administrativen und rechtlichen Fragen autonom. Um die strategisch wichtigen Posten der staatlichen Firma zu besetzen gab Sánchez am Donnerstag auf einer Pressekonferenz bekannt, dass man zwölf bolivianische Experten mit Erfahrungen im Nuklearbereich benötige, die man eventuell aus dem Ausland nach Bolivien zurückholen müsse. Dafür seien finanzielle Anreize nötig, so dass ihre monatliche Bezahlung sogar das Gehalt des Präsidenten übersteigen dürfe.