Bretaña, Loreto. Eine spektakuläre Blockade von Öltankern auf dem Amazonas-Zufluss Rio Ucayali in Peru hat zu einer Einigung über einen Entwicklungsfonds für das Gebiet der indigenen Bevölkerungsgruppe der Kukama geführt.
Am 9. Juni umzingelten Indigene mit ihren Kanus zwei Schiffe des größten Ölproduzenten des Landes, dem kanadischen Unternehmen PetroTal, und enterten sie. Die Aktivist:innen prangern zum wiederholten Mal die katastrophalen Folgen für die Umwelt und die fortwährende Verletzung der Rechte der indigenen Bevölkerung durch den Öltransport und den Konzern an.
Einen Tag später wurde die Festsetzung beider Öltanker, die mindestens 40.000 Barrel Rohöl geladen hatten, und ihrer 14 Besatzungsmitglieder wieder aufgehoben. Weder seien die Lastkähne beschädigt worden, noch gab es Verletzte unter der Besatzung. Am folgenden Montag seien alle Aktivitäten von PetroTal in dem Gebiet wieder wie gewohnt aufgenommen worden, so das Unternehmen.
Die indigenen Proteste dauerten bereits seit Mai an. Bislang berichtete die Presse des Landes nur über "Gewalt der indigenen Gemeinden", ohne ihre Anliegen und Forderungen zu erwähnen. In einem Fernsehinterview erklärte José Luis Medina, der Nachhaltigkeitsmanager von PetroTal: "Im Moment haben wir zwei Lastkähne, einer unter brasilianischer Flagge und mit brasilianischer Besatzung, der andere ist peruanisch. Beide werden festgehalten, was auf eine Entführung hindeutet". Besonders besorgniserregend sei, "dass einer der Lastkähne 40.000 Barrel Rohöl geladen hat. Die Umweltauswirkungen der Aktion könnten wegen der Ladung der Schiffe in diesem Gebiet sehr riskant und gefährlich sein". Über die Gründe der Aktion sagte der Manager nichts.
Das indigene Volk der Kukama in Puinahua hatte vor den Umweltauswirkungen der Aktivitäten von PetroTal immer wieder gewarnt. Die behördliche Genehmigung, dass der Ölkonzern einen Entwicklungsfonds für den Bezirk verwalten soll, brachte das Fass zum überlaufen. Der Fonds erhebt 2,5 Prozent der Produktion als Lizenzgebühren für die Entwicklung des indigenen Gebiets und sollte eigentlich durch die dort lebenden Gemeinden oder zumindest durch Unabhängige verwaltet werden.
Die Indigene Vereinigung für die Entwicklung und den Schutz von Bajo Puinahua (Aidecobap) prangert an: "Es muss klar sein, dass die PetroTal verpflichtet ist, uns 2,5 Prozent der Produktion zu zahlen, es handelt sich weder um einen freiwilligen Beitrag, noch um ein Geschenk oder ein Almosen, sondern um ein von den indigenen Völkern erkämpftes Recht. Wir akzeptieren nicht, dass die Erdölgesellschaft PetroTal und das staatliche Unternehmen Perupetro Teil des Sozialfonds sind und diesen kontrollieren. Diejenigen, die sich der ökologischen und sozialen Auswirkungen schuldig gemacht haben, können und dürfen keine Entwicklungsfonds verwalten."
Die Freilassung der gekaperten Schiffe erfolgte nach einem Treffen zwischen den Anführern der indigenen Gruppe und den Behörden des Gebiets, in dem die Verwaltung des Entwicklungsfonds infrage steht. Aus der Hauptstadt traf eine hochrangige Kommission des Präsidiums des Ministerrats (PCM) vor Ort ein, um die Gründung des ersten Ausschusses für den Fonds bekannt zu geben. Dieser Ausschuss setzt sich zusammen aus Perupetro, der Regionalregierung und der Bezirksverwaltung, der Indigenenvereinigung von Bajo Puinahua, der Autonomiebehörde, dem Energie- und Bergbauministerium, dem Sekretariat für Sozialmanagement und Dialog des PCM, dem Büro des Ombudsmanns und je einer Person, die die 18 Gemeinden des Bezirks vertritt.
Alexandra Ames, Sekretärin für Sozialmanagement und Dialog der PCM, teilte mit, dass der Ausschuss neue Richtlinien für die Verwaltung der von PetroTal in der Region bereitgestellten Mittel ausarbeiten werde.
Die von den Konfliktparteien zu Protokoll gegebenen Vereinbarungen wurden der Bevölkerung, die sich am Ort der Verhandlungen versammelt hatte, erläutert. Dabei wurde bekräftigt, dass das Ziel sei, den Streit über die Verwaltung der Mittel des Sozialfonds beizulegen.
PetroTal ist bereits im Zusammenhang mit der gewaltsamen Unterdrückung indigener Aufstände in Loreto bekannt. Im August 2020 wurde ein indigener Protest niedergeschlagen, wobei drei Menschen aus der Gemeinde durch Schusswaffen getötet wurden (amerika21 berichtete). Damals forderte die Kukama-Gemeinde eine 24-Stunden-Stromversorgung, ein interkulturelles Landkrankenhaus und die Bereitstellung eines Wirtschaftsfonds aus zehn Prozent der Ölproduktion, um Projekte zur Ernährungssicherheit, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung durchzuführen.
Nicht nur im Amazonasgebiet ist die Umwelt durch Ölkonzerne gefährdet. Im Januar 2022 wurde vor der Küste im Norden von Lima die größte durch einen Ölauslauf herbeigeführte Umweltkatastrophe in der Geschichte Perus verursacht (amerika21 berichtete). Von der Raffinerie La Pampilla, einem Unternehmen der Firma Repsol, wurden 12.000 Barrel Rohöl ins Meer verschüttet. Die durch diese Katastrophe verursachte Verschmutzung führten zu irreparablen Schäden des Schutzgebietes und der biologischen Vielfalt.
Während Indigene um ihre Lebensgrundlagen bangen, erzielen Ölkonzerne Rekordgewinne. Repsol bilanzierte für 2022 einen Gewinnzuwachs von fast 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr.