Brasilien

Polizisten in Brasilien töten besonders häufig

Spirale der Gewalt: Auf vier Opfer polizeilicher Gewalt kommt ein getöteter Polizist. Hohe Dunkelziffer. Forderung nach Demilitarisierung des Polizeiapparates

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Militärpolizei beim Einsatz in einem Armenviertel
Militärpolizei beim Einsatz in einem Armenviertel

Brasília. Der Trend tödlicher Polizeigewalt hält in Brasilien konstant an. Nach wie vor verzeichnet das Land eine der höchsten Mordraten

durch staatliche Einsatzkräfte weltweit. Eine jüngst von der BBC Brasilien durchgeführte Studie zu tödlicher Polizeigewalt in dem südamerikanischen Land ergab, dass im Jahr 2013 mindestens 1.259 Menschen von Angehörigen der Polícia Militar so wie der Polícia Civil ermordet worden seien. Monatlich seien dies rund 105 Personen. Gleichzeitig kamen im ganzen Jahr 316 Polizisten durch gezielte Angriffe ums Leben. Für die Erhebung hatte der britische Nachrichtensender die Zahlen von 22 der 31 brasilianischen Bundesstaaten ausgewertet.

Die Autoren der Studie kamen zu dem Ergebnis, dass die Einsätze der brasilianischen Polizei im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich oft tödlich endeten. Aber auch die  Polizisten selbst seien einer überdurchschnittlich hohen Bedrohung ausgesetzt. Átila Roque, Leiter von Amnesty International in Brasilien, beschrieb die Rolle der Polizei als einen "Mix aus Henker und Opfer zugleich". Brasilien benötige dringend Reformen im System der öffentlichen Sicherheit – vor allem eine Demilitarisierung des Polizeiapparates, so Roque. Insbesondere die Polícia Militar verfügt über Rechte und Zuständigkeiten aus Zeiten der Militärdiktatur, die ursprünglich der Aufstandsbekämpfung dienten.

Die hohen Mordraten erklärt Ignacio Cano, Soziologe und Koordinator des Forschungsbereichs Gewaltanalyse der staatlichen Universität von Rio de Janeiro mit einem Geflecht aus Straflosigkeit, einem falschen oder fehlendem Verständnis von Rechtstaatlichkeit sowie einer Spirale der Rache. "Je mehr Menschen durch Polizisten ermordet werden, desto mehr Polizisten werden daraufhin umgebracht. Häufig werden sie Opfer, während sie neben der Arbeitszeit noch zusätzlich im privaten Sicherheitssektor arbeiten oder sie werden in ihrem Wohnumfeld umgebracht. Die Polizei wird als Antwort darauf noch mehr Menschen umbringen. Ein Teufelskreis wie im Krieg", so Cano. Insgesamt 57 Prozent der Polizisten würden außerhalb ihrer Dienstzeit Opfer eines gezielten Übergriffs, also in einem Moment, in dem sie viel verwundbarer seien, zitiert die BBC Antônio Carlos do Amaral Duca, Vize-Präsident der Vereinigung der Polizisten von São Paulo.

Gleichzeitig zeigt die Studie, dass 13 Prozent der Verdächtigten durch Polizisten ermordet werden, die nicht im Einsatz sind. Dazu zählten nicht jene, die durch Todesschwadrone oder Milizen ums Leben kommen, in denen sich Polizisten organisierten, so der BBC-Bericht. Angesichts von 56.337 Mordfällen im Jahr 2012, die das Gesundheitsamt zusammen getragen habe, müsse die Zahl derjenigen, die von Polizisten ermordet werden, ungleich höher sein, wie Roque bekräftigt.