Venezuela

Demonstranten in Venezuela kapern Lkw von Lebensmittelkonzern

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Festgesetzte Polar-Lkw in Catia
Festgesetzte Polar-Lkw in Catia

Caracas. In Venezuelas Hauptstadt haben Basisaktivisten sich Lieferwagen des größten Lebensmittelkonzerns des Landes, Polar, bemächtigt. An der Aktion am vergangenen Donnerstag beteiligten sich auch zahlreiche Anwohner. Dies berichtet das Internetportal Venezuelanalysis. "Wir, die organisierte Bevölkerung in Catia, haben beschlossen, auf die Straße zu gehen und zu protestieren, erstens, weil es keine Lebensmittel zu kaufen gibt und zweitens gegen Polar", erklärte einer der Teilnehmenden.

Die Polar-Gruppe produziert unter anderem Maismehl, das zur Zubereitung von Arepas gebraucht wird, einem Grundnahrungsmittel in dem südamerikanischen Land. Außerdem ist das Unternehmen der größte Bier- und Limonadenhersteller. Dem Polar-Chef Lorenzo Mendoza wird von der sozialistischen Regierung und den Basisbewegungen schon seit Jahren vorgeworfen, er lasse absichtlich zu wenig produzieren oder horte Produkte, um künstlich Mangel zu erzeugen. Auch missbrauche er die von der Regierung für Importe zu einem günstigen Kurs bereitgestellten Devisen.

Auf einem Video, das der alternative Fernsehsender "LaOtraTV" (Das andere TV) ausstrahlte, sind fünf LKW zu sehen, die direkt vor dem Polar-Lagerhaus in Catia am Straßenrand stehen und mit Parolen bemalt sind. Dutzende Demonstranten kreisen die Fahrzeuge ein und rufen: "Wir wollen Essen, wir wollen kein Bier" und "Gib das Essen raus, Lorenzo Mendoza". Einige Teilnehmer merken an, Polar überschwemme die Armenviertel mit Bier, um die Bewohner zu vergiften. Andere sagen, sie hätten genug vom Schlange stehen, um Lebensmittel zu kaufen: "Wir wissen, dass sie Lagerhallen voller Nahrungsmittel haben, aber hier im Viertel verkaufen sie nur Bier". Ein Anwohner führt aus: "In Catia kommen täglich über 100 LKW mit Bier und Limonade an, aber keine mit Nahrungsmitteln! Deshalb haben wir entschieden, Druck auf den Polar-Konzern auszuüben, der an der Destabilisierung und am Schmuggel beteiligt ist". Zugleich fordert der Mann die Aushändigung von Lebensmitteln an die Gemeinden, damit diese sie direkt verteilen können.

In einer Pressemitteilung von Polar heißt es, die Lkw seien entführt worden, nachdem eine Gruppe auf Motorrädern die Fahrer "mit Gewalt angehalten" hätten. Man werde die Lieferungen in das Viertel vorübergehend einstellen. Das Unternehmen beschuldigt die Regierung der Stimmungsmache gegen den Konzern. Zu den Vorwürfen der Demonstranten, Lebensmittel zu horten, äußert sich Polar nicht.

Venezuela kämpft seit Anfang 2014 mit großen Problemen bei der Versorgung mit bestimmten Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs. Während aus Unternehmerkreisen erklärt wird, dass die festgesetzten Preise in vielen Bereichen unterhalb der Produktionskosten lägen und die Wirtschaft lähmten, beschuldigt die Regierung Firmen und Zwischenhändler, Produkte zu horten oder sie zu überhöhten Preisen auf den Schwarzmarkt zu lenken. Ferner geben offizielle Schätzungen an, dass bis zu 40 Prozent der Lebensmittel, die für den heimischen Markt bestimmt sind, nach Kolumbien geschmuggelt und dort teurer verkauft werden. Das betrifft vor allem subventionierte Güter, da hier die Gewinnspanne bei Schmuggelgut am höchsten ist. Die Regierung geht immer wieder gegen Vertriebsfirmen und Einzelhandelsketten vor – aber ebenso gegen Schiebereien und Korruption bei den staatlichen Lebensmittel- und Supermärkten, wo in jüngster Zeit zahlreiche leitende Funktionäre verhaftet wurden. Vergangene Woche kündigte Präsident Nicolás Maduro die vollständige Umstrukturierung des staatlichen Versorgungsnetzwerkes für Lebensmittel an.