Militär und Polizei gegen Landbesetzungen in Kolumbien

Von indigenen Gemeinden zurückeroberte Ländereien gewaltsam geräumt. Bauernfamilien in Arauca droht Vertreibung durch US-Ölkonzern

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Einsätzkräfte der Spezialeinheit ESMAD gehen gegen Landbesetzungen in Cauca vor
Einsätzkräfte der Spezialeinheit ESMAD gehen gegen Landbesetzungen in Cauca vor

Cauca/Arauca. Im Norden des kolumbianischen Bundeslandes Cauca hat die Spezialeinheit ESMAD (Mobiles Einsatzteam gegen Aufstände) auf Anweisung der Regierung einen Einsatz gegen eine Landbesetzung durchgeführt. Ziel sei die Räumung der Grundstücke in der Ebene von Corinto, die von Indigenen der umliegenden Reservate in einer friedlichen Aktion besetzt gehalten werden. Am Dienstagmorgen begann der erste Räumungsversuch, bei dem die ESMAD laut Augenzeugen äußerst brutal gegen die Mitglieder der indigenen Reservate vorgegangen sei. Es sei zu vielen Verletzten und einem Schwerverletzten gekommen.

Am Folgetag berichtet die Vereinigung der indigenen Regierungen aus dem Nordcauca (ACIN) von weiteren Schwerverletzten nach einem Angriff der ESMAD. Am Donnerstag gegen sechs Uhr am Morgen begannen Polizei und Militär einen gemeinsamen Angriff gegen die Besetzungen sowohl mit Bodentruppen als auch aus der Luft. Dabei seien Gasgeschosse als Waffen gegen Menschen eingesetzt worden, berichten Angehörige der indigenen Gemeinde.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird von neun Schwerverletzten berichtet. Unter den Verletzungen sind auch Schnittwunden, die nach Berichten der ACIN durch von Beamten der ESMAD mitgeführte Macheten verursacht worden sind. Auch andere Augenzeugen bestätigen den Einsatz von Macheten. Einige der Schwerverletzten befinden sich aufgrund von Verletzungen im Kopfbereich in äußerst kritischem Zustand. Die Verwundeten konnten in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht werden. Menschenrechtsorganisationen und medizinischem Personal wird der Zugang zur Region zurzeit von der Polizei vollständig verweigert.

Im Dezember des Jahres 2014 hatten die Mitglieder der Reservate in den Regionen Corinto, Agustina und Miranda in einer Vollversammlung entschieden, die Landteile wieder zu besetzen, die traditionell indigenes Land waren. Rechtlich gehört das Land ihnen und der kolumbianische Staat hat ihnen dieses Territorium zugeteilt. Allerdings ist die Übergabe nicht vollzogen worden. Seit Dezember besetzen sie die Gutshöfe Quebrada Seca, Miraflores, Granadita y García, alle in der Ebene von Corinto und Miranda gelegen. Sprecher der Besetzer erklärten, dass sie die Ländereien als Entschädigungszahlung für das Massaker von Nilo ansehen würden. Dabei waren im Dezember 1991 21 Mitglieder einer indigenen Gemeinde von Polizisten ermordet worden. In den folgenden zehn Jahren wurden in den Reservaten der Region 100 Naya getötet. Zuletzt waren am 10. Februar 2014 zwei Indigene in der Region ermordet worden.

Die Reparationszahlungen sind bisher ausgeblieben und laut ACIN sei die Besetzung als Aneignung in diesem Kontext zu verstehen.

Von einer gewaltsamen Vertreibung von ihrem Land, das sie gegenwärtig besetzt halten, sind auch 40 Familien in Arauca bedroht. Die örtliche Polizei hat für Ende Februar die Räumung angekündigt. Vor mehr als 20 Jahren hatte die US-amerikanische Erdölfirma OXY die Familien gezwungen, das Gebiet zu verlassen. Seit rund 16 Monaten haben sie nun ihre Ländereien besetzt und leisten Widerstand gegen die von OXY engagierten paramilitärischen Sicherheitstruppen sowie die Polizei und das Militär.

Unlängst tauchte an einer Wand in der besetzten Zone ein Schriftzug der paramilitärischen Bande AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) auf und sorgte für Besorgnis unter den Familien, denn von den AUC waren bereits mehrere Drohungen ausgesprochen worden. Die gesamte Region ist militarisiert und es wird von Drohnen mit Kameras berichtet.

Vor der Besetzung hatten die Familien zunächst rechtliche Mittel ergriffen. Im Jahr 2011 entschied das zuständige Gericht für die Bauern und Bäuerinnen und forderte von OXY die Rückgabe des Landes, die allerdings nicht vollzogen wurde. Eine Sammelklage der Bauern zwei Jahre später, mittels der sie eine Rückgabe des Landes und Garantien für ihre Sicherheit forderten, wurde abgelehnt. Nach Zeugenberichten ist die zuständige Sekretärin der Stadt selbst Mitarbeiterin der Firma OXY. Mit der Besetzung des Landes versuchen sie nun ihr Recht einzufordern.

Die Gemeindeleitung der angrenzenden indigenen Gemeinde hatte bereits weitere Strafanzeige gegen das transnationale Unternehmen OXY wegen der verursachten Umweltschäden gestellt, die durch die Ölförderung in Arauca entstanden sind. Die Ermittlungsbehörde konnte bisher keine wesentlichen Fortschritte in der Sache erzielen.