International / Politik

Betrügerische Banker

Ignacio Ramonet befasst sich in seiner monatlichen Kolumne mit der Finanzkrise, Bankstern, Steuer- und Zinsenzahlern

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Ignacio Ramonet, Herausgeber der spanischen Ausgabe der Le Monde Diplomatique und Kolumnist von amerika21
Ignacio Ramonet, Herausgeber der spanischen Ausgabe der Le Monde Diplomatique und Kolumnist von amerika21

"Poderoso caballero es Don Dinero." (sinngemäß: Geld regiert die Welt) Francisco de Quevedo

Die gegenwärtige Krise zeigt auch denjenigen, die es bisher nicht wahr haben wollten, dass die Hauptverantwortlichen für die aktuelle wirtschaftliche Lage in Europa die Finanzmärkte sind. Dies bedeutet eine wichtige Veränderung: Die Macht ist von den Politikern übergegangen zu den Börsenspekulanten und einer Meute von betrügerischen Bankern.

Die Märkte bewegen Tag für Tag riesige Geldmengen. Zum Beispiel fast sieben Billionen Euro allein für die Schulden der Staaten in der Eurozone, wie die Europäische Zentralbank bekannt gibt. Ein gemeinsamer Entschluss dieser Märkte könnte jeden Tag Regierungen stürzen, die Politik bestimmen und ganze Völker beherrschen.

Das Gefährliche besteht darin, dass diese neuen "Herren der Welt" keinerlei Verantwortung für das Gemeinwohl besitzen. Solidarität ist nicht ihr Problem. Noch weniger die Erhaltung des Wohlfahrtsstaates. Ihr einziger Beweggrund ist Gewinnstreben. Spekulanten und Banker, die nur von Habgier getrieben werden, führen sich schließlich auf wie Mafiosi mit der Mentalität von Raubvögeln. Und sie werden fast nie zur Rechenschaft gezogen.

Seitdem im Jahr 2008 die Krise ausbrach – zum großen Teil von diesen Leuten verursacht –, ist es mit keiner ernst zu nehmenden Reform gelungen, die Märkte zu reglementieren oder die Banker auf den rechten Weg zu bringen. Obwohl es viel Kritik an der "Irrationalität des Systems" gibt, bleibt das Verhalten vieler Akteure auf den Finanzmärkten unverändert.

Es steht fest, dass die Banken eine Schlüsselrolle im Wirtschaftssystem spielen. Ihre traditionellen Aktivitäten sind konstruktiv – Anreize zum Sparen schaffen, Familien Kredite gewähren, Unternehmen finanzieren, den Handel fördern. Aber seit in den 1980er Jahren das Modell einer "universellen Bank" entstand, die spekulativ investiert, haben sich die Risiken für die Sparer vervielfacht, ebenso wie es mehr Betrügereien und Skandale gibt.

Erinnern wir uns zum Beispiel an einen der unverschämtesten Betrugsfälle durch Goldman Sachs, die mächtige Bank in den Vereinigten Staaten, die heute die Finanzwelt beherrscht. Im Jahr 2001 haben sie Griechenland geholfen, ihre Bilanzen zu beschönigen, damit Athen die Forderungen erfüllen und in die Eurozone eintreten kann. Aber in weniger als sieben Jahren ist diese Mogelei aufgeflogen und die Realität ist wie eine Bombe geplatzt. Die Folge: "Fast ein ganzer Kontinent der Schuldenkrise unterworfen; ein Land, Griechenland, ausgeplündert und auf Knien liegend; Rezession, Massenentlassungen, Kaufkraftverlust für die arbeitenden Menschen; Neugestaltung und Kürzungen bei den Sozialleistungen; Pläne für Kürzungen überall."1

Welche Strafen haben die Verursacher dieses entsetzlichen Betrugs bekommen? Der ehemalige Vizechef von Goldman Sachs in Europa, Mario Draghi, wurde trotz dieses Betrugs zum Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) ernannt. Und Goldman Sachs hat für die Beschönigung der Bilanzen 600 Millionen Euro kassiert. Hier bestätigt sich das Prinzip: Bei großen Betrügereien durch Banken gibt es keine Strafen.

Das können die Tausenden von spanischen Sparern bestätigen, die Aktien der Bankia Bank gekauft haben, als diese an die Börse ging. Man wusste, dass sie nicht kreditwürdig war und dass ihre Aktien den Wert von Junk Bonds hatten.

Die Sparer vertrauten Rodrigo Rato, dem damaligen Präsidenten von Bankia und Ex-Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF), der nicht zögerte, am 2. Mai 2012 zu bekräftigen (fünf Tage, bevor er auf Druck der Märkte zurücktrat und kurz bevor der Staat 23,5 Milliarden Euro in das Unternehmen stecken musste, um einen Bankrott zu verhindern) : "Wir befinden uns in einer stabilen Lage hinsichtlich unserer Zahlungsfähigkeit und unserer Liquidität."2

Sicher ist, dass weniger als ein Jahr vorher, im Juli 2011, Bankia offensichtlich die Beweisprobe bestanden hatte, der die Europäische Bankenaufsicht (EBA) insgesamt 91 große Finanzinstitute in Europa unterworfen hatte. Bankia hat eine Kernkapitalquote von 5,4 Prozent.3

Die Dreistigkeit dieser Banker können die Opfer des "Skandals der Vorzugsbeteiligungen" in Spanien bezeugen. Ein Betrug, von dem mehr als 700.000 Sparer betroffen sind, die ihre Ersparnisse verloren haben. Man hat sie glauben lassen, dass sie etwas Ähnliches wie Festgeld kaufen. Aber diese Vorzugsbeteiligungen sind ein Finanzprodukt, das nicht vom Garantiefonds der Banken gedeckt ist. Diese sind nicht verpflichtet, im Fall der Insolvenz das eingezahlte Kapital oder die Zinsen zurückzuzahlen.

Dieser Schwindel hat auch enthüllt, dass die Opfer dieser betrügerischen Banken in Spanien nicht mit dem Schutz durch die Bank von Spanien oder die Nationale Kommission des Wertpapiermarktes (CNMV) rechnen können.4 Und offensichtlich auch nicht mit dem Schutz durch die Regierung, die weiterhin die Banken massiv unterstützt und auf der anderen Seite Sparmaßnahmen und Kürzungen vornimmt, die die Bürger dauerhaft bestrafen. Um den spanischen Banken zu helfen, hat Mariano Rajoy bei der Europäischen Union einen Kredit von 100 Milliarden Euro beantragt. In der Zwischenzeit bevorzugen die spanischen Banken die massenhafte Kapitalflucht.

Schätzungen zufolge haben auf diese Weise bis September 220 Milliarden Euro Spanien verlassen5, mehr als zweimal so viel wie der bei der EU beantragte Kredit zur Rettung des spanischen Bankwesens.

Das ist aber noch nicht alles an Skandalen. Wir erinnern uns, dass es auch in den letzten Monaten weitere Betrugsfälle bei Banken gegeben hat. Die Bank HSBC wurde beschuldigt, Gelder der mexikanischen Drogenhändler zu waschen. Die JP Morgan Bank ist in maßlosen Spekulationen unerhörte Risiken eingegangen, die Verluste von 7,5 Milliarden Euro verursacht und zahlreiche Kunden in den Ruin getrieben haben. Das gleiche ist bei Knight Capital geschehen, die mehr als 323 Millionen Euro in einer Nacht durch einen Fehler bei einem computergesteuerten Spekulationsprogramm verloren hat.

Weltweit betrachtet irritiert der Libor Skandal am meisten. Worum geht es dabei? Die Vereinigung der Britischen Banker schlägt jeden Tag einen bankeninternen Kurs vor, den sogenannten "London interbank offered rate" oder "Libor", zu dem sich die großen Banken untereinander Geld leihen. Die Berechnung dieses Kurses nimmt die Agentur Reuters vor, die jeden Tag sechzehn große Banken fragt, zu welchem Zinssatz sie Kredite erhalten. Sie setzen dann einen Mittelwert fest. Nach diesem Wert wird der Libor zu einer grundlegenden Referenz des gesamten weltweiten Finanzsystems. Er dient besonders auch dazu, den Zinssatz der Hypotheken für Familien festzulegen. In der Eurozone heißt das Äquivalent zum Libor Euribor und wird auf Grundlage der Geschäfte von circa sechzig großen Banken berechnet. Weltweit beeinflusst der Libor Kredite von ungefähr 350 Billionen Euro... Jede noch so kleine Veränderung dieses Zinssatzes kann kolossale Auswirkungen nach sich ziehen.

Worin bestand der Betrug dabei? Mehrere Banken (die den Referenzwert des Libor festlegen) schließen sich zusammen und beschließen, falsche Angaben über ihre Zinssätze zu machen und manipulieren so den Libor und alle davon abhängigen Verträge, sowohl die Kredite an Haushalte als auch an Unternehmen. Und das jahrelang.

Untersuchungen haben bewiesen, dass einige der großen internationalen Banken sich zusammen geschlossen haben, um den Libor zu manipulieren (dazu gehören die Barclays Bank, Citigroup, JP Morgan Chase, die Bank of America, die Deutsche Bank, HSBC, Crédit Suisse, UBS – Union der Schweizer Banken, Société Générale, Crédit Agricole, Royal Bank of Scotland).

Dieser ungeheure Skandal beweist, dass das Verbrechen im Herzen der internationalen Finanzwelt selbst sitzt. Und dass wahrscheinlich Millionen Familien ihre Hypotheken zu rechtswidrigen Zinssätzen bezahlt haben. Viele mussten auf ihre Häuser verzichten. Andere wurden aus ihren Wohnungen hinausgeworfen, weil sie die manipulierten Kredite nicht bezahlen konnten. Wieder einmal haben die Stellen, die das Funktionieren der Märkte überwachen sollten, ein Auge zugedrückt. Niemand wurde bestraft, mit Ausnahme von vier Kumpanen. Alle beteiligten Banken machen weiterhin ihre Geschäfte.

Bis zu welchem Punkt können die Demokratien diese Straflosigkeit ertragen? In den Vereinigten Staaten wurde 1932 Ferdinand Pecora, Sohn italienischer Einwanderer, der es bis zum Staatsanwalt in New York gebracht hat, von Präsident Herbert Hoover dazu ermächtigt, die Beteiligung der Banken in Bezug auf die Krise von 1929 zu untersuchen. Sein Bericht war niederschmetternd. Er schlug den Begriff "Bankster" für die "Gangster Banker" vor. Auf der Grundlage dieses Berichts entschied Franklin D. Roosevelt, die Bürger vor den Risiken der Spekulation zu schützen. Er sanktionierte die Banken durch das "Glass-Steagal" Gesetz und beschloss die Unvereinbarkeit von zwei Aktivitäten: Sparbanken und Investitionsbanken. Welche europäische Regierung der Eurozone würde heute eine ähnliche Entscheidung fällen?


  • 1. Eduardo Febbro,"El gran truco que usó Goldman Sachs con Grecia", S.12, Buenos Aires, 13.März 2012
  • 2. El País, 2. Mai 2012
  • 3. Auf der Grundlage dieses bedauerlichen Berichtes bestätigen einige Analysten – vor fast fünf Monaten! -, dass das spanische Bankensystem zu den "solidesten der Welt" gehöre…. So schrieb zum Beispiel eine "gut informierte Zeitung": "In der Tat verfügen die großen spanischen Banken über mehr als das erforderliche Kapital, um eine hypothetische Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den nächsten zwei Jahren zu überstehen". (El Pais, Madrid, 15.Juni 2012)
  • 4. Cinco dias, Madrid, 21. Oktober 2012
  • 5. Die Barclays Bank wurde zu einer Geldstrafe von365 Millionen Euro verurteilt. Sie entließ ihren Präsidenten Marcus Agius. Bob Diamond, Mitglied des Verwaltungsrates und einer der Verantwortlichender Libor Manipulation, trat zurück…und erhielt dafür eine Abfindung von circa 2,5 Millionen Euro.

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