Regierung in Venezuela setzt auf Sonderwirtschaftszonen

Neues Gesetz soll Privatinvestititionen anziehen und gegen US-Sanktionen wirken. Kritiker befürchten Aufhebung von Rechtsvorschriften und Schaffung von Steuerparadiesen für Investoren

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Verteidigt die ZEE: Präsident Maduro bei der Sitzung der Kommission für Wirtschaft, Finanzen und Entwicklung des Parlaments
Verteidigt die ZEE: Präsident Maduro bei der Sitzung der Kommission für Wirtschaft, Finanzen und Entwicklung des Parlaments

Caracas. Das Gesetz mit Verfassungsrang über Sonderwirtschaftszonen (Ley Orgánica de Zonas Económicas Especiales) in Venezuela soll die nationale Produktion mit nationalen und ausländischen Investitionen ankurbeln. Dies erklärte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bei einer öffentlichen Sitzung der Kommission für Wirtschaft, Finanzen und Entwicklung des Parlaments am Mittwoch.

Neue ausländische Einkommensquellen jenseits der Abhängigkeit vom Erdölexport sollten geschaffen werden. "Dieses Gesetz ist dazu da, Investitionsmöglichkeiten für die Entwicklung des Landes zu organisieren und zu öffnen. Es ist wichtig für unsere Suche nach neuen Wegen", betonte er.

Das Parlament hat am 27. April die ersten Gesetzesentwürfe gebilligt, über den endgültigen Text soll im Juli abgestimmt werden.

Sonderwirtschaftszonen (ZEE) seien ein erfolgreiches Modell, das in einigen der am schnellsten wachsenden Ökonomien der Welt angewandt werde, wie etwa in China, Vietnam, Singapore und Südkorea.

"Diese Regelung ist die Tochter des Anti-Blockade-Gesetzes, denn sie bündelt alle unsere Anstrengungen, die produktivsten Bereiche des Landes neu zu organisieren", sagte der Präsident bei der live im Fernsehen übertragenen Sitzung. Er erinnerte daran, dass es bereits acht Sonderwirtschaftszonen im Land gebe, die sich jedoch kaum entwickelten und hart von den US-Finanz- und Handelssanktionen getroffen worden seien. Die ZEE in Paraguaná im Teilstaat Falcón soll mit dem neuen Gesetz aufgestockt werden. Weitere sind im Bundesstaat La Guaira, auf der Insel Margarita und in der Stadt Puerto Cabello vorgesehen.

"Ich schlage vor, dass wir sehr genau darüber nachdenken, wie wir diese Bereiche entwickeln können, um Wohlstand, Technologie, eine Alternative zum Öl und ein neues Wirtschaftsmodell zu schaffen, das an ein Venezuela nach der Blockade und den Sanktionen angepasst ist", sagte der Präsident.

Der Vorsitzende der Parlamentskommission, Jesús Farías, betonte, dass diese Zonen unter staatlicher Kontrolle bleiben: "Es geht dabei nicht um freie Märkte oder die Anwendung neoliberaler Maßnahmen. Der Staat wird immer sehr wachsam und aufsichtsführend sein."

Die anstehende Gesetzgebung hat landesweit Debatten ausgelöst. Der angesehen Historiker und Schriftsteller Luis Britto García warnt vor der Ausbreitung von "Sweatshops", der Aufhebung von Rechtsvorschriften und der Schaffung von Steuerparadiesen für Investoren zum Nachteil des Fiskus und der Rechte der Arbeiter.

Der Vizeminister für die Entwicklung von Sonderwirtschaftszonen, Juan Arias, widersprach Britto. Das Gesetz ziele darauf ab, mit Steueranreizen Kapital in Entwicklungsgebiete zu bringen. Er bestritt, dass es zu Steueroasen oder zur Lockerung der nationalen Gesetzgebung innerhalb dieser Zonen kommen würde.

Venezuela steckt seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise, die durch den weltweiten Ölpreisverfall 2014 ausgelöst wurde. Verschärft wurde die Krise durch US-Finanzsanktionen gegen die staatliche Erdölgesellschaft PDVSA, ein Ölembargo im Jahr 2019 und eine Reihe weiterer Restriktionen, die den Zugang des Landes zu internationalen Märkten abschnitten und seine Rohölproduktion dezimierten.

Um die US-Sanktionen zu umgehen, hat die Regierung zunehmend günstigere Bedingungen für private Investitionen durch Deregulierung, Steuererleichterungen und andere Anreize geschaffen.

Einer der Hauptbereiche ist dabei die Erdölindustrie. Neue Gesetzesvorhaben könnten die Politik des früheren Präsidenten Hugo Chávez umkehren, die dem Staat die zentrale Rolle in diesem Sektor übertrug.

Laut einem Dokument, das von Medien eingesehen wurde, soll PDVSA Vereinbarungen mit etwa 20 Unternehmen unterzeichnet haben, um die Rohölförderung zu erhöhen. Die unbestätigten Deals sind im Rahmen des im Oktober 2020 verabschiedeten Anti-Blockade-Gesetzes (amerika21 berichtete) durch Vertraulichkeit geschützt.

Den Medienberichten zufolge wählte PDVSA die "Abnahme"-Modalität, bei der der Staat "alles erhält, was mit Lizenzgebühren, Steuern und Sonderbeiträgen zu tun hat", während der Investor einen Anteil an der Rohölproduktion zur Vermarktung bekommt.

Im wichtigsten Exportsektor Venezuelas ist die Produktion in den vergangenen Jahren aufgrund von Missmanagement, Abwanderung von Fachkräften, Korruption und vor allem wegen der US-Sanktionen rapide gesunken. Die Produktion fiel Ende 2020 auf einen historischen Tiefstand und erholte sich Anfang 2021 leicht. Caracas will bis Ende des Jahres 1,5 Millionen Barrel pro Tag produzieren, im April betrug die gemeldete Menge 445.000 Barrel.