Amerikas

Außerhalb des Gesetzes

Bolivien: Opposition blockiert Verfassungsreferendum und will Tiefland-Autonomie

La Paz. Noch immer ist nicht gewiß, ob die im Dezember vorigen Jahres vom bolivianischen Verfassungskonvent verabschiedete Magna Charta ihren Weg zur entscheidenden Volksbefragung nehmen wird oder nicht. Kurzfristig sagte Präsident Evo Morales eine Reise in die USA ab, da er aufgrund der jüngsten Entwicklungen den Verfassungsprozeß zur »Neugründung Boliviens« gefährdet sieht und sich nun voll und ganz dem Thema zu widmen gedenke. In einem Brief an seinen Parteigenossen und Vorsitzenden des Kongresses Álvaro García Linera unterstrich er erneut die Dringlichkeit von bis dato ausstehenden Volksbefragungen: Ein beratendes Referendum über die Höchstgrenze von Landbesitz und eines zur Annahme der neuen Verfassung. Im Kongreß, der sich aus Abgeordnetenkammer und Senat zusammensetzt, hat die regierende »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) zwar die absolute Stimmenmehrheit, zur Ausrufung eines Referendums bedarf es jedoch einer Zweidrittelmehrheit und somit der Unterstützung durch oppositionelle Parteien. Seit Beginn des Jahres verweigern diese mit Hinweis auf die »illegale, mit Blut besudelte MAS-Verfassung« ihr Votum und bestehen auf einer Revision des Textes innerhalb des Kongresses. So wird auf Zeit gespielt, in der die Regionen des wohlhabenden Tieflandes an einer Art Parallelverfassung arbeiten, um sich von der emanzipatorischen Politik des MAS so weit als möglich abzukoppeln und die dort vorherrschende quasi-feudale Ordnung weiter aufrechterhalten zu können. Hatte Morales das Autonomie-Vorhaben zuvor mit den Ereignissen im Kosovo verglichen und den USA vorgeworfen, ähnliches in Bolivien zu befördern, so warnte er nun in seinem Schreiben: »Es bestehen derzeit irreguläre Wahlvorhaben außerhalb des Gesetzes, welche die Einheit und den Zusammenhalt unseres Landes ernsthaft gefährden könnten«.

Mit »irregulären Wahlvorhaben« sind die ebenfalls im Dezember verabschiedeten »Autonomiestatuten« gemeint, welche die ultrakonservative Autonomiebewegung unter Führung des Präfekten von Santa Cruz, Rubén Costas, und des Vorsitzenden des »Bürgerkomitees Pro Santa Cruz«, Branko Marinkovich, als Antwort auf das MAS-Verfassungsprojekt formulierte. Darin fordert sie eine weitreichende Kompetenzübertragung vom Zentralstaat auf die Ebende des Departamentos Ebene: Kontrolle von Land und Boden, Bodenschätzen, Polizei, Bildung, Migrationskontrolle. Anfang Mai sollen die »Autonomiestatuten« in den Regionen zur Abstimmung kommen, und das trotz der offensichtlichen Illegalität des Vorhabens. »Das Referendumsgesetz sagt in Artikel 6 ganz klar, daß, wenn es keine vom Volk gewählte Regierung auf Departements-ebene gibt, die Ausrufungskompetenz beim Kongreß liegt«, erklärt José Luis Exeni, Vorsitzender des Nationalen Wahlgerichtes (CNE).

Der MAS ist klar, daß im Kampf mit den wirtschaftlichen Eliten nur der Weg über die Wahlurnen Aussicht auf Erfolg haben kann. »Wir glauben nicht, daß wir das illegale Referendum durch rechtliche Schritte aufhalten können«, so Regierungssprecher Alex Contreras. Nun solle das Volk entscheiden, ob es mit der neuen Verfassung einverstanden sei oder nicht. Daher richten sich diese Woche alle Augen auf den Kongreß, dessen Mitgliedern die »historische Aufgabe auferlegt ist, zu einem Konsens zu gelangen«, so Contreras. Morales' Vorschlag für ein vermittelndes »Autonomieministerium« stieß derweil auf wenig Gegenliebe, die Opposition wirft ihm ein »doppeltes Spiel vor, indem er zum Dialog und gleichzeitig zum Referendum aufruft«.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt können Sie hier lesen.