Guatemala / Politik

Krise in Guatemala: 20 Bandenmitglieder fliehen aus Hochsicherheitstrakt

Innenminister und zwei Stellvertreter kündigen Rücktritt an. Ausbrüche erfolgten möglicherweise über Wochen. Arévalo verspricht neues Hochsicherheitsgefängnis. Pakt der Korrupten könnte profitieren

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Steckbrieflich werden die 20 ausgebrochenen Bandenmitglieder in Guatemala gesucht
Steckbrieflich werden die 20 ausgebrochenen Bandenmitglieder in Guatemala gesucht

Guatemala-Stadt. In Guatemala bemüht sich die Regierung, die Situation nach dem Ausbruch von 20 Mitgliedern der Bande Barrio 18 zu kontrollieren. Nachdem Innenminister Francisco Jiménez am Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt und Präsident Bernardo Arévalo diesen auch akzeptiert hatte, hieß es am Donnerstag, Jiménez bliebe im Amt bis ein Nachfolger gefunden ist. Ebenfalls ihren Rücktritt angekündigt haben die stellvertretende Ministerin für Drogenbekämpfung, Claudia Palencia, und der stellvertretende Sicherheitsminister, José Portillo.

Die Flucht der 20 mutmaßlichen Bandenmitglieder, von denen mindestens zwei dem engsten Führungskreis der kriminellen Vereinigung angehören sollen, war am Sonntagmorgen bekannt geworden. Bei einer bereits am Freitagabend begonnenen biometrischen Kontrolle auf der Suche nach einem Gefangenen wurde das Fehlen der 20 Bandenmitglieder am Sonntagmorgen festgestellt, hieß es in den Medien.

Die Flucht soll sich über einen längeren Zeitrahmen ereignet haben. Die Gefangenen seien nach Informationen aus Sicherheitskreisen nicht zusammen, sondern "einzeln oder zu zweit" aus dem Gefängnis geflohen. Der genaue Ablauf der Flucht ist weiterhin unklar, nach Informationen von Prensa Comunitaria könnte den Gefangenen bereits zwischen dem 15. und dem 25. August die Flucht geglückt sein, und zwar in Polizeiuniformen. 

Die 20 Gefangenen waren unter anderem wegen Mordes, Vergewaltigung, Erpressung und Menschenhandel verurteilt worden. Guatemala verstärkte die Grenzkontrollen, besonders nach Mexiko, und sucht die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und dem US-amerikanischen FBI, hieß es in den Medien. Auch wurde eine Belohnung von 20.000 US-Dollar pro Kopf für Hinweise in Aussicht gestellt, die zur Ergreifung der Kriminellen führen. Am Montag meldeten Sicherheitskräfte eine erfolgreiche Festnahme. Es soll sich um das 40-jährige Bandenmitglied Byron Fajardo Revolorio, alias Black Demon, handeln, der seit 2004 in Haft saß und zu 180 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Arévalo sagte in einer Stellungnahme, in zwölf Monaten sei der Bau eines neuen Hochsicherheitsgefängnisses abgeschlossen. Dieses würde Platz für 2.000 Gefangene bieten und mit "höchsten Sicherheitsstandards" ausgestattet sein. Über modernste Biometrik könnte die Identität der Gefangenen einwandfrei festgestellt werden, erstmals in der "Geschichte Guatemalas werden die Sicherheitskräfte, und nicht die Banden, die Gefängnisse kontrollieren". Allgemein wird in Guatemala davon ausgegangen, dass aus den Gefängnissen heraus Erpressungen und weitere kriminelle Taten von inhaftierten Bandenchefs dirigiert werden.

Arévalo hatte solchen Praktiken den Kampf angesagt, im vergangenen Jahr hatten bereits mehrere Razzien stattgefunden. In diesem Zusammenhang begrüßte Arévalo die am 23. September erfolgte Benennung der Barrio 18 als "ausländische terroristische Vereinigung" durch die US-Regierung. Damals hieß es in einer Regierungserklärung: "Diese Ankündigung kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt für Guatemala, an dem Innenminister Francisco Jiménez eine Nulltoleranzpolitik gegenüber Banden verfolgt. Während seiner Amtszeit wurden Polizeieinsätze, die Festnahme von Bandenführern und die regionale Koordinierung intensiviert."

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Der Politiker Roberto Arzú gab zahlreiche Interviews und kritisierte Arévalo scharf
Der Politiker Roberto Arzú gab zahlreiche Interviews und kritisierte Arévalo scharf

Der Politiker Roberto Arzú hält die angekündigten Maßnahmen nicht für ausreichend und gab in den vergangenen Tagen zahlreiche Interviews. Die Lösung ist eine "Militarisierung der Gefängnisse, Gefängnisse müssen wie in El Salvador zur Hölle werden, die Gefangenen dürften nur die Wahl haben aufzugeben oder zu sterben", sagte er in einem Video. Im gleichen Video wandte er sich direkt an Arévalo und warnte den Staatschef davor, "Verhandlungen mit dem Pakt der Korrupten einzugehen".

Arzú wird zum rechten politischen Spektrum gezählt, steht aber auch zum Pakt der Korrupten in Opposition und wurde bei den Wahlen 2023 neben anderen Kandidaten ausgeschlossen. Dieser Pakt der Korrupten, dem neben Politikern auch Unternehmer und Teile der organisierten Kriminalität angehören sollen, gehört zu den schärfsten innenpolitischen Gegnern des sozialdemokratisch orientierten Arévalo. Zentrale Person des "Paktes" ist die Generalstaatsanwältin Consuelo Porras.

In diesen Tagen wird in Guatemala darüber spekuliert, dass gerade Porras von den Ausbrüchen profitieren könnte. Die ehemalige Generalgefängnisdirektorin Margarita Castillo sagte in einem Interview, im Strafvollzug seien "deutliche Schwächen im Handeln der Generalstaatsanwaltschaft festgestellt worden".

Barrio 18 gehört neben der verfeindeten Bande Mara Salvatrucha 13 zu den großen kriminellen Organisationen in Guatemala. Sie treten vor allem im Großraum der Hauptstadt mit Erpressungen kleiner Gewerbetreibender und Busfahrer in Erscheinung. Allein durch Erpressungen von Busfahrern sollen jährlich bis zu 600 Millionen US-Dollar "Schutzgeld" erpresst werden. 2024 wurden 97 Busfahrer in diesem Zusammenhang ermordet, 500 gaben ihre Arbeit aus Sicherheitsgründen auf.