Venezuela / Politik

Entwaffnungsgesetz im venezolanischen Parlament

Straffreiheit für freiwillige Abgabe illegaler Kleinwaffen. Consejos Comunales in die Entwaffnungsaktion einbezogen

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Innenminister Tareck El Aissami präsentiert 2.166 beschlagnahmte Kleinwaffen
Innenminister Tareck El Aissami präsentiert 2.166 beschlagnahmte Kleinwaffen

Caracas. Eine Woche vor der Wahl hat das venezolanische Parlament am Donnerstag in zweiter Lesung über eine Reform des bereits 2002 beschlossenen Entwaffnungsgesetzes debattiert. Mit ihrer Gesetzesnovelle will die Parlamentsfraktion der Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) den illegalen Kleinwaffenbesitz drastisch reduzieren. Mit dem Gesetz soll für einen kurzen Zeitraum eine Amnestie für die freiwilligen Abgabe von Waffen erlassen werden. Nach Ablauf der Amnestie soll illegaler Waffenbesitz mit Freiheitsstrafen von zehn bis zwölf Jahren sanktioniert werden.

Neben den nationalen Streitkräften (FANB) und der reformierten Bundespolizei (Policia Nacional) soll nach dem Gesetz auch den lokalen basisdemokratischen Kommunalräten (Consejos Comunales) eine aktive Rolle bei der Entwaffnung zukommen. So erläuterte der PSUV-Abgeordnete Juan José Mendoza, dass zu Zwecken der Aufrechterhaltung der Sicherheit in den Gemeinden besondere Mitglieder der Gemeinde eine begrenzt gültige Waffenlizenz erteilt werden kann. Gleichzeitig sollen die Gemeinderäte stärker mit den staatlichen Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten und gleichzeitig mit Bildungs- und Aufklärungsprogrammen zur freiwilligen Abgabe von Schusswaffen beitragen.

Der Spitzenkandidat der Oppositionsallianz MUD (Mesa de Unidad) Julio Borges, warf der Regierungspartei in diesem Zusammenhang Aktionismus zu Wahlkampfzwecken vor. Cilia Flores, Abgeordnete der PSUV, entgegnete daraufhin, die Gesetzesreform sei bereits vor 18 Monaten erarbeitet und vor längerem in erster Lesung vom Parlament verabschiedet worden. César Marín von der "Internationalen Aktion gegen Kleinwaffenbesitz" (IANSA), der vom venezolanischen Parlament als Berater für die Gesetzesreform konsultiert wurde, lobte im Interview mit EFE erste Fortschritte bei der Anerkennung und Bekämpfung des Problems des Kleinwaffenbesitzes in Venezuela.

Obwohl es keine offiziellen Zahlen über Waffenbesitz in Venezuela gibt, geht Amnesty International davon aus, dass bis zu zwölf Millionen Kleinwaffen in Umlauf seien könnten. Bei einer Bevölkerungszahl von 28 Millionen wäre somit fast jeder zweite Venezolaner im Besitz von Schusswaffen. Zwar begrüßte der Vorsitzende der Organisation, Carlos Lusverti, im Interview mit der spanischen Nachrichtenagentur EFE den Vorstoß einer Gesetzesreform. Gleichzeitig kritisierte er die diskutierten Möglichkeiten der Legalisierung von Waffenbesitz durch die Kommunalräte und wies in diesem Zusammenhang auf eine weitere  Schwächung des staatlichen Gewaltmonopols hin. Zudem mahnte er eine weitere Reform der bisher föderal organisierten Polizeikräfte des Landes an, die nach Angaben des Innenministeriums für ein Fünftel des Schusswaffengebrauchs mit Todesfolge verantwortlich seien. Zudem blieben 80 Prozent der Mordfälle in Venezuela unaufgeklärt.

Kritiker aus den sozialen Bewegungen stellten auf der Nachrichtenseite apporea.org die Wirksamkeit der Gesetzesreform in Frage. So wies Raul Díaz daraufhin, dass die absolute Mehrheit der Gewaltverbrechen in Venezuela im Zusammenhang mit Drogenhandel und Drogenkonsum geschehe. Deshalb würde die Gesetzesreform weder die Ursachen von Waffenbesitz und Gebrauch richtig analysieren noch an der Wurzel bekämpfen. Díaz forderte die Regierung auf, offen über eine Legalisierung des Drogenhandels zu diskutieren und verwies auf einen ähnlichen Vorstoß des mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón.