Venezuela / Medien

Ein Bock macht sich zum Gärtner

Wie sich Christoph Keese in Welt online einen Demagogen zusammenlügt

In der Diskussion um den Welt-online-Gastbeitrag von Oskar Lafontaine "Mit Hugo Chávez für die Freiheit" vom 8.7.2007 "analysiert" Christoph Keese am 15.7.2007 im gleichen Medium Lafontaines Text unter dem Titel Die rhetorischen Tricks eines Populisten, um ihm Demagogie nachzuweisen. Bereits das Nachrecherchieren des ersten Beispiels zeigt, dass sich hier ein ganz übler Bock zum Gärtner macht. Keese schreibt:

"Im Text über Venezuela heißt die Kronzeugin Dorothea Melcher, eine deutsch-venezolanische Historikerin, die Ende Mai im Deutschlandfunk über den Konzessionsverlust des kritischen Senders RCTV gesprochen hatte. Lafontaine zitiert sie mit folgenden Sätzen: 'Die privaten Kanäle haben zum Teil sehr üble Hetzkampagnen gegen Chávez geführt. Ich glaube, das könnte sich hier niemand leisten.' Die Regierung aber habe laut Melcher Hunderte von Lizenzen für 'kleine, offene Bürgerfunk- und Fernsehprogramme vergeben'. Ende des Zitats.

Schaut man im Archiv des Deutschlandfunks nach, was Frau Melcher am 26. Mai wirklich gesagt hat, findet man direkt im Anschluss an die von Lafontaine zitierte Passage folgenden Satz: 'Trotzdem ist die Abschaltung von Radio Caracas Televisión das falsche Signal in einem Land, dessen demokratische Institutionen seit Langem ausgehöhlt sind und wo sich die Einschränkungen der Pressefreiheit auf vielen Ebenen mehren.' Diese Aussage lässt Lafontaine einfach weg. Er vereinnahmt Melcher für die Chávez-Rechtfertigung und blendet ihre Kritik an ihm kurzerhand aus. Der Leser erfährt nichts von den Vorbehalten der Kronzeugin gegen die Regierung. Ende des Zitats."

Soweit Christoph Keese in der wahrscheinlich berechtigten Hoffnung, dass kaum ein Leser den Artikel im Archiv des Deutschlandfunks aufsucht ("Melcher" in das Suchfeld eingeben) und die Aussage überprüft. Tut man das, so stellt man fest, dass es sich bei dem zweiten Satz keineswegs um ein Zitat von Dorothea Melcher handelt, sondern dass dieser zwei Absätze weiter unten zu finden ist und von Peter B. Schumann, dem Autor des Radio-Beitrags, stammt. Melcher äußerte keine Vorbehalte gegen die Regierung, Lafontaine hat völlig korrekt zitiert.

Zum Abschluss seiner "Analyse" schreibt Keese:

"Mehr als ein Dutzend Zitate führt Lafontaine an, bei fast allen arbeitet er nach dem gleichen Muster: verdrehen, verbiegen, verschweigen. Was nicht passt, wird passend gemacht. Man braucht Stunden, um seinem Schwindel auf die Schliche zu kommen. Wer nicht achtsam ist, wird betrogen. Was Oskar Lafontaine betreibt, ist keine normale Rhetorik mehr. Es ist Demagogie."

Um Keeses Schwindel auf die Schliche zu kommen, braucht man zwei Minuten. Ansonsten treffen alle die Aussagen exakt zu - auf Christoph Keese.