Caracas. Venezuelas Regierung erwägt, die historisch niedrigen Treibstoffpreise zu erhöhen. Der Minister für Bergbau und Erdöl, Rafael Ramírez, forderte laut einem Bericht der Tageszeitung El Nacional eine gesellschaftliche Debatte über die staatlich subventionierte Benzinabgabe. Das Thema ist in Venezuela bislang ein politisches Tabu. Einer der Gründe für den landesweiten Volksaufstand 1989, den sogenannte Caracazo, war eine von der damaligen Regierung geplante Benzinpreiserhöhung.
Der Minister für das Transportwesen, Haiman El Troudi, versicherte indes, dass der Öffentliche Personennahverkehr – und damit die Ticketpreise – von der geplanten Preiserhöhung ausgenommen sein werden.
Nun kündigte der Vizepräsident der sozialistischen Regierung, Jorge Arreaza, im privaten Fernsehsender Venevisión an, jede etwaige Entscheidung zunächst einer Abstimmung durch die Bevölkerung zu unterziehen. "Wir werden das untersuchen", zitiert El Nacional den Politiker: "Wir werden mit dem ganzen Land Gespräche über Aktionen und politische Handlungen beginnen, mit der Bevölkerung, mit den Kommunalen Räten, mit allen Organisationen und den Privatunternehmen, mit allen Venezolanern, um die Wirtschaft in Venezuela neu auszurichten". Dies betreffe die Benzinpreise, aber auch die Steuerpolitik.
Bislang gehört Venezuela zu den Ländern mit den weltweit niedrigsten Treibstoffpreisen, ein Liter Normalbenzin kostet weniger als 0,01 Euro. Der Preis ist seit der zweiten Amtszeit des Christdemokraten Rafael Caldera 1997 nicht angestiegen. Seither sind entsprechende Debatten immer wieder aufgeflammt, auch unter dem Anfang März dieses Jahres verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez.
Neben ökologischen und infrastrukturellen Problemen belastet der niedrige Benzinpreis zunehmend auch die venezolanische Wirtschaft. Die Verluste durch die Subventionen belaufen sich nach Presseangaben auf zwei Milliarden US-Dollar jährlich. Die Preise decken noch nicht einmal die Förder- und Produktionskosten. Zudem wird das subventionierte Benzin massiv ins lateinamerikanische Ausland geschmuggelt, vor allem nach Kolumbien.
Während der Unternehmerverband Fedecamaras sich mit den Plänen der Regierung einverstanden zeigte, kritisierte der Oppositionsführer und Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles, gegen das Vorhaben. Während die Regierung "unser Erdöl" an andere Länder verschenke, sollten im Land die Preise angehoben werden, schrieb der bei Wahlen mehrfach unterlegene Politiker beim Kurznachrichtendienst Twitter.