Differenzen im Regierungslager zu Verfassungsreform

Unterschiedliche Meinungen bei Chávez-Unterstützern zu Änderungs-Vorschlägen.

Die venezolanische Partei "Podemos" (Teil der Regierungskoalition) distanzierte sich letzte Woche von Vorschlägen, die ihr Gouverneur des Bundesstaates Sucre, Ramon Martinez, geäußert hatte. Er hatte sich für eine Allianz von Gouverneuren und Bürgermeistern ausgesprochen um "die regionale Autonomie" gegen den Plan von Präsident Chávez für eine "neue Geometrie der Macht" zu verteidigen.

Die geplante Verfassungsänderung würde, nach der Legitimierung durch Volksabstimmung, die Schaffung von "föderalen Bezirken" in bestimmten Gebieten erlauben, die dann als Bundesstaaten angesehen werden könnten. Außerdem würde die Ernennung von Vize-Präsidenten mit regionalen Zuständigkeiten und die Annerkennung der Sozialmissionen als alternative Form der öffentlichen Verwaltung möglich werden, unter Umgehung der alten bürokratischen Institutionen. In seiner Rede vor dem Parlament am 15. August hatte Chávez argumentiert, diese Änderungen seien notwendig "um die alte, oligarchische Ausbeuter-Hegemonie, die alte Gesellschaft zu überwinden" und in den Worten Gramscis "den alten "historischen Block" zu schwächen." Chávez warnte auch vor "Regionalismus" den er als "Dogma" bezeichnete, "das Veränderungen behindert". Er warnte weiter vor "Situationen die zu Caudillos führen."

Gouverneur Ramon Martinez antwortete, dass er sich gegen jede territoriale Änderung des Bundesstaates Sucre wende und erklärte in einem Interview mit der Tageszeitung "El National" vom 19.August, dass in den Straßen von Sucre "Ramoncismo [mit Verweis auf Martinez Vornamen] viel stärker ist als Chavismo." Martinez fuhr fort: "Wir verteidigen nicht nur regionale Autonomie, sondern auch die Verfassung." Weiter sagte er, "In dieser Auseinandersetzung habe ich die Unterstützung von 46 Bürgermeistern aus dem ganzen Land."

Der Podemos-Abgeordnete im Parlament, Ricardo Guitierrez, stellte klar, dass die Partei die Meinung des Gouverneurs von Sucre nicht unterstütze. "Dies ist eine persönliche Einstellung des Parteichefs und Gouverneur. Wir haben unsere Position am letzten Wochenende erarbeitet und werden sie im Parlament in der ersten Diskussion zur Verfassungsreform einbringen." Guitierrez räumte jedoch ein, dass es innerhalb der Partei Differenzen über eine geopolitische Neuordnung des Landes gebe.

Venezolanische Oppositionsparteien argumentieren, dass die "neue Geometrie der Macht" die Macht in der Exekutive zentralisiere und die Gouverneure schwäche. Chávez setzt dem entgegen, dass man beabsichtige, der Bevölkerung mehr Macht zu geben. Während einer Eröffnung eines kardiologischen Kinderkrankenhauses letzte Woche verkündete er: "Ich bin kein Gegner der Dezentralisation." Vielmehr sei er ein Gegner des "bürokratischen, korrupten Staates."

Podemos, die sich selbst als sozialdemokratische Partei bezeichnet, lehnte es Anfang des Jahres ab, der neuen "Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas" (PSUV) beizutreten und hat stattdessen die (in der Versenkung verschwundene) alte sozialdemokratische Partei "Acción Democrática" als Venezuelas Vertreter bei der Sozialistischen Internationalen abgelöst, einer internationalen Allianz von sozialdemokratischen Parteien, der unter anderem die Britische Labour Party, sowie die Sozialistischen Parteien Spaniens und Frankreichs angehören.

"Patria Para Todos" ("Vaterland für alle", PPT), eine weitere mit Chávez verbündete Partei, die es auch abgelehnt hatte Teil der PSUV zu werden, organisiert nun 3.000 offene Foren im ganzen Land um die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen zu diskutieren. PPT-Abgeordneter José Albornoz sagte, dass obwohl die PPT Differenzen mit Chávez bei der Frage der unbegrenzten Wiederwahl habe, würden sie den Vorschlag des Präsidenten unterstützen. Eine Aufhebung der Begrenzung der Amtszeit auf zwei Perioden würde es Chávez ermöglichen sich 2012 wieder zur Wahl zu stellen. Die Aufhebung der Wiederwahl-Begrenzung solle laut PPT jedoch für alle Amtsträger gelten.

Geronimo Carrera, Präsident der venezolanischen Kommunistischen Partei (die dritte Partei, die sich geweigert hatte Teil der PSUV zu werden), wurde in "El National" vom 18.August folgendermaßen zitiert: "Das Land hat die Verfassungs-Diskussion satt." Die Lösungen der sozialen Probleme Venezuelas seien bei weitem dringender als eine Verfassungsreform. Er argumentierte: "Es ist nicht ein legales Problem, sondern eines der Planung." Carrera kritisierte, dass Chávez das Privateigentum in seinem Vorschlag unterstütze "da er ein Politiker ist und deswegen Taktik vor Prinzipien stellt." Er sagte weiter: "In einem revolutionären Prozess (...) kann man nicht die Koexistenz von Privateigentum erlauben."