Madrid. Deutschland, Italien und Spanien belegen die ersten drei Plätze in der Rangliste der Länder der Europäischen Union (EU) mit den höchsten Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit Lebensmittelimporten aus Lateinamerika.
Zu dieser Schlussfolgerung kommt der Bericht "25 Fragen und Antworten zum EU-Mercosur-Abkommen", der von der in Madrid ansässigen Beobachtungsstelle für multinationale Unternehmen in Lateinamerika (Omal) erstellt wurde. Er stützt sich auf verschiedene Studien und Analysen, um die ökologische, soziale und wirtschaftliche Tragweite des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und dem Mercosur – Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – zu ergründen.
Dem Bericht zufolge entstehen zwischen 26 und 33 Prozent der globalen CO2-Emissionen in Zusammenhang mit internationalen Handelsaktivitäten. Ein Teil dieser Emissionen ist auf den Handel von Rohstoffen und Dienstleistungen zurückzuführen, deren Produktion auf die Abholzung tropischer Wälder gründet.
Die Umweltschutzorganisation WWF hat berechnet, dass die EU für mindestens 16 Prozent der globalen Tropenwaldabholzung im Zusammenhang mit internationalem Handel verantwortlich ist.
Damit ist die EU der weltweit zweitgrößte "Importeur von Entwaldung" und den damit verbundenen Emissionen. Mit ihrem Konsum von Produkten, die auf dafür entwaldeten Tropenwaldflächen angebaut werden, habe die EU alleine im Jahr 2017 indirekt etwa 116 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht.
So gilt vor allem Soja, das in großen Monokulturen in Brasilien, Argentinien und Paraguay angebaut wird, als wichtigster Treiber der Treibhausgasemissionen und Abholzung. Die Einfuhr von Soja verursacht allein 47 Prozent der von der EU importierten Entwaldung.
Eine Studie der Europäischen Kommission (EU Trade in CO2 Emissions) von 2020 hat ergeben, dass im Jahr 2014 rund 1.296 Millionen Tonnen CO2 – mehr als ein Drittel des Gesamtvolumens – in Ländern außerhalb der EU emittiert wurden, allerdings durch den Konsum von Produkten und Dienstleistungen in EU-Ländern.
Ein Artikel in der Zeitschrift One Earth kommt zum Ergebnis, dass die Rohstoffexporte in die EU für die Abholzung von 120.000 Hektar Waldfläche pro Jahr in den Mercosur-Ländern verantwortlich sind. Neben dem Amazonasgebiet sind weitere wichtige Biome wie der Cerrado in Brasilien betroffen. Er ist das zweitgrößte Biom des Landes und ein Biodiversitäts-Hotspot, in dem sich Grundwasser- und Wassereinzugsgebiete befinden, die für ganz Lateinamerika von entscheidender Bedeutung sind.
Kritiker aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft befürchten, dass mit Inkrafttreten des Handelsabkommens die Entwaldung nochmal deutlich zunehmen wird.
So hat ein französisches Expertenteam der Toulouse School of Economics berechnet, dass allein in den ersten sechs Jahren nach Inkrafttreten etwa 700.000 Hektar Wald gerodet werden könnten, der größte Teil davon im Amazonasgebiet.
Auch das Amazonas-Institut für Mensch und Umwelt (Imazon) warnt davor, dass die verhandelten Klauseln des umstrittenen Abkommens den Entwaldungsdruck verstärken werden. Das renomierte Institut veröffentlichte im November 2020 eine Studie (amerika 21 berichtete), der zufolge die Entwaldung in den vier Mercosur-Staaten aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten je nach Szenario zwischen 122.000 und 260.000 Hektar betragen könnte.
Die Nichtregierungsorganisation Grain, die sich für die Erhaltung von Kleinbauern in Ländern des Globalen Südens einsetzt, schätzt, dass die Treibhausgasemissionen, die im Zusammenhang mit dem Handel von acht landwirtschaftlichen Rohstoffen stehen, um ein Drittel steigen werden.
Diese Zahlen sind angesichts der Corona-Pandemie von höchster Relevanz. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass 70 Prozent aller Epidemieausbrüche in direktem Zusammenhang mit der Zerstörung der Ökosysteme stehen.
Das Handelsabkommen sieht vor, 93 Prozent der Zölle für Mercosur-Produkte in die EU abzuschaffen. Davon würde vor allem die südamerikanische Agrarindustrie und die europäische verarbeitende Industrie profitieren. Es muss allerdings noch vom Europäischen Rat unterzeichnet, vom Europäischen Parlament gebilligt und anschließend von den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.