Oberster Gerichtshof in El Salvador ordnet Untersuchung über Verschwundene an

Verfassungskammer folgt Internationalem Recht und erkennt das gewaltsame Verschwinden von Menschen als Verbrechen gegen die Menschheit an

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Karte der Massaker im Museum von Chalatenango
Karte der Massaker im Museum von Chalatenango

San Salvador. Die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofes in El Salvador hat Ermittlungen eingeleitet, um den Aufenthaltsort von elf Personen zu bestimmen, die während der "Guinda de Mayo" (einer Hetzjagd auf die Bevölkerung durch das Militär) in Chalatenango im Mai und Juni 1982 gewaltsam verschwunden sind. Grundlage ist die Aussage der Kläger, dass die Verschwundenen von Mitgliedern des Militärs verfolgt und verschwunden gelassen wurden und dass die Familien bis heute den Aufenthaltsort nicht kennen.

In ihrer Presseerklärung bestätigt die Verfassungskammer, dass die Streitkräfte für das gewaltsame Verschwinden dieser Personen verantwortlich sind. Genannt werden insbesondere die Infanterieregimente Atlacatl und Ramón Belloso, die von der 4. Infanteriebrigade von El Paraíso, der Artilleriebrigade von San Juan Opico und der Luftwaffe unterstützt wurden, die alle an den damaligen Säuberungsoperationen beteiligt waren. Die Kammer macht außerdem das Verteidigungsministerium und die Oberste Heeresführung aufgrund ihres Schweigens und ihrer Desinformationspolitik mitverantwortlich für die Verbrechen.

Das Gericht weist das Verteidigungsministerium und die Oberste Heeresleitung an, der Verfassungskammer und der Generalstaatsanwaltschaft Informationen über die Militäroperationen in Chalatenango im Mai und Juni 1982 und über das Verschwindenlassen der elf Personen vorzulegen. Die Generalstaatsanwaltschaft wird dazu verpflichtet, sofortige Ermittlungen zum Verschwinden dieser Personen und ihrem Aufenthaltsort einzuleiten, um ihre Grundrechte auf Freiheit und Integrität zu wahren. Darüber hinaus muss die Behörde alle drei Monate über die Fortschritte der Ermittlungen berichten.

Der salvadorianische Staat wurde bereits mehrmals vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Verschwindens von Menschen zu Ermittlungen und zu Wiedergutmachungen verurteilt, unter anderem 2005, 2011 und 2014.

Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ist bemerkenswert, weil Justiz und Regierung in der Vergangenheit auf das Amnestiegesetz von 1993 pochten, mit dem alle Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges straffrei blieben. Internationales Recht erkennt jedoch unter anderem das gewaltsame Verschwinden von Menschen als Verbrechen gegen die Menschheit an, das nicht amnestierbar ist und nicht verjährt. Dem folgt der Oberste Gerichtshof nun.

Währenddessen fordern Familienangehörige und Überlebende des Massakers von Tecoluca, San Francisco Angulo, San Vicente, im Jahr 1981 vom Obersten Gerichtshof Gerechtigkeit und Aufklärung des Schicksals ihrer Angehörigen. Damals wurden 45 Frauen, Kinder und Senioren vom Militär ermordet. Seit 2009 beantragten die Angehörigen zusammen mit dem Menschenrechtszentrum Madeleine Lagadec bei der Generalstaatsanwaltschaft vergeblich die Aufnahme von Ermittlungen.