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Ende der Eiszeit

Annäherung zwischen Venezuela und Mexiko. Botschafteraustausch wieder in Sicht

Nach der Annäherung an Kuba nun Venezuela. Der konservative mexikanische Präsident Felipe Calderón fährt mit seinen Bemühungen fort, die Beziehungen zu linken lateinamerikanischen Regierungen zu normalisieren und das von Exstaatschef Vicente Fox zerschlagene Porzellan zu kitten. Das jüngste Beispiel ist die angestrebte Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Venezuela auf der Ebene von Botschaftern. Seit deren beidseitigem Abzug im November 2005 kommunizierten die Regierungen nur noch über Geschäftsträger.

Nach entsprechenden Signalen aus Mexiko-Stadt hatte Venezuelas Staatschef Hugo Chávez vor anderthalb Wochen den ersten offiziellen Schritt getan und mit dem ehemaligen Außenminister Roy Chaderton einen erfahrenen Diplomaten als Botschafter in Mexiko designiert. »Wir sind bereit, eine neue Seite aufzuschlagen«, so Chávez. Nur zwei Tage später gab die mexikanische Regierung bekannt, mit Jesús Mario Chacón ebenfalls einen hochkarätigen Gesandten mit 25jähriger diplomatischer Erfahrung in Europa, Asien und Amerika als Botschafter in Caracas vorzuschlagen. Die amtierende mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa sprach von einem »Vertrauensklima für die Normalisierung der Kontakte«. Seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Dezember habe die neue Regierung das Gespräch mit Venezuela gesucht.

Zwischen Calderóns Parteifreund Vicente Fox und Chávez war es während des im November 2005 im argentinischen Mar del Plata abgehaltenen Amerikagipfels zu einem Eklat gekommen. Damals griff Fox außergewöhnlich scharf und mit kaum verhülltem Auftrag aus Washington die ablehnende Haltung der venezolanischen Regierung gegenüber dem inzwischen wohl endgültig gescheiterten US-Projekt einer Gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA) an. Chávez titulierte Fox daraufhin als »Hündchen des Imperiums«. Der beleidigte Mexikaner zog seinen Botschafter zurück und forderte bis zum Ende seiner Amtszeit vergeblich eine Entschuldigung. Venezuela berief ebenfalls noch im November 2005 seinen Botschafter aus Mexiko-Stadt ab.

Der kürzliche Streit zwischen Manuel Espino, dem Vorsitzenden der mexikanischen Regierungspartei der Nationalen Aktion (PAN), und Chávez tat der aktuellen Annäherung offenbar keinen Abbruch. Espino hatte im Juli als Präsident der christdemokratischen Regionalorganisation ODCA während eines Treffens in Caracas Venezuelas Regierung und vor allem die Verweigerung der Konzessionsverlängerung für den Fernsehsender RCTV attackiert. Chávez drohte daraufhin mit der Ausweisung. Espino gilt jedoch als Altlast von Fox und wird den PAN-Vorsitz im März 2008 voraussichtlich an einen loyalen Calderón-Vertrauten abgeben müssen.

Patricia Espinosa nannte in der vergangenen Woche die handfesten Gründe für das Ende der mexikanisch-venezolanischen Eiszeit: »Wirtschaftliche Interessen, Märkte für unsere Produkte zu suchen, unsere Investitionen im Ausland zu schützen, unsere kulturelle Präsenz sowie unsere Fähigkeit zu stärken, in unserer Region und auf internationale Angelegenheiten generell Einfluß zu nehmen«. Insofern ordnet sich die Annäherung an die ideologisch entgegengesetzt ausgerichtete Chávez-Regierung in den Kontext der gegenüber Fox veränderten außenpolitischen Strategie Felipe Calderóns ein. Der Blick soll wieder etwas stärker Richtung Süden gerichtet werden und die diesbezügliche Politik zumindest ein bißchen mehr Unabhängigkeit gegenüber Washingtons Vorgaben wahren. Gleichzeitig sichert diese Strategie Calderón innenpolitisch eine gewisse Profilierung. So waren nach Michele Bachelet aus Chile und Nicaraguas Präsident Daniel Ortega zuletzt auch Brasiliens Ignacio »Lula« da Silva und der argentinische Staatschef Nestor Kirchner zu Gast in Mexiko.

Aus Junge Welt vom 20.8.2007