San Salvador. Imelda Cortez Palacios ist am vergangenen Montag vom Vorwurf der versuchten Ermordung ihres Kindes freigesprochen worden, nachdem sie bereits 20 Monate im Gefängnis gesessen hatte. Ein Gericht in Jiquilisco sprach das entlastende Urteil gegen die junge Salvadorianerin, weil es keine Beweise für einen Mordversuch an ihrem lebenden Kind gab. Seit langem wird in El Salvador für eine Lockerung des strengen Abtreibungsverbots gekämpft und zudem die Entkriminalisierung von Frauen wie Imelda Cortez Palacios gefordert. Der Freispruch ist für die Frauen und ihre Rechte in dem mittelamerikanischen Land als großer Erfolg zu werten.
Cortez stand zum wiederholten Male vor Gericht, weil ihr vorgeworfen wurde, einen schwerwiegenden Mordversuch an ihrem Kind begangen zu haben. Während der Verhandlung am Montag wurde die Anklage dahin abgewandelt, dass sie ihr wehrloses Kind aufgegeben hätte. Die Staatsanwaltschaft beantragte ein Jahr Gefängnis für Cortez. Das hätte dazu geführt, dass sie freigelassen worden wäre, weil sie bereits seit einem Jahr und sieben Monaten in Haft war. Am Ende sprach man die junge Frau aber sogar von allen erhobenen Vorwürfen frei.
Die 20-jährige Salvadorianerin lebt zusammen mit ihrer Familie in extremer Armut auf dem Land. Seit ihrem 12. Lebensjahr soll sie von ihrem 70-jährigen Stiefvater sexuell missbraucht und vergewaltigt worden sein. 2016 wurde sie von ihm schwanger. Sie versicherte immer wieder, dass sie die Schwangerschaft nicht bemerkt habe. Sie hatte Blutungen, was sie als ihre Menstruation deutete. Verweigerte Schwangerschaft ist ein medizinisch anerkanntes Phänomen. Die meisten Frauen werden in den letzten Schwangerschaftsmonaten erst darauf aufmerksam, in anderen Fällen gestehen sich die Frauen ihre Schwangerschaft erst mit der Geburt ein. Im April 2017 litt Cortez unter starken Bauchschmerzen. Sie gebar ihr Kind in einer Latrine, wurde ohnmächtig und kam daraufhin ins Krankenhaus.
Seit Sommer 2017 saß Cortez im Gefängnis, weil man ihr einen Mordversuch unterstellte. Sie beteuerte immer wieder ihre Unschuld. Medizinische Gutachten vor Gericht belegten, dass Cortez eine natürliche Geburt hatte und dass es keine Hinweise auf eine absichtliche Herbeiführung gab. Außerdem wurden beim Kind keine Anzeichen dafür festgestellt, dass jemand ihm Schaden zufügen wollte. Erst nach einer DNA-Untersuchung, die die Vaterschaft des Stiefvaters bestätigte, wurde dieser im März 2018 ebenfalls festgenommen und wegen Vergewaltigung angeklagt.
Der Fall Cortez steht sinnbildlich für den Kampf der salvadorianischen Frauen gegen die strengen Gesetze und Richtlinien, die ihr sexuelles und reproduktives Leben bestimmen. Insgesamt sitzen über 20 Frauen im Gefängnis, weil sie zu langjährigen Haftstrafen auf Grund von Fehl- oder Totgeburten verurteilt wurden, die die Behörden als schweren Mord oder Mordversuch eingeschätzt haben. Die Frauen stammen meistens aus armen Verhältnissen und können sich daher keine angemessene Strafverteidigung leisten. Die Verfahren weisen oft gravierende Mängel auf und die Gerichte erkennen in der Regel die Unschuldsvermutung nicht an.
Marcela Martino, stellvertretende Direktorin des Center for Justice and International Law (Cejil) für Mittelamerika und Mexiko glaubt, dass der internationale Druck im Fall von Cortez zu ihrer Freilassung geführt hat, weil er "lächerlich offensichtlich" gemacht habe, dass Cortez unschuldig war. Viele Organisationen äußerten ihre Freude über die Freilassung. Martino merkte an, dass es noch ein langer Weg sei, um sicherzustellen, dass die anderen Frauen, die unter ähnlichen Umständen kriminalisiert werden, ebenfalls freikommen.