Die US-Lateinamerikapolitik unter Donald Trump

Die Trump-Administration wird aggressiv vorgehen, wie allein das Beispiel Mexiko schon zeigt, was aber auch auf die gesamte Region ausgedehnt werden kann

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Wie wird die Trump-Administration gegenüber dem widerständigen "Hinterhof" agieren ?
Wie wird die Trump-Administration gegenüber dem widerständigen "Hinterhof" agieren ?

Nach den ersten Monaten der Präsidentschaft Donald Trumps (100 Tagen) zeichnet sich – vorerst nur in bestimmten Konturen – Kontinuität der Politik der neuen US-Administration gegenüber Lateinamerika ab. Allerdings werden einige neue Akzente gesetzt. Die von Trump postulierte protektionistische Politik richtet sich vor allem. gegen das Nachbarland Mexiko und kann, wie alle Kommentatoren analysieren, auch Auswirkungen für Lateinamerika mit sich bringen. Grund für Befürchtungen gibt es über das zukünftige Verhältnis der USA zu Kuba, Venezuela, Bolivien, Ecuador und Nicaragua.

Lateinamerika – der "traditionelle Hinterhof" der USA

Die USA waren gezwungen, sich auf die Entwicklung zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Lateinamerika einzustellen. Die Regierung unter Präsident Barack Obama agierte im Sinne der von Joseph Nye1 entworfenen Linie der "smart power" (intelligente Macht), so in dem Ende 2015 begonnen Normalisierungsprozess der Beziehungen zu Kuba, dem Friedensprozess in Kolumbien und der Haltung gegenüber großen Ländern, wie zum Beispiel zu Brasilien, um sie als Alliierte zu gewinnen oder sie zumindest zu neutralisieren, um eine weiter gehende Eigenständigkeit zu verhindern.

Diese Politik der "intelligenten Macht" stützte sich auf die militärische Präsenz der USA mit 70 Militärbasen auf dem lateinamerikanischen Kontinent, die traditionell engen wirtschaftlichen Beziehungen, insbesondere den Abschluss von Freihandelsverträgen mit einzelnen Ländern, die Tätigkeit von US-amerikanischen Nichtregierungsorganisationen wie National Endowment for Democracy (NED), Students for Liberty und Institutionen wie USAID sowie die Tätigkeit von Geheimdiensten, unter anderem der NSA.

Von der "smart power" zur "hard (stupid) power"?

Die Strategie des Unilateralismus, die von allen letzten US-Präsidenten präferiert wurde, war verbunden mit wachsenden Ausgaben für die Aufrechterhaltung der militärischen Dominanz der USA. Angesichts des Einflussverlustes wurde eine Debatte ausgelöst, in der die von Zbiegniew Brzezinskisi vertretenen Thesen auch in den Wahlkampfreden Trumps eine Rolle spielten.

In seinem 1971 erschienen Buch "Zwischen zwei Zeiten – Die Rolle der USA in der digitalen Ära" (Between two Ages) schreibt Brzezinski, dass die Zeit der Neu-Ausbalancierung der Welt gekommen sei und eine neue politische globale Ordnung eines trilateralen wirtschaftlichen Zusammenschlusses zwischen Japan, Europa und den USA erforderlich ist 2. Trumps Politikansätze weisen auf eine Vertiefung der kapitalistischen Globalisierung in einer Situation der Schwächung des Systems und auf Umverteilung und Neuformierung der Kräfte hin. Es stellt sich die Frage, welche Rolle Lateinamerika in dieser neuen politischen globalen Ordnung für die USA spielen soll.

Lateinamerikanische Kommentatoren gehen in ihren Analysen der Politik der neuen US-Administration gegenüber Lateinamerika von einem direkten Einfluss einiger von Brzezinski vertretenen Thesen, unter anderem der des "konstruktiven Chaos" aus3.Beispielhaft bezieht Brzezinski sich auf den in Mexiko tobenden Drogenkrieg, wodurch das Land einem "failed state" gleicht, das heißt sich im Zustand eines "konstruktiven Chaos" befindet. Es bestehe so die Gefahr von starken Anti-USA-Bewegungen und damit der Notwendigkeit, Mexiko stärker unter Kontrolle zu nehmen4.

Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet erinnert die Entwicklung in Venezuela stark an die Durchsetzung dieses Konzeptes. Die politische Instabilität bietet die Möglichkeit, dieses "konstruktive Chaos" auszunutzen.

Gemessen an der von Trump gewählten Sprache, seinen politischen Auslassungen und seinen ersten politischen Maßnahmen spricht der kubanische Historiker Elier Ramirez Canedo von einem Übergang von der "smart power"- Politik Obamas zur "hard power" oder "stupid power" Politik Trumps.

Vorgehen der Trump-Administration gegen einzelne Länder

Ein aktueller Blick auf Lateinamerika macht deutlich, dass vor allem Folgen für die Wirtschaft und den Außenhandel, die Haltung der USA zu Migranten, die politische Instabilität in Venezuela, die weitere Entwicklung der Beziehungen der USA zu Kuba, der Friedensprozess in Kolumbien und das Drogenproblem im Fokus der US-Politik stehen werden.

Mexiko

Mexiko stand sowohl im Wahlkampf wie auch sofort nach Amtsantritt Trumps im Mittelpunkt seiner "Kritik": Mexiko sei auf der Basis des Nafta-Vertrages wirtschaftlich bevorteilt und die Migration sei Teil der Probleme, die die USA belasten.

Für Mexiko, das seit 1992 Mitglied des Freihandelsvertrages Nordamerikas (USA, Kanada, Mexiko) ist, beweisen wirtschaftliche Indikatoren, dass der Vertrag im Wesentlichen negative Auswirkungen aufweist: kein Industrialisierungseffekt, billige Arbeitskräfte, Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und Exportplattform für die USA (90 Prozent produzierter Autoteile/Pkw gehen in die USA).

Vom Weißen Haus war zu vernehmen, dass die USA 20 Prozent Importzölle auf mexikanische Einfuhren erheben wollen, was außerordentlich negative Konsequenzen für die Wirtschaft und die Menschen haben würde.

Bisher reagierte die mexikanische Regierung auf die Angriffe sehr defensiv. Die Beunruhigung der mexikanischen Unternehmenselite beruht auf der Ungewissheit, ob Trump den Nafta-Vertrag neu verhandeln oder aufkündigen wird. Trump demütigte Präsident Enrique Peña Nieto mit der Drohung, US-Truppen an die mexikanisch-amerikanische Grenze zu schicken, um Mexiko zu zwingen, die von Trump angekündigte Mauer zu bauen.

Mit dieser Politik verwirklicht Trump nicht nur wirtschaftliche Ziele, sondern ordnet Mexiko den geopolitischen Erfordernissen der USA unter.

Venezuela

Der Historiker Juan Eduardo Romero, Leiter des Forschungszentrums für politische strategische Studien, beschreibt die Situation in Venezuela als "katastrophales Patt"5, das die Existenz der Regierung von Präsident Nicolás Maduro durch eigene Schwächen bedroht, unter anderem durch die versuchte Ausschaltung des Parlaments durch einen Gerichtsbeschluss, durch die schlechte wirtschaftliche Lage und durch destabilisierende Aktionen der radikalen Opposition.

Trumps neuer Außenminister Rex Tillerson machte deutlich: "Wir arbeiten mit der OAS zusammen, um in Venezuela eine Verhandlungslösung zu einem demokratischen Übergang zu suchen"6.

Beispielhaft für diese politische Zielstellung verlief die Tagung des Ständigen Rates der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) am 23. März 2017 in Washington, der einige Länder (Bolivien, Venezuela, Nicaragua) aus Protest fernblieben, aber 21 von 34 Mitgliedern die politische Krise in Venezuela zum Anlass nahmen, gegen Maduro vorzugehen. Zur Debatte stand eine Resolution, die eine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas vorsieht. Diese wurde per Akklamation angenommen.

Begleitet wurde dieses Szenarium im Rahmen der OAS mit einer Information des Chefs des Südkommandos der USA, Admiral Kurt Tidd, an das Komitee für militärische Angelegenheiten des Senats. Nach Tidd stellt Venezuela einen "destabilisierenden Faktor" in der Region dar, was durch "die sich verschärfende humanitäre Krise eine regionale Antwort erfordern könnte". Darüber hinaus warnte er vor dem "russischem, chinesischem und iranischen Einfluss in der Region",der eine Gefahr für die Interessen der USA in Lateinamerika darstelle 7.

Mit der Trump-Administration wächst die Gefahr einer militärischen Intervention in Venezuela. Im Moment, da die Welt auf die verschärfte Lage in Syrien schaut, ist eine militärische Aktion seitens der USA in Lateinamerika nicht ausgeschlossen.

Venezuela steht auch im Zentrum der Aufmerksamkeit der Trump-Administration, da es um die Erdölvorräte des Landes geht. Exxon-Mobil hat laut Tillerson – damals noch als Chef des Konzerns – Interesse an der Ausbeutung eines Erdölvorkommens an der venezolanisch-guyanischen Grenze. 8

Kuba

Schon während des Wahlkampfes erklärte Trump seine Ablehnung der Politik Obamas gegenüber Kuba, die dieser im Dezember 2014 mit einer schrittweisen Veränderung der Politik gegenüber Kuba begonnen hatte. Er erklärte die "Öffnung" gegenüber Kuba als "schandhafte Annäherung an die Tyrannen, die nur die Militärdiktatur festigt" und "Wir unterstützen das Recht der Kubaner, sich vom Kommunismus zu befreien."9 Tillerson als Außenminister unterstützte Trump, indem er die entsprechenden US-Institutionen aufforderte, alle von Obama bezüglich Kuba getroffenen Schritte rückgängig zu machen. Gleichzeitig forderte Tillerson den Senat und das Abgeordnetenhaus auf, das Embargo gegen Kuba nicht aufzuheben.

Nach der Amtsübernahme Trumps erwartete die Miami-Fraktion der Exilkubaner konkrete Schritte. Doch weder der Präsident noch der Beauftragte für kubanische Angelegenheiten, Jann Greenblatt, wurden bisher aktiv. Noch sind alle Vereinbarungen, die mit Kuba getroffen wurden, in Kraft10.

Die kubanische Regierung reagierte ihrerseits besonnen und zurückhaltend auf die Angriffe gegen Kuba. Präsident Raúl Castro erklärte im Januar 2017 auf der 5. Tagung der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) in Santo Domingo die Bereitschaft seines Landes, den Dialog mit den USA weiter zu führen und die begonnene Kooperation unter Beachtung unterschiedlicher Positionen fortzusetzen11.

Lateinamerikanische Kommentatoren vermuten, dass versucht wird, mit "Demokratieentwicklung" die kubanische Regierung zu schwächen und Kuba in Lateinamerika zu neutralisieren. Nicht zu verkennen sind auch US-Unternehmerinteressen in Kuba, da mit der Normalisierung sich auch geschäftliche Beziehungen entwickelten.

Welchen Platz wird Lateinamerika in der Politik der Trump-Administration einnehmen?

Eine Antwort auf diese Frage ist gegenwärtig noch nicht umfassend möglich. Vertreten wird die Meinung, dass es um eine Analyse von Fall zu Fall gehen werde. Vieles hängt davon ab, welche politischen und militärischen Positionen unterschiedliche Interessengruppen, vor allem des bürokratisch-militärischen Apparates, und ihre Vertreter in Regierungsfunktionen einnehmen und sich durchsetzen werden12. Besonders zu beachten ist aber die starke Vertretung der Erdöllobby (u.a. Tillerson, Rick Perry, Scott Pruit) in verschiedenen Regierungspositionen.

Die Existenz linksgerichteter Regierungen und Bewegungen, die sich nicht im Sinne der strategischen Linie der USA bewegten, ist ein wesentlicher Ausgangspunkt für Trumps Losung "Machen wir Amerika wieder groß". Das erinnert die Lateinamerikaner an die historischen Erfahrungen mit der Politik des "Big stick" und der Monroe-Doktrin "Amerika den Amerikanern", die durch die Trump-Administration eine Wiederbelebung erfahren könnten. Eine neue Welle politischer Destabilisierung und ökonomischer Probleme ist nicht auszuschließen. Im besonderen Maße wird sich diese Politik auch gegen die Integrationsbestrebungen der lateinamerikanischen Länder wie Union südamerikanischer Nationen (Unasur), die Bolivarische Allianz (Alba) und Celac richten.

Für die USA wird Lateinamerika im Hinblick auf die weltweit existierenden Konflikte, auf die die Trump-Administration reagieren muss und wird, eine bedeutende Rolle spielen. Als "Hinterhof" (patio traseiro) hatte Lateinamerika historisch betrachtet immer eine außerordentliche Bedeutung für die USA, das heißt, es war immer Hinterland, Rohstofflieferant, dem US-Kapital untergeordnet, politisch abhängig und quasi eine "friedensberuhigte Zone".

Bei einer Analyse der Reaktion lateinamerikanischer Länder auf die Wahl Trumps zum US-Präsidenten kann festgestellt werden, dass führende Vertreter Lateinamerikas auf einen Wahlsieg Hillary Clintons setzten13. Sie müssen nun befürchten, dass Trump die existierenden bilateralen und internationalen Verträge in Frage stellt, um sie zur Schaffung klarer wirtschaftlicher Vorteile für die USA neu zu regeln.

Die offenkundige Orientierungslosigkeit der mexikanischen Elite erstreckt sich auf die Eliten ganz Lateinamerikas. Gegenwärtig reagieren sie mit pragmatischen Handlungen, sind aber nicht in der Lage, eigene politische Alternativen zu präsentieren. Es setzt sich der Zerfallsprozess des Wirtschaftsbündnisses Mercosur fort. Es dominiert die Tendenz, Freihandelsverträge zum Beispiel mit der Europäischen Union abzuschließen. Argentinien und Brasilien versuchen, mit China ins Gespräch zu kommen, ohne zu bedenken, dass sie im Falle eines Handelskrieges USA-China harte Folgen einkalkulieren müssen. Beide setzen sie weiter auf den Export von Rohstoffen14.

Der Ökonom Claudio Katz schätzt ein, dass die Auswirkungen der kommenden Politik Trumps im Allgemeinen und im Besonderen für Lateinamerika erheblich sein werden15.

Mögliche Szenarien einer kommenden US-Politik gegenüber Lateinamerika

a. Ausbau der neoliberalen Front mit Brasilien und Argentinien

Nach der Niederlage linksgerichteter Regierungen in Argentinien und Brasilien hat sich eine neue neoliberale Front in Lateinamerika gebildet. Die Folge ist eine veränderte geopolitische Situation, was sowohl den Druck auf andere Länder, wie auf Venezuela erhöht als auch die bisher erreichten sozialen Errungenschaft in Frage stellt und sie gänzlich beseitigt werden. Mauricio Macri in Argentinien und Michel Temer in Brasilien haben sich beeilt, entsprechende Signale in Richtung Washington zu senden, die eine bewusste Unterordnung unter die Interessen der USA ankündigten.

Brasiliens De-facto Präsident Temer erklärte, dass die USA ein bedeutender Handelspartner Brasiliens sind. Brasilien sei zugleich nicht Mexiko, sodass er glaube, dass sein Land in der Politik Trumps eine "zentrale Rolle in Lateinamerika spielen" werde. Für diese Regierung sind die Beziehungen zu den USA prioritär, wobei vor allem kommerzielle Interessen und die Zusammenarbeit auf militärischem und wissenschaftlich-technischem Gebiet im Vordergrund stehen. Auch wird es stark um die Ausbeutung der Erdölvorkommen vor der Atlantikküste Brasiliens gehen. Die Temer-Regierung hat erste Schritte eingeleitet, um die von der Regierung der Arbeiterpartei getroffenen Maßnahmen zur Nutzung des Erdöls im nationalen Sinne rückgängig zu machen. Insgesamt aber bleibt die Unsicherheit, welche wirtschaftliche Richtung Trump einschlagen wird. Das erhöht auch den Druck auf diese instabile Regierung, von der lukrative Ergebnisse für die dominierenden Eliten erwartet werden.

Macri erwischte einen schlechten Start mit Trump, da bekannt wurde, dass er auf Hillary Clinton gesetzt hatte. Politisch steht Macri in Bezug auf "Ausländer im Land" nahe bei Trump. Auch in Argentinien soll eine Reform der Migration realisiert werden, die Einreisen per Dekret regeln soll. Ein aktuelles Problem ist die Suspendierung für 60 Tage des Vertrages über den Export von Zitrusfrüchten in die USA. Enttäuscht ist Macri auch, weil er Visa-Erleichterungen für Argentinier für die USA erhoffte.

b. Erweiterung des Einflusses der Pazifik Allianz in Lateinamerika

Besonders die Regierungen Brasiliens und Argentiniens unternahmen konkrete Schritte, um den Ausschluss Venezuelas aus dem Mercosur zu erreichen. Das würde die Möglichkeit eröffnen, den Mercosur an die Pazifik Allianz heranzuführen. Offensichtlich besteht Übereinstimmung, dass diese das neoliberale Integrationsmodell für Lateinamerika sein soll. Aber auch in dieser Frage herrscht noch Ungewissheit, weil konkrete Schritte der Trump-Administration noch ausstehen. "Die von den Regierungen Macri und Temer unternommenen Aktionen gegen Venezuela im Mercosur wie auch die Versuche, die Unasur zu schwächen und sich der Pazifischen Allianz anzunähern, zeigen die Berechtigung dieser Analyse."16

c. Ausbau der militärischen Präsenz der USA in Lateinamerika

Aufbauend auf die Konzession der Macri-Regierung zum Ausbau von US-Militärbasen in Ushaia und im Dreiländerdreieck Argentinien, Brasilien und Paraguay, können die USA die Kontrolle im Südatlantik einschließlich des Zugriffs auf die Antarktis und auf die Wasserreserven des Guarani-Reservoirs verstärken. Die Präsenz Englands auf den Malvinen garantiert einen NATO-Stützpunkt im Südatlantik. Übereinstimmend wird von Kommentatoren befürchtet, dass Trump die Militarisierung in Lateinamerika vorantreibt und eine Politik des Interventionismus realisieren wird.

d. Ausbau der Zusammenarbeit der USA mit Kolumbien und seiner Zusammenarbeit mit der NATO17, was eine verstärkte Kontrolle über die Biodiversität des Amazonasbeckens und der Ölreserven dieser Region gestattet. Schon im Rahmen des Plan Colombia wurden seitens der USA 71 Prozent von 141 Milliarden US-Dollar seit dem Jahre 2000 in die militärische Aufrüstung Kolumbiens gesteckt. Insgesamt werden mit diesen Mitteln 420.000 Mann in Kolumbien unter Waffen gehalten 18.

Drohende Gefahren für Lateinamerika

a. In einer Einschätzung der Lateinamerikanischen Gesellschaft für Poltische Ökonomie und Kritisches Denken (Sociedad Latinoamericana de Economía Política y Pensamiento Crítico - SEPLA)19 heißt es, dass Trump die Offensive gegen die Länder der Peripherie und die Werktätigen verstärken wird. Die gesellschaftliche Spaltung zwischen arm und reich wird sich vertiefen, was durchaus destabilisierende Wirkung für das kapitalistische System haben kann.

b. Trump ist der neuen Rechten sehr willkommen und wird durch seine nationalistische und rassistische Politik ein direkter Partner sein. Das Wiederaufkommen einer neuen Rechten in Lateinamerika richtet sich gegen Transformationsprozesse, die von linksgerichteten Regierungen und Bewegungen angestrebt wurden. Ein Beispiel dafür war der kürzlich in Ecuador ausgetragene Wahlkampf, in dem die Rechte mit allen Mitteln versuchte, den Sieg des Kandidaten der Partei Alianza País, Lenín Moreno, zu verhindern. Die Wahl in Ecuador verlief in einer besonderen neuen Situation, in einer sich veränderten Welt, in der das Multipolare durch ein Zurück zur Bipolarität von den USA angestrebt wird. Der Sieg Morenos, des Nachfolgers des bisherigen Präsidenten Rafael Correa, ist ein positives Signal für die progressiven Kräfte des Kontinents.

Schon von der Obama-Administration unterstützt, wurde noch im Jahr 2016 im US-Kongress der sogenannten Nika-Act beschlossen, der sich gegen die Regierung Daniel Ortegas in Nicaragua richtet. Danach wollen die USA in internationalen Finanzgremien keinen Finanzkrediten für Nicaragua zustimmen. Nun fordern Abgeordnete des US-Kongresses eine Verschärfung dieses Gesetzes. Die neue Version fordert von der Ortega-Regierung "substantielle Schritte für die Erneuerung der Demokratie, Kampf gegen Korruption, die Einhaltung der Menschenrechte und die freie Zulassung politischer Parteien der Opposition", womit es möglich ist, sich unmittelbar in die inneren Angelegenheiten Nicaraguas einzumischen20.

c. Mit den neokonservativen und neoliberalen Kräften werden Gewalt und Unterdrückung zunehmen. Der Kapitalismus wird in seiner vom US-Kapital abhängigen Form neue Mittel der Ausbeutung und Unterdrückung der Menschen suchen. Die Trump-Administration wird sehr aggressiv vorgehen, wie allein das Beispiel Mexiko schon zeigt, was aber auch auf die gesamte Region ausgedehnt werden kann21.

d. Mit der Erneuerung der Vorherrschaft der USA in Lateinamerika erhält das Problem der Ausschaltung möglicher regionaler Konkurrenten eine neue Ausrichtung, um starke, lästige Konkurrenten brasilianischer Herkunft zu eliminieren. Durch die Aufdeckung großer Korruptionsfälle im Zusammenhang mit dem halbstaatlichen Erdölunternehmen Petrobras in Brasilien gelang es der US-Justiz unter aktiver Beihilfe brasilianischer Staatsanwälte, dieses Unternehmen in bedeutende wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen. Das kommt einer Offensive einer starken kapitalistischen Struktur gegen eine andere in diesem Sinne weniger starken gleich22.

e. In erstaunlicher Art und Weise haben sich nationale Eliten diskreditiert, was auch linke Kräfte und Bewegungen betrifft. Besonders für diese Kräfte stellt das eine herbe Niederlage dar und es wird viel Zeit beanspruchen, um diese Rückschläge zu überwinden. An deren Stelle könnten Kräfte treten, die ihren negativen Einfluss auf die lateinamerikanischen Gesellschaften ausweiten (u.a. die Evankelikalen). Nicht auszuschließen ist auch eine Zunahme sozialer und gesellschaftlicher Unzufriedenheit, die sich in neuen Formen politischen Protestes äußern kann.

China in Lateinamerika

Bekannt ist, dass China eine bedeutende ökonomische Ausweitung seiner Aktivitäten erreichte. Besonders die linksgerichteten Regierungen profitierten von dieser Entwicklung23.

Mit dieser Entwicklung ist China zu einem ernsten Konkurrenten der USA herangewachsen. Nach dem Amtsantritt Trumps stellt sich die Frage, ob sich der Einfluss Chinas als Gegenmacht zu den USA verstärken und wie die neue US-Administration darauf reagieren wird. Wie Admiral Tidd unterstrich, ist für die US-Administration die Präsenz Russlands und Chinas beunruhigend.

Ausgehend von den Positionen, die China in Lateinamerika geschaffen hat, ist zu vermuten, dass Präsident Trump, wenn er seine Aussagen während des Wahlkampfes wahrmacht, eine Offensive gegen die Präsenz Chinas in Lateinamerika einleiten wird. Wie sich das Treffen zwischen Trump und Xi Jiping am April 2017 auswirken wird, ist nicht bekannt. Die Frage wird sein, wer sich auf den Märkten Lateinamerikas durchsetzen kann. Nach Trumps Vorankündigungen wird es darum gehen, dass die USA verlorenes wirtschaftliches Terrain wiedergewinnen wollen.

Verschärft sich die Politik Trumps in Bezug auf China, könnte für eine Reihe Länder erheblicher Druck entstehen, weniger mit China zu handeln und den USA mehr Vorteile zu bieten. Nicht nur Brasilien sondern zahlreiche Länder Lateinamerikas befinden sich in einer Phase der Ungewissheit: Sind sie in der Lage, eine pragmatische Politik der Weiterführung getroffener Vereinbarungen mit China aufrecht zu erhalten oder müssen sie dem Druck der USA nachgeben und ihre Beziehungen zu China zurückfahren? Ein wesentlicher Teil unternehmerischer Sektoren hält eine Vertiefung der Beziehungen zur EU und zu asiatischen Ländern, besonders zu China, für erforderlich und auch eine Annäherung an das chinesische Projekt der Asien-Gemeinschaft sowie die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu den BRICS (Brasilien Russland, Indien, China, Südafrika) für sinnvoll. Wird, wie vorausgesagt wird, der Dollar ansteigen, bringt das China sichtliche Vorteile für seine Exporte.

Unter diesen Gesichtspunkten wird sich die Auseinandersetzung USA – China im Wesentlichen um die entscheidenden Positionen (Rohstoffe, wirtschaftlicher Einfluss) in Lateinamerika und im Pazifischen Raum drehen.

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