Brasília. Der Facebook-Konzern hat die jüngste Rede des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro (parteilos) gelöscht. Wegen der Verbreitung falscher Behauptungen über Corona und Aids nahmen Facebook und Instagram in der Nacht zum Montag das Video von Bolsonaros wöchentlicher Live-Übertragung von ihren Kanälen.
Darin hatte Bolsonaro erklärt, dass "die Corona-Geimpften die Immunschwächekrankheit (Aids) herausbilden". Dabei berief er sich auf Nachrichten über "Untersuchungen", die er im Internet gefunden habe. Dem US-Konzern war das zu viel. Laut einem Unternehmenssprecher verstoßen die Aussagen des brasilianischen Staatsoberhauptes gegen die Corona-Richtlinien von Facebook, die Falschinformationen über Virus und Pandemie verbieten. "Unsere Unternehmenspolitik erlaubt keine Behauptungen, dass die Covid-19-Impfungen töten oder schwerwiegende Schäden an Personen verursachen können".
Fachmediziner:innen bezeichneten die Verbindung zwischen der Corona-Immunisierung und der Übertragung des HIV oder der Herausbildung von Aids als "falsch", "inexistent" oder "absurd". Der Infektiologe Jamal Suleiman vom Institut für Infektiologie Emilio Ribas in São Paulo bekräftigte, dass die Corona-Impfungen in ihrer Zusammensetzung nicht ansatzweise etwas mit der des HIV-Virus zu tun hätten. Die US-Epidemiologin Denise Garrett bezeichnete Bolsonaros Äußerungen als “absurd und unwissenschaftlich”. Was er behaupte sei "schlicht unmöglich".
Der Kolumnist und Bolsonaro-Kritiker Leonardo Sakamoto meinte, die Wissenschaftler:innen hätten wiederholt aufgezeigt, dass der Präsident seine Politik auf Lügen und Diffamierungen bestimmter Bevölkerungsgruppen aufbaue.
Die Löschung vom Sonntag ist das erste Mal, dass Facebook die allwöchentliche Rede des Präsidenten von ihren Kanälen nimmt. Trotz einer großen Anzahl falscher Behauptungen oder Diffamierungen seitens Bolsonaro in der Vergangenheit hatte der Social-Media-Gigant bisher nur einen seiner Posts aus dem Netz genommen, in dem er das zur Corona-Bekämpfung bewiesenermaßen unwirksame Malaria-Medikament Chloroquin empfahl und die Bevölkerung zur Missachtung der Hygieneregeln aufforderte.
Erst vergangene Woche empfahl eine Untersuchungskommission des brasilianischen Senats ein gerichtliches Vorgehen gegen den Staatschef wegen dessen Corona-Politik. Der Untersuchungsbericht zu den Verfehlungen des Präsidenten und seiner Regierung im Corona-Krisenmanagement führt mindestens zehn mögliche Anklagepunkte auf, darunter Verbrechen gegen die Menschheit.
Anfang Oktober waren zum wiederholten Male in mehr als 90 Städten des Landes Zehntausende Demonstrant:innen für eine Amtsenthebung des Präsidenten auf die Straße gegangen. Die von sozialen Bewegungen und Gewerkschaften organisierten Proteste werfen ihm Versagen in der Corona-Krise und Korruption im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung vor.