Brasilien / Soziales

Steuersystem in Brasilien verschärft Ungleichheit

Studie belegt soziale Diskriminierung. Arme Bevölkerungsteile tragen höhere Abgabenlast. Veröffentlichung in heißer Phase des Wahlkampfes

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Verspricht ein gerechteres Brasilien: Präsidentin Dilma Rousseff kämpft um ihre Wiederwahl
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Brasília. Die ärmsten Teile der Bevölkerung Brasiliens werden proportional deutlich stärker von Abgaben belastet als die Reichen. Schwarze und Frauen müssen in der Regel höhere Steuern zahlen als die Weißen und als männliche Brasilianer. Das geht aus einer am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts für sozioökonomische Studien (Inesc) mit dem Titel "Die Folgen des brasilianischen Steuersystems auf die Ungleichheit der Einkommen" hervor.

Das auf diesem Gebiet geltende Recht verschärft somit nicht nur bestehende Klassenunterschiede, sondern diskriminiert Menschen indirekt auch nach Hautfarbe und Geschlecht. Die Studie könne empirisch belegen, erklärte der Autor der Untersuchung, Prof. Evilasio Salvador, Politikwissenschaftler an der Universität von Brasília (UnB), dass das Steuersystem äußerst rückschrittlich sei. Diejenigen auf der untersten Stufe der sozialen Pyramide, "Frauen generell und insbesondere die schwarzen Frauen müssen mehr Abgaben entrichten als weiße Männer, welche im Allgemeinen an der Spitze der Pyramide stehen". Steuern würden vor allem auf Produktion und Konsum erhoben, was am meisten die arbeitende Bevölkerung treffe. "Das Ideal wäre, dies umzukehren und vorrangig Einkommen und Vermögen zu besteuern", betonte Evilasio.

Das Institut mit Sitz in der brasilianischen Hauptstadt ist eine Nichtregierungsorganisation, welche sich für die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Verbreiterung der sozialen Teilhabe engagiert. Die aktuelle Studie zog demografische Daten und solche des staatlichen Statistikamts IBGE über die Einkommen der privaten Haushalte heran.

Brasiliens Steuersystem hat sich historisch so entwickelt, dass der weitaus größte Teil des Aufkommens für die öffentlichen Kassen aus Verbrauchsabgaben und Lohnsteuern stammt. Der Studie zufolge machten diese Posten im Jahr 2011 zusammen 71,38 Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus. Diese Situation ist deutlich verschieden von der in den entwickelten Industriestaaten. Brasilien liegt damit weit über dem Durchschnitt von 33 Prozent in den OECD-Ländern.

Weiter geht aus der Untersuchung hervor, dass das ärmste Zehntel der Bevölkerung gezwungen ist, 32 Prozent seines Einkommens für Steuern aufzuwenden. Mehr als zwei Drittel dieser Bevölkerungsschicht zählen zu den Schwarzen und 54,34 Prozent sind weiblich. Für die reichsten zehn Prozent liegt der Wert der Steuerlast dagegen nur bei 21 Prozent des Einkommens. Hiervon machen die Farbigen nur 16,28 Prozent aus und Frauen weniger als ein Drittel.

Die Veröffentlichung der Studie fällt in die heiße Phase des Wahlkampfes. Am 5, Oktober finden in Brasilien Präsidentschaftswahlen statt. Auch die Gouverneure der Bundesstaaten, die Mitglieder des Senats sowie die Abgeordneten auf Landes- und Bundesebene werden neu bestimmt.