Amerikas

Schulterschluss mit der Basis

Linke Präsidenten plädieren auf Weltsozialforum in Brasilien für Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Teilnehmer fordern radikale Neugestaltung der Weltwirtschaft

Belém. "Lateinamerika erlebt einen magischen Moment, eine Zeitenwende", rief Ecuadors linker Präsident Rafael Correa den Vertretern von sozialen Organisationen aus ganz Amerika unter großem Jubel zu. "Unser Alternativmodell heißt Sozialismus des 21. Jahrhunderts." Auch die Präsidenten Evo Morales aus Bolivien, Fernando Lugo aus Paraguay und Hugo Chávez aus Venezuela hatte das Bündnis unter Federführung der brasilianischen Landlosenbewegung MST am vergangenen Donnerstag in einer Sporthalle von Belém empfangen.

Nicht geladen war dagegen der Brasilianer Luiz Inácio "Lula" da Silva, dessen Verhältnis zu den Landlosen wegen des Ausbleibens einer Agrarreform angespannt ist. Doch auch die gefeierten Ikonen mussten Kritik einstecken: "Ihr seid sehr lasch", warf ihnen MST-Koordinator João Pedro Stedile vor, "wir erwarten mehr von euch als Reden auf Gipfeltreffen oder Mittelchen für das Kapital. Wir wollen Strukturreformen, zum Beispiel Verstaatlichungen von Banken."

"Dass heute vier Präsidenten hier sind, haben wir euch zu verdanken", sagte Morales. Lugo bezeichnete das Weltsozialforum als Quelle, aus der sich das Projekt speist, das er seit ein paar Monaten in seiner Heimat umzusetzen versucht. Chávez erinnerte wiederholt an Fidel Castro und erklärte: "Wir sind dabei, die Utopie des Thomas Morus hier in der Neuen Welt umzusetzen."

Alte Vorstellungen müssten überwunden werden, forderte Rafael Correa: "Unsere Waffen sind die Wählerstimmen, unsere Soldaten sind die Bürger. Der vielleicht größte Fehler des traditionellen Sozialismus war es, das kapitalistische Entwicklungskonzept nicht in Frage zu stellen - man wollte dasselbe, nur schneller und gerechter." Weiter sagte er: "Unser Konzept ist das gute Leben, das Leben in Einklang mit der Natur, in Würde, mit Gleichheit." Ein Systemwechsel sei allerdings nur durch eine gemeinsame Politik auf regionaler Ebene zu erreichen. "Wenn wir die Bank des Südens, den Fonds des Südens, eine regionale Währung schon umgesetzt hätten, wären wir besser auf die Weltfinanzkrise vorbereitet gewesen."

Am Abend nahm Lula seine Kollegen auf seine eigene Großveranstaltung mit. "Der Gott namens Markt ist pleite", rief er dem dortigen Publikum zu. "Uns wurde immer vorgeschrieben, wir müssten sparen, Haushaltsmittel kürzen, ein Schockmanagement betreiben und Arbeiter entlassen", sagte er in Anspielung auf die neoliberale Ideologie der 90er Jahre und kündigte den Bau von einer Million Sozialwohnungen bis 2010 an.

Neben den Staatsgästen verlangten mehrere renommierte Soziologen, darunter der Brasilianer Michael Löwy und der Portugiese Boaventura de Souza Santos, eine radikale Neugestaltung der globalen Wirtschaftsordnung. De Souza Santos drängte die Forumsteilnehmer zu konkreten Vorschlägen. "Wenn wir keine Lösung geben, dann kommt sie aus Davos mit mehr Kapitalismus und weniger Rechten (...). Wir (das Weltsozialforum) treffen uns seit 2001, und es waren nicht wir, die den Neoliberalismus besiegt haben - er hat Selbstmord begangen."


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