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Julian Assange: Brasilien im Zentrum des Interesses von US-Geheimdiensten

Entwicklung der Wirtschaft Brasiliens und politische Absichten der Regierung von Präsidentin Rousseff ausspioniert. Erdölunternehmen Petrobras im Visier

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Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange im Interview zu Brasilien
Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange im Interview mit dem brasilianischen Journalisten und Schriftsteller Fernando Morais (Screenshot)

London. Der Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, hat sich in seinem Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London erneut über die Aktivitäten der US-Geheimdienste in Brasilien geäußert. In einem Interview mit dem brasilianischen Journalisten und Schriftsteller Fernando Morais sagte er unlängst, dass diese Dienste großes Interesse an dem südamerikanischen Land haben, da es das größte in Lateinamerika mit einer bedeutenden Wirtschaft ist und über erhebliche Erdölvorräte verfügt. Wie aus den Wikileaks-Enthüllungen aus den Jahren 2013 und 2015 hervorgeht, steht das halbstaatliche Erdölunternehmen Petrobras im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Hervorgerufen wird das US-Interesse besonders durch die in Brasilien entdeckten großen Ölvorkommen an seiner Atlantikküste, den sogenannten Pre-Salt.

Assange hob hervor, dass die National Security Agency (NSA), der größte Auslandsgeheimdienst der USA, Telefone abhört und dabei besonders die Petrobras ein Zielobjekt sei. Es gehe um das Sammeln von Daten. NSA und der zweite Auslandsgeheimdienst, die Central Intelligence Agency (CIA), agierten gemeinsam. Der Direktor des Geheimdienstes gebe Zielobjekte vor, die an entsprechende Stellen, die Spionagesatelliten bauen und nutzen, weitergegeben würden. Nach den von Wikileaks veröffentlichten Materialien waren auch Präsidentin Dilma Rousseff und Minister ihrer Regierung betroffen.

Die Telefonspionage diente dazu, Informationen über die Entwicklung der Wirtschaft Brasiliens und die politischen Absichten der Regierung Rousseff zu erhalten. Daneben gehe es auch um Informationen militärischen Charakters. Das Neue an der Art dieser Tätigkeit der NSA sei, die US-Regierung mit Informationen zu versorgen, die es ihr ermöglicht, sich auf die Richtung der Politik der brasilianischen Regierung einzustellen und zu reagieren, so Assange.

Die Geheimdienstaktivitäten erscheinen in einem gänzlich anderen Licht, nachdem es der neoliberalen Opposition in Brasilien gelungen ist, im August 2016 die gewählte Präsidentin ihres Amtes zu entheben. Ihr Nachfolger wurde, wie es die Verfassung Brasiliens vorsieht, der Vizepräsident Michel Temer. Über ihn heißt es in den von Wikileaks veröffentlichten US-Dokumenten, dass er Informant der USA ist, und strategische Informationen, vor allem die Absichten der brasilianischen Regierung zur Entwicklung der Erdölindustrie betreffend, übergeben hat. Im Interview schätzt Assange ein, dass Temer keinesfalls ein Spion sei, sondern diese Gespräche in der US-Botschaft führte, um politische Unterstützung für die geplante Amtsenthebung Rousseffs zu erhalten.

Nicht erst seit den Enthüllungen durch Wikileaks über die Aktivitäten der US-Geheimdienste in Brasilien wurde öffentlich, dass das größte Land Lateinamerikas nicht nur wegen seiner wirtschaftlichen und natürlichen Potenzen im Mittelpunkt des Interesses US-amerikanischer Politik und US-amerikanischer Geheimdienste steht.

Luiz Alberto Moniz Bandeira, brasilianischer Historiker, veröffentlichte 2013 ein Buch mit dem Titel "Der zweite Kalte Krieg – Geopolitik und die strategische Dimension der USA", in dem er Aktivitäten US-Geheimdienste in Brasilien und Lateinamerika beschrieb. Bandeira verwies darauf, dass 80 Prozent des Budgets des Auslandsgeheimdienstes CIA in geheime Operationen fließt. Nach seinen Angaben unterhält die CIA sowohl Unternehmen wie auch Reisegesellschaften. Darüber hinaus nutzen die Geheimdienste Nichtregierungsorganisationen ebenso wie die Entwicklungsagentur USAID oder das National Endowment for Democracy, um Journalisten zu bezahlen, Wissenschaftler zu finanzieren und Mitarbeiter auszubilden.

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