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Korruptionsverdacht: Regierung von Brasilien setzt den Kauf von Impfstoffen aus

Bolsonaro unter Druck wegen des Kaufs indischer Impfstoffe bei gleichzeitiger Ablehnung anderer Vakzine. Zeugen berichten von geheimen Deals

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"Der Tod kann Brasilien nicht regieren. Weg mit Bolsonaro" – in Brasiliens Straßen weit verbreitet
"Der Tod kann Brasilien nicht regieren. Weg mit Bolsonaro" – in Brasiliens Straßen weit verbreitet

Brasília. Die brasilianische Regierung hat angekündigt, den Vertrag über den Kauf des indischen Corona-Impfstoffs Covaxin auszusetzen. In den letzten Tagen sind Unregelmäßigkeiten ans Licht gekommen, die auf Korruption hinweisen könnten.

Eine Kommission hatte zuvor brisante Vorwürfe gegen Staatspräsident Jair Bolsonaro öffentlich gemacht: Dieser habe von mutmaßlicher Korruption im Zusammenhang mit einem Vertrag über den in Indien hergestellten Impfstoff Covaxin im Wert von 300 Millionen US-Dollar gewusst und nicht interveniert.

Senator Renan Calheiros erklärte, dass die Verwicklung von Bolsonaro in den Covaxin-Impfstoffskandal "viel schwerwiegender" sei als zunächst vermutet: "Er hat nicht nur alles gewusst. Er hat sogar jederzeit aktiv mitgemacht", so Renan. Somit bestehe nicht nur der Verdacht auf Amtsmissbrauch.

Renan erinnerte daran, dass Bolsonaro schon im Januar einen Brief an den indischen Premierminister Narendra Modi geschickt hatte, in dem er um die schnelle Freigabe von 20 Millionen Dosen Covaxin bat. Zur gleichen Zeit habe das Gesundheitsministerium den Kauf von 170 Millionen Dosen der Impfstoffe Comirnaty (von Pfizer/Biontech) und Coronavac (aus China) abgelehnt.

Außerdem ist Luis Ricardo Miranda, im Gesundheitsministerium verantwortlich für die medizinischen Importe, auf eine Rechnung über 45 Millionen Dollar für drei Millionen Impfdosen aufmerksam geworden. Er gab vor der Untersuchungskommission an, dass er sich geweigert habe, die Zahlung an ein Unternehmen in Singapur zu autorisieren. Daraufhin hätten seine Vorgesetzten "ungewöhnlichen, unverhältnismäßigen" Druck auf ihn ausgeübt.

Weiter gab Luiz Paulo Dominguetti Pereira, Vertreter des Impfstoffherstellers Davati Medical Supply an, dass er im Gegenzug für die Unterzeichnung eines Vertrags mit dem Gesundheitsministerium eine Bestechungssumme von einem US-Dollar pro Dosis erhalten habe.

Nun haben drei brasilianische Senatoren Bolsonaro vor dem Obersten Bundesgericht (STF) wegen Amtspflichtverletzung angezeigt. Dieser habe "nichts unternommen, nachdem er über einen gigantischen Korruptionsfall im Gesundheitsministerium informiert wurde", teilte der oppositionelle Senator Randolfe Rodrigues mit. Rodrigues ist stellvertretender Vorsitzender einer Untersuchungskommission des Senats, die den Umgang der Regierung mit der Pandemie untersucht.

Die Richterin und Vizepräsidentin des STF, Rosa Weber, hat in der Nacht zum Freitag die Ermittlungen durch die Generalstaatsanwaltschaft gegen den Präsidenten wegen des mutmaßlichen Verbrechens der Täuschung im Fall des Kaufs des indischen Impfstoffs Covaxin genehmigt.

Roberto Ferreira Dias, Logistikdirektor im Gesundheitsministerium, wurde in einem Bericht der Journalistin Constança Rezende beschuldigt, Dominguetti Pereira im Februar bei einem Abendessen einen Deal vorgeschlagen zu haben. Dominguetti gab weitere Details an: "Dann habe ich gesagt, das geht nicht, das würde ich nicht machen. Er sagte mir: 'Denken Sie gut nach, wenn Sie im Ministerium Impfstoff verkaufen wollen. Addieren Sie einfach einen Dollar pro Dosis. Das würden dann 200 Millionen Dollar ergeben.' Bei dem Gespräch waren außerdem noch ein Armeeangehöriger und ein Geschäftsmann aus Brasília anwesend", betonte Dominguetti.

Auf die Frage, ob er sicher sei, dass das Treffen mit dem Logistikdirektor des Ministeriums wirklich stattfand und ob es Beweise dafür gebe, antwortete Dominguetti: "Natürlich bin ich mir sicher. Wenn Sie die Daten meines Handys auslesen und die Kameras aus dem Einkaufszentrum und dem Restaurant auswerten, werden Sie sehen, dass ich mit ihm dort war und dass er es auch wirklich war." Dominguetti weiter: "Dias nahm bei den Worten ein Glas Bier in die Hand und sagte: 'Lasst uns zur Sache kommen‘. Einfach so. Es war einfach nur surreal, was da passiert ist."

Laut Dominguetti fand das Essen am Abend des 25. Februar statt, einen Tag vor einem offiziellen Termin mit Dias im Gesundheitsministerium und einen Tag, nachdem das Land die Marke von 250.000 Toten durch die Coronavirus-Pandemie erreicht hatte.

Schon im Oktober 2020 hatte Bolsonaro versucht, Dias für den Posten des Direktors der Nationalen Gesundheitsüberwachungsbehörde (Anvisa) zu nominieren.

Als dessen Rücktritt als Logistikdirektor gefordert wurde, legte der Präsident sein Veto ein. Dieser erfolgte nun wegen des Verdachts auf Korruption bei dem von Roberto Dias als Direktor im Gesundheitsministerium unterzeichneten Vertrag über den Kauf von zehn Millionen Tests zum Nachweis von Covid-19.

Ein Strafverfahren gegen Bolsonaro vor dem Obersten Bundesgericht könnte zu seiner Amtsenthebung führen. Voraussetzung dafür wäre aber eine Anklageerhebung durch den Generalstaatsanwalt Augusto Aras, einem Verbündeten des Präsidenten, dessen Unterstützung in der Bevölkerung immer mehr schwindet. In den letzten Umfragen liegt der Staatschef weit hinter seinem linksgerichteten Herausforderer, dem Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. In Brasilien finden im kommenden Jahr die Präsidentschaftswahlen statt.