Chile: Colonia Dignidad-Unterstützer zum neuen Innenminister ernannt

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Víctor Pérez Varela bei einem seiner ersten öffentlichen Auftritte nach seiner umstrittenen Ernennung zum Innenminister Chiles
Víctor Pérez Varela bei einem seiner ersten öffentlichen Auftritte nach seiner umstrittenen Ernennung zum Innenminister Chiles

Santiago de Chile. Chiles Präsident Sebastían Piñera hat umstrittene Wechsel in seinem Kabinett bekanntgegeben, darunter die Ernennung von Víctor Pérez Varela zum neuen Innenminister. Dessen Vergangenheit ist eng mit der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad verknüpft.

Seit dem Ausbruch der sozialen Proteste im letzten Oktober wurden schon zahllose Minister entlassen oder erklärten ihren Rücktritt, doch der jetzige Wechsel ist für die Opposition auch eine klare Kampfansage an die Kampagne für eine neue Verfassung, über die Ende Oktober abgestimmt werden soll.

Die Ernennung von Andrés Allamand zum neuen Außenminister, von Jaime Bellolio für den Posten des Regierungssprechers und von Pérez Varela zum neuen Innenminister wird von der Rechten als Weg aus der politischen Krise gesehen. Die kommunistische Abgeordnete Karol Cariola sieht in der Ernennung dreier Personen aus dem Block gegen eine neue Verfassung indes einen Rechtsruck in der Regierung und Stoff für weitere politische Konfrontation. Der Frente Amplio (Breite Front) geht sogar so weit, dass von einem "Kabinett der Ablehnung einer neuen Verfassung" gesprochen wird.

Den größten Aufschrei erzeugte freilich die Personalie des neuen Innenministers. Varela ist strikt gegen jegliche Abstimmung über eine neue Verfassung, er war im Senat einer der Kämpfer gegen die vorzeitige Auszahlung von zehn Prozent des privaten Rentenfonds und ist Mitglied der Pinochet-nahen Partei Unión Demócrata Independiente (UDI) und somit für weite Teile der chilenischen Gesellschaft kaum tragbar.

Aufmerksamkeit erlangte vor allem die Erklärung des Opferverbandes der Militärdiktatur aus der Maule-Region, aus der Pérez Varela stammt. Sie kritisieren ihn für seine Rolle als vom Diktator Augusto Pinochet ernannten Bürgermeister von Los Ángeles im Süden Chiles, während dort unzählige Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Das bestätigten auch die Berichte über die Verbrechen der Diktatur und mehrere Gerichtsurteile.

Seine Amtszeit als Bürgermeister war geprägt durch die politische und geographische Nähe zur Sekte und Folterzentrum Colonia Dignidad. Los Ángeles war damals durch finanzielle Unterstützerkreise und informelle Hilfestellung von Geheimdienstagenten eines der wichtigsten Zentren der Förderung der Colonia. An der Spitze dieses System stand der Unternehmer José Miguel Steigmaier, der in der ersten Regierung von Piñera Gouverneur wurde und vom neuen Minister öffentlich für seine Organisation von Colonia-Unterstützerkreisen in Schutz genommen wurde. Die politische Unterstützung der Colonia Dignidad und ihrer Förderer führte Pérez Varela auch in seiner Zeit als Parlamentarier weiter, indem er beispielsweise die Berichte über Menschenrechtsverletzungen als einer von wenigen Abgeordneten ablehnte und sie öffentlich als falsch zurückwies.

Unter anderem das Portal El Clinic veröffentlichte Fotos, auf denen Pérez Varela gemeinsam mit Paul Schäfer zu sehen ist, dem Gründer und früheren Anführer der Colonia Dignidad.

Der Opferverband ist sich der Verwicklung des ehemaligen Bürgermeisters und neuen Ministers in die Verbrechen der Colonia Dignidad während der Diktatur sicher und rief in der Erklärung vor allem die deutsche Öffentlichkeit auf, sich des Unrechts bewusst zu werden und dagegen vorzugehen.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Außenpolitikerin der Partei Die Linke im deutschen Bundestag, Heike Hänsel, erklärte am Wochenende gegenüber der chilenischen Zeitung El Siglo, die Ernennung von Pérez Varela sei "ein Rückschritt für die chilenische Demokratie". Sie werde das Thema im Parlament zur Sprache bringen, da es "Auswirkungen auf die deutsch-chilenischen Beziehungen" haben sollte.