Regierungskritischer Protest in Chile eskaliert, ein Toter

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Alljährlich kommt es am 21. Mai zu massiven Protesten in Valparaíso – diesmal ist ein Toter zu beklagen
Alljährlich kommt es am 21. Mai zu massiven Protesten in Valparaíso – diesmal ist ein Toter zu beklagen

Valparaíso. Bei regierungskritischen Protesten in Chile ist es in der Hafenstadt Valparaíso am Samstag zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen, bei denen ein Mann ums Leben kam. Die Proteste fanden parallel zur alljährlichen Präsidentenrede zur Lage der Nation am 21. Mai statt. Sowohl Vertreter der Protestparteien als auch Mitglieder der Regierungskoalition und der Opposition verurteilten die Eskalationen scharf.

Die Demonstration hatte zunächst friedlich begonnen. Wie jedes Jahr hatten sich Aktivisten aus Sozialbewegungen, Studenten und Gewerkschaftler auf der Plaza de la Victoria versammelt, um zum Kongressgebäude zu marschieren und ihren Unmut gegen ausbleibende Reformen kundzutun. Die Rede zur Lage der Nation, in der das chilenische Staatsoberhaupt eine Jahresbilanz zieht, bietet politischen Gegnern traditionell Anlass, um auf die Straße zu gehen und Kritik an der Regierungspolitik zu üben. Die Stimmung schlug währenddessen jedoch um. Demonstranten errichteten Barrikaden und bewarfen Polizisten mit Molotowcocktails. Die Beamten setzten daraufhin Tränengas und Wasserwerfer ein. Geschäfte wurden geplündert, mehrere Häuser gingen in Flammen auf. Darunter ein Gebäude der Stadtverwaltung, in dem sich ein Wachmann befand, der später den Folgen einer Rauchvergiftung erlag.

Die Eskalationen wurden sowohl aus Protest- als auch Politkreisen einstimmig verurteilt. Präsidentin Michelle Bachelet warf den Demonstranten in einer ersten Reaktion vor, mit diesen Gewaltakten die Demokratie zu missachten. Marcelo Díaz, Kabinettschef der aktuellen Regierung, hielt den Gewalttätern vor, Eskalationen provoziert und dadurch friedliche Proteste verhindert zu haben. Bislang gab es 37 Festnahmen – die Generalstaatsanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Damit findet der Protest der jährlichen Antiregierungsdemonstrationen, die bereits in den letzten Jahren zunehmend von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizei überschattet worden waren, ihren vorläufigen Höhepunkt.

Hauptkritikpunkte der Demonstrationen waren die schleppende Reform des Bildungswesens und die für viele Gewerkschafter unzureichende Arbeitsmarktreform. Auch von der durch die Algenpest stark betroffene Insel Chiloé waren Kleinfischer angereist, um gegen die von der Regierung unterstütze Fischindustrie zu protestieren.

Die Regierung des südamerikanischen Landes erlebt momentan turbulente Zeiten. Während die chilenische Wirtschaft unter dem Preisverfall ihres Hauptexportproduktes Kupfer leidet, reiht sich ein Korruptionsskandal an den nächsten - nahezu alle politischen Lager sind betroffen. Die Beliebtheitswerte des Staatsoberhaupts Bachelet sind mittlerweile von 80 auf 30 Prozentpunkte gefallen, während das Regierungsbündnis Nueva Mayoría die Umsetzung eigens geplanter Reformen durch innere Streitigkeiten verhindert.

Dennoch fand Präsidentin Bachelet auch positive Worte für die eigene Regierungsarbeit. So betonte sie unter anderem, mit der jüngsten Bildungsreform sei eine der grundlegendsten bildungspolitischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte auf den Weg gebracht worden.

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