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Die sieben Vorschläge von Donald Trump, die seinen Wahlsieg erklären

Ignacio Ramonet zeigt auf, wie Trump US-Präsident werden konnte und warum die gesamte globale Architektur durcheinander gerät

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Trumps Stern auf dem Hollywood Walk of Fame in Los Angeles. Dort werden  Prominente geehrt, die eine wichtige Rolle vor allem in der Unterhaltungsindustrie spielen
Trumps Stern auf dem Hollywood Walk of Fame in Los Angeles. Dort werden Prominente geehrt, die eine wichtige Rolle vor allem in der Unterhaltungsindustrie spielen

Der Sieg von Donald Trump bedeutet – ebenso wie der des Brexits in Großbritannien und des Neins beim Plebiszit über den Friedensvertrag in Kolumbien- zuvorderst eine krachende Niederlage für die herrschenden großen Medien und die Meinungsforschungsinstitute. Aber er bedeutet auch, dass die gesamte globale Architektur, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges errichtet wurde, jetzt durcheinander gerät und einstürzt. Die Karten der Geopolitik werden neu gemischt, eine neue Runde beginnt. Wir treten in eine neue Ära ein, deren bestimmendes Merkmal das Unbekannte ist. Von jetzt an kann alles geschehen.

Wie hat Trump es geschafft, eine Tendenz umzukehren, die ihn als Verlierer sah, und sich in der Endphase der Wahlkampagne durchzusetzen? Diese untypische politische Persönlichkeit mit ihren grotesken Vorschlägen und sensationslüsternen Ideen hat bislang alle Prognosen auf den Kopf gestellt. Angesichts von Schwergewichten wie Jeb Bush, Marco Rubio oder Ted Cruz, die zudem auf die entschiedene Unterstützung des republikanischen Establishments zählten, haben nur sehr wenige geglaubt, dass er sich in den Vorwahlen der Republikanischen Partei durchsetzen würde und er hat dennoch seine Gegner pulverisiert, bis nur noch Asche von ihnen blieb.

Man muss verstehen, dass seit der Finanzkrise 2008 (aus der wir immer noch nicht entkommen sind) an keinem Ort mehr etwas so ist, wie es war. Die Bürger sind zutiefst enttäuscht. Die Demokratie selbst hat als Modell an Glaubwürdigkeit verloren. Die politischen Systeme sind bis an ihre Wurzeln erschüttert.

In Europa etwa haben sich die politischen Erdbeben bei Wahlen vervielfacht, unter anderem beim Brexit. Die großen traditionellen Parteien sind in der Krise. Und überall stellen wir den Aufstieg extrem rechter Formationen fest (in Frankreich, Österreich und in den nordischen Ländern) oder von Parteien, die sich gegen das System und die Korruption richten (Italien, Spanien). Die politische Landschaft scheint radikal verändert.

Dieses Phänomen hat die USA erreicht, ein Land, das bereits im Jahr 2010 eine verheerende populistische Welle erlebt hat, in Form der Tea Party. Der Einbruch des Multimillionärs Donald Trump in das Weiße Haus verlängert diese Welle und stellt eine Wahl-Revolution dar, die kein Analyst vorhergesagt hatte. Auch wenn dem Erscheinungsbild nach der alte Doppelkopf aus Demokraten und Republikanern fortbesteht, stellt der Sieg eines derart "andersgläubigen" Kandidaten wie Trump ein echtes Erdbeben dar. Sein direkter, hemdsärmliger Stil, seine reduktionistische, schwarz-weiße Botschaft, mit der er an die niederen Instinkte bestimmter Gesellschaftskreise appellierte, der sich sehr unterscheidet vom üblichen Ton der US-Politiker, hat ihm in den Augen der am meisten enttäuschten Gruppen der Wählerschaft der Rechten Authentizität verliehen.

Von vielen Wählern, die irritiert waren vom "politisch Korrekten" und die glaubten, man könne schon nicht mehr sagen, was man denkt ohne Gefahr zu laufen, als Rassist beschuldigt zu werden, wurde das "freie Wort" von Trump über die Latinos, die Einwanderer oder die Muslime als wahre Erleichterung aufgenommen.

In dieser Hinsicht hat es der republikanische Kandidat verstanden, das zu interpretieren, was wir die "Rebellion an der Basis" nennen könnten. Besser als jeder andere hat er den immer tieferen Bruch zwischen den politischen, ökonomischen, intellektuellen und medialen Eliten einerseits und der konservativen Wählerbasis andererseits wahrgenommen. Sein heftiger Anti-Washington- und Anti-Wall-Street-Diskurs begeisterte vor allem die weißen, wenig gebildeten und durch die Folgen der ökonomischen Globalisierung verarmten Wähler.

Man muss klar sagen, dass die Botschaft Trumps nicht der einer neofaschistischen europäischen Partei ähnelt. Er ist kein herkömmlicher Ultrarechter. Er selbst definiert sich als "Konservativer mit gesundem Volksempfinden" und er positioniert sich eher am rechten Rand der Republikaner.

Milliardär und Unternehmer, Star der TV-Welt, ist Trump weder ein Systemgegner noch ein Revolutionär. Er kritisiert nicht das politische Modell an sich, sondern die Politiker, die es ausgenutzt haben. Sein Diskurs ist emotional und spontan. Er appelliert an Instinkte, an das Herz, nicht an das Hirn oder die Vernunft. Er spricht für den Teil des US-amerikanischen Volkes, bei dem sich Unzufriedenheit und Enttäuschung breit gemacht haben. Er wendet sich an die Leute, die die alte Politik und diese ganze "Kaste" satt haben. Und er verspricht, Ehrlichkeit ins System zu bringen; Namen, Gesichter und Haltungen zu erneuern.

Die Medien haben einige seiner gehässigsten, abstrusesten oder bizarrsten Erklärungen groß verbreitet. Wir erinnern uns zum Beispiel an seine Beteuerung, die illegalen mexikanischen Migranten seien "Korrupte, Kriminelle und Vergewaltiger". Oder sein Projekt, die elf Millionen lateinamerikanischen illegalen Einwanderer auszuweisen, die er in Busse verfrachten, aus dem Land werfen und an Mexiko übergeben will. Oder sein von "Game of Thrones" inspirierter Vorschlag, eine 3.145 Kilometer lange Mauer quer durch Täler, Berge und Wüsten zu bauen, um die Zuwanderung von Lateinamerikanern zu unterbinden – und die Kosten in Höhe von 21 Milliarden US-Dollar auf die mexikanische Regierung abzuwälzen.

In diese Reihe gehört außerdem: Er kündigte an, die Einreise aller muslimischen Einwanderer zu verbieten und er attackierte vehement die Eltern des US-Soldaten muslimischen Glaubens, Humayun Khan, der im Irak 2004 im Gefecht fiel. Ebenso seine Bekräftigung, die traditionelle Ehe von Mann und Frau sei "die Grundlage einer freien Gesellschaft" und seine Kritik an der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, dass die gleichgeschlechtliche Ehe ein Verfassungsrecht ist. Trump unterstützt die sogenannten Gesetze über Religionsfreiheit, die von Konservativen in verschiedenen Bundesstaaten vorangetrieben werden, um LGTB-Personen die Dienste zu verweigern. Nicht zu vergessen auch seine Ausführungen über den "Betrug" des Klimawandels, der laut Trump ein Konzept ist, "das von den und für die Chinesen geschaffen wurde, damit US-Hersteller ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren."

Diese Liste entsetzlicher und abscheulicher Dummheiten wurde, ich wiederhole es, von den großen Medien nicht nur in den USA sondern auch im Rest der Welt massiv verbreitet. Und die große Frage, die viele Leute sich stellten, war: Wie ist es möglich, dass eine Person mit derart bedauerlichen Ideen eine so beachtliche Zuhörerschaft unter den US-amerikanischen Wählern erreicht, die, ganz offensichtlich, nicht alle den Verstand verloren haben können? Da hat was nicht zusammengepasst.

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir eine Bresche in die Mauer der Informationen schlagen, das vollständige Programm des republikanischen Kandidaten analysieren und die sieben grundsätzlichen Punkte aufdecken, die er verteidigt und die von den großen Medien verschwiegen werden.

1. Die Journalisten verzeihen ihm vor allem nicht, dass er die Medienmacht angreift. Sie werfen ihm vor, dass er die Öffentlichkeit ständig dazu animiert, die "unredlichen" Medien auszubuhen. Trump betonte mehrmals: "Ich bin nicht mit Hillary Clinton im Wettbewerb, sondern mit den korrupten Kommunikationsmedien." In einem Tweet aus der jüngsten Zeit schrieb er zum Beispiel: "Wenn die scheußlichen und korrupten Medien ehrlich über mich berichteten und meinen Worten keine falschen Deutungen gäben, würde ich mit 20 Prozent Vorsprung gegen Hillary gewinnen."

Weil er die mediale Berichterstattung für ungerecht oder tendenziös ansieht, zögerte der republikanische Kandidat nicht, die Presseakkreditierungen mehrerer wichtiger Medien bei seinen Wahlkampfveranstaltungen zurückzuziehen, darunter The Washington Post, Politico, Huffington Post und BuzzFeed. Und er erdreistete sich sogar, Fox News anzugreifen, das große Medienimperium der Rechten, obwohl es ihn zunächst als favorisierten Kandidaten unterstützt hatte.

2. Ein weiterer Grund, warum die großen Medien Trump mit Wut angegriffen haben, besteht darin, dass er die wirtschaftliche Globalisierung anprangerte, die nach seiner Überzeugung die Mittelschicht zerstört hat. Laut Trump lässt die globalisierte Ökonomie immer mehr Menschen im Stich und er erinnert daran, dass in den vergangenen 15 Jahren in den USA mehr als 60.000 Firmen schließen mussten und fast fünf Millionen gut bezahlte industrielle Arbeitsplätze verschwanden.

3. Er ist ein Verfechter des Protektionismus. Er schlägt vor, die Steuern auf alle Importprodukte zu erhöhen. "Wir werden die Kontrolle über das Land zurückerobern, wir werden die USA wieder zu einem großen Land machen", betonte er oft und nahm den Slogan seiner Kampagne damit auf.

Als Anhänger des Brexit hat Donald Trump klar gestellt, dass er, wenn er erst mal zum Präsidenten gewählt ist, versuchen wird, das Freihandelsabkommen Nafta aufzukündigen. Er wetterte auch gegen das Handelsabkommen Transpazifische Partnerschaft (TPP) und versicherte, die USA würden mit ihm als Präsident austreten: "TPP wäre ein Todesstoß für die verarbeitende Industrie der USA."

In Regionen wie dem "Rust Belt"1 im Nordosten des Landes, wo die Abwanderungen und Schließungen von Fertigungsfabriken hohe Arbeitslosigkeit und Armut hinterlassen haben, hat diese Botschaft von Trump deutlich gewirkt.

4. Das betrifft auch seine Ablehnung neoliberaler Kürzungen im Sozialbereich. Viele republikanische Wähler, die Opfer der Finanzkrise von 2008 oder über 65 Jahre alt sind, müssen auf die Sozialhilfe (Social Security) und Krankenkasse (Medicare) zurückgreifen, die Präsident Barack Obama aufgebaut hat und die andere republikanische Anführer wieder rückgängig machen wollen. Trump hat versprochen, diese sozialen Errungenschaften nicht anzurühren. Und er versprach, die Preise für Medikamente zu senken, bei der Lösung der Probleme der Obdachlosen zu helfen, die Regelungen für die kleinen Steuerzahler zu reformieren und die Bundessteuer zu senken, die 73 Millionen ärmere Haushalte betrifft.

5. Gegen die Arroganz der Wall Street schlägt Trump eine signifikante Steuererhöhung für die Hedgefonds vor, die große Vermögen machen. Und er unterstützt die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Gesetzes, das im Jahr 1933 inmitten der Depression erlassen wurde und die traditionelle Bank von der Investitionsbank trennt, um zu verhindern, dass erstere Hochrisikoinvestitionen tätigen kann. Es liegt auf der Hand, dass der gesamte Finanzsektor absolut dagegen ist.

6. In der internationalen Politik möchte Trump eine Allianz mit Russland schaffen, um die Organisation Islamischer Staat (Isis) effektiv zu bekämpfen. Auch wenn Washington dafür die Annexion der Krim durch Moskau anerkennen müsste.

7. Trump ist der Auffassung, dass die USA mit ihrer enormen Staatsverschuldung nicht mehr über die notwendigen Mittel verfügen, um eine wahllose interventionistische Außenpolitik zu betreiben. Sie können den Frieden nicht mehr um jeden Preis aufzwingen. Im Widerspruch zu mehreren Häuptlingen seiner Partei und als logische Konsequenz aus dem Ende des Kalten Krieges, will er die Nato ändern: "Es wird keine automatische Schutzgarantie der USA für die Nato-Länder mehr geben."

Alle diese Vorschläge machen die inakzeptablen, gehässigen und zum Teil ekelhaften Stellungnahmen des republikanischen Kandidaten nicht ungeschehen, die von den großen Medien mit viel Aufsehen verbreitet wurden. Aber sie erklären doch besser, warum er Erfolg hat.

Im Jahr 1980 hat der unvorhergesehene Sieg von Ronald Reagan bei der Präsidentschaftswahl dazu geführt, dass die Welt in einen Zyklus des Neoliberalismus und der Globalisierung des Finanzsektors eintrat. Der Sieg von Donald Trump könnte dazu führen, dass wir nun in einen neuen geopolitischen Zyklus eintreten, dessen gefährliches ideologisches Merkmal – das wir überall aufsteigen sehen, und vor allem in Frankreich mit Marine Le Pen – der "indentitäre Autoritarismus" ist. Eine Welt stürzt ein, sie taumelt schon ...

  • 1. Der Rust Belt (Rostgürtel), früher Manufacturing Belt, ist die älteste und größte Industrieregion der USA. Er erstreckt sich im Nordosten der USA entlang der Großen Seen von Chicago über Detroit, Cleveland, Cincinnati und Pittsburgh bis an die Ostküste zu den Ausläufern der Metropolregionen Boston, Washington, D.C. und New York City. Damit umfasst er Teile der Staaten Illinois, Indiana, Michigan, Ohio, Pennsylvania, New York und New Jersey, teilweise wird auch noch West Virginia hinzugezählt, das ein Zentrum des Kohlebergbaus war.
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