Merkel und Macri üben in Berlin den Schulterschluss

Kanzlerin ermutigt Staatschef zu neoliberaler Politik und spart sich Kritik. Erfolge "mittel- und langfristig" möglich. Protest vor Kanzleramt und CDU-Stiftung

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Merkel mit Argentiniens Präsident Mauricio Macri. Er will schnellstmöglich den Freihandelsvertrag zwischen Mercosur und EU abschließen
Merkel mit Argentiniens Präsident Mauricio Macri. Er will schnellstmöglich den Freihandelsvertrag zwischen Mercosur und EU abschließen

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den neoliberalen Kurs des argentinischen Präsidenten Mauricio Macri bei dessen Besuch in Berlin Mitte der Woche unterstützt. Unter dem konservativen Staatschef seien "wichtige Pflöcke eingeschlagen" worden, Macri sei die "Öffnung Argentiniens zur Welt" gelungen, sagte Merkel, nachdem sie mit dem Präsidenten im Kanzleramt zusammengekommen war. Sie folgte damit einer Sprachregelung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei dessen Besuch in Argentinien vor wenigen Wochen, als er in Bezug auf die Abwahl der vormaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner von der Rückkehr des Landes auf die internationale Ebene sprach.

Merkel erkannte an, dass die marktliberalen Maßnahmen in Argentinien einen "harten Einschnitt für Menschen" bedeuten könnten "die nicht so ein hohes Einkommen haben". Die CDU-Politikerin zeigte sich aber davon überzeugt, dass sich die Maßnahmen der Macri-Regierung mittel- und langfristig "natürlich auszahlen (...) insbesondere bei der Entstehung von Arbeitsplätzen und neuer Chancen für junge Menschen". Berlin zolle der Linie des neuen Präsidenten daher "Respekt", lobte Merkel.

Sowohl bei seinem Besuch im Bundeskanzleramt, als auch am späten Nachmittag vor der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung wurde Macri bereits von jeweils mehreren Dutzend Demonstranten erwartet. Über Soziale Netzwerke hatten Bürgerinitiativen zu dem Protest aufgerufen. Zu den mobilisierenden Gruppen gehörten die Argentinos para la Victoria – eine Gruppierung, die der ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández nahesteht – und das unabhängige Colectivo de Argentinos en Alemania. Unter dem Titel "Ohne Wissenschaft und Bildung gibt es keinen Fortschritt" wandten sich die Demonstranten in einem Aufruf vor allem gegen die Kürzungspolitik in dem südamerikanischen Land. "Wir weisen die generellen Bildungskürzungen ebenso zurück wie die Trockenlegung verschiedener kultureller und wissenschaftlicher Programme", hieß es in der Erklärung, die mehrere kulturpolitische Initiativen aufführt, die von der Macri-Regierung finanziell beschnitten oder komplett gestoppt wurden.

In Sprechchören wiesen die Demonstranten sowohl vor dem Kanzleramt als auch vor der Adenauer-Stiftung auf Macris Verstrickung in mutmaßliche Steuervermeidung hin, die über die Veröffentlichung der Panama Papers publik geworden war. Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Heike Hänsel, kritisierte, dass die Bundesregierung "durch ihre enge Kooperation mit Präsident Macri die neoliberale Kahlschlagpolitik nicht nur in Europa, sondern auch in Lateinamerika" vorantreibe.

In der rechtsgerichteten argentinischen Tageszeitung Clarín wurden die Demonstranten insgesamt als Anhänger der abgewählten Ex-Präsidentin Fernández bezeichnet. Die Behauptung, ein Reporter des Blattes sei von Demonstranten beschimpft worden, dementierten mehrere Teilnehmer gegenüber amerika21. Die Tageszeitung La Nación erwähnte die Proteste gegen Macri in drei verschiedenen europäischen Städten gar nicht.

Nach dem Treffen im Kanzleramt zeigte sich Merkel indes offen für Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Freihandelsverbund Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela). Die Beziehungen Deutschlands zu Südamerika würden sich auch nach dem angekündigten Austritt Großbritanniens aus der EU nicht verändern.

Nach Angaben der Bundesregierung sagte Merkel dem argentinischen Gast deutsche Unterstützung bei seinem Wirtschaftskurs zu: "Deutsche Unternehmen, die schon lange in Argentinien tätig sind, können unter anderem das Thema Berufsausbildung stärken". Die Bundesregierung werde Argentinien bei der Modernisierung der Infrastruktur, im Bereich der Landwirtschaft und beim Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen, so Merkel weiter.

Zugleich lud Merkel Macri zum G-20-Treffen im kommenden Jahr nach Deutschland ein. Argentiniens Präsident sagte dazu: "Wir müssen im Team arbeiten. Auch globale Bedrohungen wie der Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Terrorismus sind wichtige Bereiche."

Macri war vor dem Treffen mit Merkel am Vormittag von Bundespräsident Joachim Gauck empfangen worden. Auf dem Programm standen zudem Gespräche mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) und zahlreichen Unternehmervertretern.

In der Adenauer-Stiftung ging man dennoch kein Risiko ein. In der Fragerunde wurden vier Personen bestimmt, die auf reservierten Plätzen in der ersten Reihe Platz genommen hatten: Zwei Abgeordnete der Unionsfraktion, ein Journalist sowie ein Unternehmer aus Argentinien. Die Fragen waren nach Angaben beteiligter Journalisten banal. "Es ging um (Lionel) Messi, die EM, die WM und, recht unkritisch, um den Mercosur", so ein Anwesender gegenüber amerika21. Selbst der Vertreter der Süddeutschen Zeitung sei nicht zu Wort gekommen.

Unfreiwillig brisant war indes eine Einlassung des KAS-Vorsitzenden Hans-Gerd Pötterung zur politischen Aufbauarbeit in Argentinien. "Unser damaliger stellvertretender Vorsitzender, Anton Pfeifer, hatte bereits 2003 gesagt: 'Dieser Mann wird Argentiniens Präsident'", so Pöttering. Er sei stolz, dass die Stiftung "diesen Prozess von Anfang an begleiten" durfte, so der CDU-Politiker, um dann konkret zu werden: "Mit Ihrer Partei arbeiten wir bei der Förderung von jungen Politikerinnen und Politikern sowie bei Aufbau tragfähiger Parteistrukturen zusammen. (...) Wir freuen uns auf eine reiche Ernte".

Zum Abschied schenkte der KAS-Vorsitzende Pöttering Macri ein Bildnis des Namensgebers der Stiftung. "Hoffentlich bleiben sie so lange im Amt wie Konrad Adenauer", sagte er dazu. Das Problem: Adenauer war 14 Jahre im Amt. Um das zu erreichen, müsste Macri die geltende Verfassung brechen.