Uruguay / Wirtschaft

Debatte in Uruguay über Steuer für das reichste Prozent

PIT-CNT legt Konzept für Abgabe auf große Vermögen vor. Präsident Orsi lehnt neue Abgaben ab. Ziel sind zusätzliche Mittel gegen Ungleichheit und Kinderarmut

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"Uruguay subventioniert Superreiche."
"Uruguay subventioniert Superreiche."

Montevideo. Im Frühjahr 2025 hat der Gewerkschaftsverband PIT-CNT in Uruguay den Vorschlag einer Vermögenssteuer zur Bekämpfung von Ungleichheit und Kinderarmut erarbeitet. Kurz darauf scheitert der Vorschlag an der linken Regierung des Präsidenten Yamandú Orsi.

Die Initiative der Kommission des PIT-CNT sieht die einprozentige Besteuerung des Vermögens der reichsten ein Prozent der Bevölkerung vor. Damit rechnet der Gewerkschaftsverband mit einem Steueraufkommen von rund 700 Mio. US-Dollar, knapp ein Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts, das der Bekämpfung von Kinderarmut zugutekommen soll. Am 23. Juni wurde der Vorschlag dem Präsidenten Yamandú Orsi des linken Parteienbündnisses Frente Amplio vorgestellt, einen Tag später kam seine Antwort: "Wir werden keine weiteren Steuern erheben."

Zwar bekräftigt die regierende Frente Amplio in ihrem Parteiprogramm die Besteuerung von Großkapital und Vermögen, doch der Präsident versicherte im Wahlkampf, auf Steuererhöhungen zu verzichten. Aktuell stehen in Uruguay trotz des Wahlversprechens des Präsidenten Änderungen im Steuersystem an. Diskutiert wird etwa über eine globale Mindeststeuer oder eine Steuer auf Auslandsinvestitionen. Für Oscar Andrade, Senatsmitglied der Frente Amplio, ist das ein Teilerfolg des Vorschlags des PIT-CNT: "Kein politischer Kampf verläuft geradlinig. Es kann Rückschritte geben, aber es ist eine wichtige Diskussion eröffnet worden und das ist bereits ein Verdienst", erklärte er gegenüber amerika21. 

Wie es für die Debatte um die Ein-Prozent-Vermögensteuer weitergeht, ist bisher trotzdem unklar. Noch Anfang Oktober wird der Vorschlag das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Bisher befürworten vier Senatsmitglieder der Frente Amplio die Initiative des Gewerkschaftsverbands.

Sergio Sommaruga, Gewerkschaftsführer des PIT-CNT, betont im Gespräch mit amerika21 daher die Relevanz der Organisierung von unten nach oben: "Dieser Prozess wird nur dann tragfähig sein, wenn die Regierung spürt, dass die Bevölkerung die Umsetzung dieser Politik einfordert."

Außerhalb der Linken löst der Vorschlag ablehnende Reaktionen aus. Besonders deutlich äußerte sich Lopez Mena, eine der reichsten Personen Uruguays. Der Gründer des Transportunternehmens Buquebus spricht von einem "absurden Vorschlag", "veralteten Denkweisen" und betont die Rolle des reichsten ein Prozent für die Investition in neue Technologien und das Schaffen von Arbeitsplätzen.

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Oscar Andrade erklärt diese Argumentation mit dem "Triumph des Neoliberalismus, uns weiszumachen, dass die beste Wirtschaftspolitik darin bestehe, die mächtigen Akteure von jeglicher finanziellen Verantwortung zu befreien."

Gestützt wird die Initiative des PIT-CNT unter anderem von Analysen des Ökonomen Mauricio de Rosa, die die extreme Vermögensungleichheit in Uruguay belegen. De Rosa schätzt, dass das reichste ein Prozent in Uruguay knapp 40 Prozent des Gesamtvermögens besitzt, die ärmsten 50 Prozent dagegen nur etwa fünf Prozent. Im Jahr 2024 stieg außerdem die Anzahl der US-Dollar-Millionäre in Uruguay um 363 Personen auf knapp 18.000 Personen an. Zur gleichen Zeit wuchs laut UNICEF die Kinderarmut: Jedes vierte Kind im Land ist betroffen. Diese gegenläufigen Entwicklungen sind im Zusammenhang mit einer Fiskalpolitik zu betrachten, die die Reichsten im Land bevorzugt.

Auf dem Papier gibt es in Uruguay ein progressives Steuersystem, das nach einer Steuerreform im Jahr 2007 sowohl Arbeitseinkommen (0–36 Prozent), als auch Kapitaleinkommen (sieben–zwölf Prozent) und Mieteinkünfte (zwölf Prozent) erfasst. Der Fokus des Steuersystems liegt unverhältnismäßig stark auf Einkommen statt auf Vermögen, was Personen der Mittelschicht überproportional betrifft. Faktisch existiert zwar eine Vermögenssteuer, die für den Großteil der Betroffenen jedoch nur einem marginalen Steuersatz von 0,1 Prozent entspricht und kaum Kontrollmechanismen unterliegt. Seit der Steuerreform ist die Ungleichheit in den unteren 99 Prozent zwar gesunken, die reichsten ein Prozent sind jedoch kaum belastet worden.

"Uruguay subventioniert Reiche", fasst es Sergio Sommaruga zusammen, "das hat mit Steuerprivilegien für Kapital- und Machtsektoren zu tun, die nicht ausschließlich, aber wesentlich zur Ungleichheit beitragen".

Senatsmitglied Gustavo Gonzalez, der sich ebenfalls für die Ein-Prozent-Steuer ausgesprochen hat, blickt positiv auf die Zukunft der Debatte: "Ich glaube, wir werden es schaffen, aber es braucht vor allem die gewerkschaftliche und gesellschaftliche Organisierung. Die Ungleichheiten in der Welt werden nicht verschwinden, wenn wir sie nicht aufhalten", sagte er gegenüber amerika21.