Venezuelas neue Regierung setzt auf Produktion

Wirtschaftspolitische Maßnahmen sollen die Engpässe der Lebensmittelversorgung beenden. Präsident Maduro trifft Unternehmer

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Venezolanischer Markt.
Venezolanischer Markt.

Caracas. Nach dem knappen Wahlsieg am 14. April hat Venezuelas Präsident Nicolás Maduro eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, die die Produktion

in dem südamerikanischen Land anregen sollen. Bei einer Reise in die Mitgliedsländer des Wirtschaftsbündnisses Mercosur unterzeichnete Maduro insgesamt 51 Abkommen, allein 35 davon mit Argentinien. In diesem Rahmen sollen in Venezuela 200 neue Fabriken entstehen und die landwirtschaftliche Produktion gesteigert werden. Auch drei Abkommen mit Brasilien sind auf die Industrialisierung des Landes gerichtet, 13 Vereinbarungen mit Uruguay beziehen sich vorwiegend auf energetische Kooperation. In Zusammenarbeit mit dem Regionalbündnis ALBA will die Regierung außerdem Sonderwirtschaftszonen aufbauen.

Auch in Venezuela selbst präsentierte die Linksregierung im Monat nach der Wahl verschiedene wirtschaftspolitische Maßnahmen. So werden Lebensmittel von der Mehrwertsteuer ausgenommen und einzelne Produkte wie Zucker werden staatlich subventioniert. Gleichzeitig erhöhte die Regierung die staatlich regulierten Preise von Milch, Fleisch und Milchprodukten um 20 Prozent und kündigte Investitionen in die Landwirtschaft an. Als Sofortmaßnahme werden tonnenweise Lebensmittel aus Argentinien, Uruguay, Brasil und China importiert.

Hintergrund der aktuellen Maßnahmen sind Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Bedarfs. Insbesondere seit Beginn des Jahres sind diese in verschiedenen Regionen des Landes häufig schwer zu bekommen. Zusammen mit neuen Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung und einem 100-Tage-Plan zur Verbesserung der Stromversorgung geht die Regierung damit wesentliche Probleme an, die möglicherweise auch zu dem Stimmenverlust bei den jüngsten Wahlen geführt hatten.

Die Regierung spricht im Zusammenhang mit den Engpässen von einem "Wirtschaftskrieg" und beschuldigt die Privatwirtschaft, nicht ausreichend zu produzieren oder Lebensmittel zu horten, um Engpässe zu provozieren und die Preise in die Höhe zu treiben. Das vermutete Ziel ist dabei, Unzufriedenheit bei der Bevölkerung zu schaffen, um der Regierung die Unterstützung zu nehmen. Auffällig ist tatsächlich, dass derartige Probleme vor allem in Wahlkampfzeiten zunehmen. Unterstützung erhält der Vorwurf auch aus Kolumbien: Dort hat ein Anwalt eine Anzeige gegen den ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe und den Ex-Kandidaten der Opposition in Venezuela, Henrique Capriles eingereicht. Der Vorwurf: Sie sollen seit 2011 gemeinsam daran gearbeitet haben, in Wahlkampfzeiten die Importe aus Kolumbien zu drosseln, um so Engpässe in Venezuela zu provozieren.

Demgegenüber machen Unternehmer und die Opposition die Regierung für die Entwicklung verantwortlich. Der Unternehmerverband Fedecámaras sieht vor allem die Devisenkontrollen als Ursache der mangelnden Produktion. 2003 hatte der damalige Präsident Hugo Chávez diese Kontrollen eingeführt, um Kapitalflucht zu unterbinden, seitdem wurde das System mehrfach reformiert. Wie in vielen Ländern, deren Wirtschaft vom Rohstoffexport dominiert wird, ist auch in Venezuela die Industrialisierung relativ gering ausgeprägt, während die Devisen aus dem sprudelnden Erdölgeschäft die Staatskassen füllen. Aus diesem Missverhältnis ergibt sich die traditionell hohe Inflationsrate und eine überbewertete Landeswährung. Dadurch kann die nationale Produktion nicht mit den Preisen der künstlich verbilligten Importwirtschaft mithalten.

Weil der Staat die einzige legale Form darstellt, an Devisen zu gelangen, beschuldigen die Unternehmer die Regierung, die Nachfrage nicht zu decken. Auch die Währungsabwertung im Februar und eine erneute Reform des Wechselsystems habe die Engpässe bei der Devisenvergabe nicht ausgleichen können, so die Kritiker. Hierdurch ergebe sich die wieder stark gestiegene Inflationsrate von über vier Prozent allein im Monat April und die nicht ausreichende Produktion.

Zwar ist die Lebensmittelproduktion in Venezuela in den vergangenen Jahren stark angestiegen - die Vereinigung von Landwirten und Viehzüchtern (Cofagan) spricht von über 84 Prozent in 14 Jahren - jedoch ist auch der Verbrauch stark gestiegen. Dazu dürfte auch das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre und die Sozialpolitik der Regierung beigetragen haben, die fast vier Millionen Menschen aus der Armut geholt hat.

Während der Ton zwischen Linksregierung und Unternehmervertretern zunächst scharf war, hat sich das Verhältnis nun schlagartig verbessert. Am Dienstag hatte Präsident Maduro den Besitzer des größten Lebensmittelproduzenten des Landes, Lorenzo Mendoza von der Polar-Unternehmensgruppe, zu Gesprächen eingeladen. Dabei einigten sich beide Seiten darauf, das Thema nicht zu "politisieren" und stattdessen konstruktiv an Lösungen zu arbeiten. Die Regierung stimmte außerdem einer Preiserhöhung für manche Produkte zu und erklärte sich bereit, ein Umleitungssystem der Produkte zu beenden. Mendoza hatte zuvor beklagt, dass viele Produkte in die Hauptstadt Caracas geleitet worden seien, weshalb sie in anderen Teilen des Landes gefehlt hätten. Beide Seiten sagten zu, die Produktion so weit wie möglich hochzufahren. Die Regierung will hierzu die staatlichen Unternehmen "überprüfen". Mendoza hingegen gab an, dass die Fabriken seiner Firma bei voller Auslastung arbeiteten.

Auch bei weiteren Arbeitstreffen von Regierungsvertretern und Unternehmern wurden Wirtschaftsthemen beraten. Jorge Botti, Präsident von Fedecámaras, feierte daraufhin das "Klima des Dialogs" zwischen Privatwirtschaft und Regierung. Finanzminister Nelson Merentes habe "den Stier bei den Hörnern gegriffen" und das Wirtschaftsthema angegangen.