Kuba / Politik

Kubas Internetprinzessin

Die USA feiern die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez, hören aber ihre Botschaft nicht

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Kann über mangelnde Aufmerksamkeit der Medien nicht klagen: Yoani Sánchez
Kann über mangelnde Aufmerksamkeit der Medien nicht klagen: Yoani Sánchez

Liberale und konservative US-Amerikaner feiern die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez gleichermaßen. Sie sei die neue Heldin des "Widerstands gegen den kubanischen Kommunismus", eine renommierte Unruhestifterin im kommunistischen Kuba.

Dank ihres weitverbreiteten und wöchentlich erscheinenden Gen-Y-Blogs hat Yoani auch in Europa den Status einer Halbprinzessin erlangt. Benannt ist der Blog nach einem typisch kubanischen Phänomen: Kubaner einer bestimmten Epoche tragen den Anfangsbuchstaben Y im Namen. Ihre Kolumnen – Beschreibungen des kubanischen Lebensalltags – basieren auf unüberprüften Gerüchten, welche sie zur Diskreditierung der kubanischen Regierung zusammenfügt. Sie erscheinen neben der Huffington Post, El País und Die Zeit auch in anderen namhaften Zeitungen. In Kuba selbst wurde ihrem Blog jedoch bislang wenig Beachtung geschenkt. Noch dürften die meisten Kubaner je von ihrem Namen gehört haben. Nun allerdings dürfte ihr Gesicht, sofern sie gesehen wird, sofort erkannt werden.

Nach einem Besuch in Brasilien, Argentinien und Mexiko, machte Yoani halt in New York, Washington D.C. und Miami. Der Höhepunkt ihrer Reise stellte der Besuch in der US-amerikanischen Hauptstadt dar, wo unter anderem ein öffentlichkeitswirksames Gespräch sowohl mit Mitgliedern beider Kammern des Senats wie auch mit dem Executive Office – dem US-Präsidialamt – stattfand. Kurz nachdem sie ihr Anliegen der brasilianischen Legislative präsentierte, wo sie drei wichtige Bemerkungen zu den Beziehungen der USA zu Kuba machte, führte sie diese auch in Washington aus.

"Mein Standpunkt ist, dass die Blockade enden sollte," sagte sie, "da dies eine interventionistische Haltung darstellt, die ein Land dazu befähigt, die innere Situation eines anderen Landes zu verändern. Zweitens, sie funktioniert nicht. Falls es die anfängliche Überlegung war, Unmut in der Bevölkerung hervorzurufen, sodass die Menschen auf die Straßen gehen und das totalitäre Regime stürzen würden, so hat sie keine Wirkung gezeigt. Selbst als Druckmittel ist sie gescheitert. Sie sollte so schnell wie möglich beendet werden, da die Blockade der kubanischen Regierung den Vorwand verschafft, ihr wirtschaftliches Versagen auf diese zurückzuführen." Auch fiel sie durch ihre Meinung zum US-Reisestopp für US-amerikanische Staatsbürger nach Kuba auf. "Wenn die Restriktionen, nach Kuba einzureisen, gelockert werden," schrieb Yoani am 19.11.2009 an den Kongressabgeordneten Howard Berman, "dann würden die US-Amerikaner in den Genuss eines Rechts kommen, das in den letzten Jahren verletzt worden ist – das Recht auf uneingeschränkte Reisefreiheit ohne Bestrafung."

Zur US-amerikanischen Marinebasis auf Kuba, in Guantánamo, sagte Yoani, dass sie einen Abzug der Amerikaner von der Basis für richtig halte. Sie sei schließlich eine "Zivilistin", also "eine Person, die das Rechtssystem respektiert". Als solche könne sie nicht mit der Besatzung einverstanden sein, "die zeigt, dass der Besatzer das Gesetz nicht respektiert."

In Brasilien beantwortete sie ebenso eine Frage bezüglich der Cuban Five, Mitglieder des kubanischen Innenministeriums, die seit über zehn Jahren in US-Haft sitzen. Die USA solle sie aufgrund "der Geldsumme, die die Regierung in dieser weltweiten Kampagne mit Flügen um die ganze Welt ausgibt" freilassen. Auch nehme die Berichterstattung über diese Gruppe Platz in der Presse ein und vergeude Stunden an Unterricht, erklärte sie.

Zudem prangerte sie das Fehlen der Internetfreiheit in Kuba an – eine Übertreibung. Yoani trivialisierte ihre Erklärungen mit den von ihr gewünschten politischen Veränderungen.

Die Ignorierung des Auftrags, der mit der Übermittlung der Agenten nach Südflorida in den frühen 1990er Jahren einherging, verdeutlicht Yoanis Banalisierung der Welt. Die Cuban Five und deren erweitertes Agentennetzwerk waren mit der Aufgabe betraut, gewalttätige kubanische Exilgruppen zu unterwandern, die Anschläge auf Touristenorte in Havanna verübten. Ihr Job war es, weitere Anschläge zu vermeiden. Kubanische Geheimdienste brachten wieder in Umlauf, was ihre Agenten in Florida dem FBI mitteilten, das die Informationen der Agenten in einem Fall verwendete, um ein am Miami River anliegendes, mit Waffen und Explosivstoffen beladenes Boot zu beschlagnahmen, welches Richtung Kuba in See stechen sollte.

1998 ergriff das FBI die Mitglieder des kubanischen Spionagerings. Sie wurden aufgrund eines Spionagekomplotts, allerdings nicht wegen Spionage selbst, unter Anklage gestellt. Deren Koordinator, Gerardo Hernández, wurde außerdem die Teilnahme an einem Mordkomplott zur Last gelegt. Dies aufgrund der falschen Annahme, er habe Havanna mit Flugplänen der Brothers to the Rescue versorgt. Flugzeuge dieser Gruppe waren in den kubanischen Luftraum eingedrungen und daraufhin abgeschossen worden, wobei zwei Piloten und zwei weitere Kopiloten ums Leben kamen.

Die US-Regierung hielt jedoch keinen Beweis in der Hand, um ihre Anschuldigungen zu beweisen. Tatsächlich hatte Jose Basulto, Leiter der Brothers-Gruppe, die Flugpläne selbst bekanntgegeben. Dennoch wurde Gerardo von Geschworenen aus Florida schuldig gesprochen. Der Richter verurteilte ihn zu einer zweifach lebenslangen Haftstrafe. Auch die anderen Mitglieder erhielten lange Freiheitsstrafen. Im Gegensatz zu Kuba, welches den Fall der Cuban Five mit den schlimmsten Fällen irrtümlich politischer Gefangener verglich, lieferte Yoani nur einen banalen Vorwand für deren Freilassung.

Gleichwohl setzte Yoani die politische und moralische Bedeutung herab, die die kubanische Regierung den Themen Guantánamo und Embargo beimisst.

Die Ironie an Yoani ist, dass, obwohl von Castro-Gegnern, einschließlich US-Medien und US-Kongress, gewissermaßen zur Königin der Dissidenten gekürt, sie genau die Punkte ansprach, die die kubanische Regierung seit mehr als einem Jahrzehnt ins Feld führt. Doch anscheinend hört sie niemand. Anstatt von den Inhalten ihrer Gespräche zu berichten, fokussierten sich die Medien auf gelegentliche Unterbrechungen ihrer Reden durch aufgebrachte Linke. Als Yoani im Kongress und im Weißen Haus eintraf, erlangte sie quasi den Status einer Berühmtheit. Soll heißen, dass sowohl die Kongress-Abgeordneten als auch das Personal des Executive Office zwar ihren Besuch feierten, der Übereinstimmung ihrer Argumente mit denen der kubanischen Regierung jedoch kaum Beachtung schenkten.

Keine einzige Mainstream-Story fing die Ironie von Kubas führender Dissidentin auf, die genau die Positionen vertritt, die die kubanische Regierung seit Jahren aufführt.

In den Augen der US-Medien repräsentiert Yoani das technologische Kommunikationszeitalter, indem sie ihre wöchentlich erscheinende Internetkolumne und andere Botschaften gegen eine kleine Gebühr von kubanischen Hotels und von der US-Interessensvertretung in Havanna aus mittels USB-Stick versendet. Jede Kolumne ist als Angriff auf die kommunistische Regierung angelegt wegen des vermeintlichen Versagens, ihr und ihrem Sohn effizientere sozialstaatliche Einrichtungen anzubieten.

Die Prinzessin der technologischen Kommunikation hat ihr triumphales Debüt hingelegt. Doch scheinbar nahm niemand an der Macht oder in den Mainstream-Medien ihr Gesagtes wichtig. Ungeachtet dessen sollte die kubanische Regierung trotz allem stolz auf sie sein. Sie präsentierte das Anliegen der kubanischen Regierung dem US-Kongress, dem Weißen Haus und der Öffentlichkeit, nur mit anderen Worten. Aber die Augen sahen, doch die Ohren waren verschlossen!


Saul Landaus "Fidel" und "Will the real terrorist please stand up" sind bei cinemalibrestudio.com verfügbar.

Nelson P. Valdes ist emeritierter Professor der Universität von New Mexico