Argentinien: Aktivistin Milagro Sala muss wieder ins Gefängnis

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Milagro Sala spricht in einem Video aus dem Hausarrest über das Verschwindenlassen von Santiago Maldonado
Milagro Sala spricht in einem Video aus dem Hausarrest über das Verschwindenlassen von Santiago Maldonado

San Salvador de Jujuy/Buenos Aires. Das Berufungsgericht in Jujuy hat Milagro Sala das Recht auf Hausarrest wieder entzogen. Die Begründung ist bislang noch nicht bekannt. Kritiker sehen darin ein Manöver, um Sala vor den Parlamentswahlen im Oktober zum Schweigen zu bringen.

Die Anführerin der Basisorganisation Tupac Amaru und Abgeordnete des Parlaments des südamerikanischen Wirtschaftsbündnisses Mercosur (Parlasur) war nach einer Intervention der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) in Hausarrest entlassen worden. Die CIDH hatte ihre Inhaftierung als willkürlich und die Haftbedingungen im Gefängnis Alto Comedero als gesundheitsgefährdend eingestuft. Die Regierung von Präsident Mauricio Macri hatte sich zunächst monatelang geweigert, der Aufforderung nachzukommen. Ende August verfügte der zuständige Untersuchungsrichter Pablo Pullén Llermanos jedoch ihre Verlegung in ein Haus, das der Organisation Tupac Amaru gehört. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein, der nun stattgegeben wurde.

Die Rechtsanwälte Salas betonen, dass die Begründung für die Maßnahme bislang nicht bekannt sei. Solange mögliche Rechtsmittel gegen das Urteil bestünden, dürfe es zu keiner Rückverlegung ins Gefängnis kommen.

Sala war am 31. August in ein nicht fertiggestelltes Gebäude verlegt worden, das zuvor mit einer Mauer umgeben und mit Überwachungskameras ausgestattet wurde. Davor wurde ein Sonderposten der Gendarmerie errichtet. Zudem wurde Sala verpflichtet, sich drei Mal täglich den Gendarmen zu zeigen. Im Gegensatz dazu könnten die verurteilten Täter der Militärdiktatur ihren gewährten Hausarrest in ihren Privatwohnungen ohne spezielle Sicherheitsvorkehrungen verbringen.

Die Aktivistin war im Januar 2016 nach einem Protestcamp gegen den damaligen Abgeordneten der Radikalen Partei und jetzigen Gouverneur der Provinz Jujuy, Gerardo Morales, verhaftet worden. Gleichzeitig bereitete die Justiz insgesamt neun weitere Verfahren gegen sie vor. Die Anschuldigungen reichen von Anstiftung zum Aufruhr, Körperverletzung bis hin zu Korruption und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Dezember 2016 wurde sie zu drei Jahren Haft auf Bewährung wegen Sachbeschädigung im Zuge des Protestcamps verurteilt. In den übrigen Verfahren gibt es bislang keine formelle Anklage. Sala befindet sich daher in Untersuchungshaft.

Der Journalist und Leiter des Zentrums für Rechtliche und Soziale Studien, Horacio Verbitsky, sieht die Ursache für das Vorgehen gegen Sala darin, dass es ihr gelungen sei, mit ihrer Organisation eine territoriale Gegenmacht gegen die politischen und ökonomischen Machthaber in der Provinz aufzubauen. "Sie stellt das Zweiparteiensystem in Frage, die Allmacht des Agrokonzerns Ledesma, des größten Unternehmens der Provinz, die Korruption der Bauunternehmen und sie unterstützt zudem den Kampf um Erinnerung, Wahrheit und Gerechtigkeit. Dies ermöglichte, dass Carlos Pedro Blaquier, der Besitzer von Ledesma und mächtigste Mann in Jujuy, wegen seiner Verstrickungen in die Verbrechen der Militärdiktatur angeklagt werden konnte." Seit 2008 erhielt die Kooperative mehrere staatliche Bauaufträge und stieg zum drittgrößten Arbeitgeber der Provinz auf. Sie schuf nicht nur bezahlte Arbeitsplätze, sondern setzte auch soziale Wohnungsprojekte für die Arbeiterfamilien um.

Ihren Hausarrest nutzte Sala für politische Botschaften und den Kontakt zu Journalisten. Sie prangerte die Repression gegen die protestierenden Arbeiter von Ledesma an und stellte öffentlich die Frage nach dem Verbleib des seit einem Gendarmerieeinsatz "verschwundenen" Santiago Maldonado.