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Der Plan der Regierung von Gustavo Petro für die Energiewende in Kolumbien

Widersprüchliche Urteile seitens internationaler und nationaler Wirtschaftslobby. Ökonomische Eckpunkte und Finanzierung in der Diskussion

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In Kolumbien nimmt die Energiewende breiten Raum in der Debatte ein
In Kolumbien nimmt die Energiewende breiten Raum in der Debatte ein

Bogotá. Die Regierung von Kolumbien hat erste Schritte konkretisiert, um die Einführung von grüner Energie im ehrgeizigen Kontext der angestrebten Energiewende auf den Weg zu bringen. Die Verabschiedung des Nationalen Entwicklungsplans 2022-2026 gilt dabei als Orientierung für den Wandel in dem südamerikanischen Land.

Seit der Weltklimakonferenz COP 27 in Sharm El-Sheikh, Ägypten, im November letzten Jahres ist Kolumbiens Präsident eine international beachtete Persönlichkeit in der Klimadebatte geworden (amerika21 berichtete).

Die Regierung verfolge das grundlegende Ziel, "eine gerechte und nachhaltige Energiewende voranzutreiben, die die Energiesouveränität des Landes, den demokratischen Zugang zu Energie und klare Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels gewährleisten soll", heißt es in dem gültigen, bereits im März vom Energieministerium vorgelegten Rahmenpapier.

Dafür müssten die Investitionen in saubere Energie und Dekarbonisierung verstärkt, die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen schrittweise ersetzt, eine höhere Energieeffizienz erreicht und Vorschriften bei der Erzeugung sauberer Energie vereinfacht werden. Alle diese Bereiche müssten an einer Reindustrialisierung der kolumbianischen Wirtschaft ausgerichtet werden, so das Ministerium.

Letzteres bedeutet auch die "Diversifizierung des Exportkorbs Kolumbiens mit Schwerpunkt auf der Agrarindustrie, Industrieerzeugnissen und der Umstellung des Exportmodells von primären Energieressourcen auf Zwischen- und Endprodukte".

Zum Konzept für die Energiewende gehört schließlich auch das Vorhaben, Kolumbien in eines der wichtigsten Tourismuszentren der Region umzuwandeln. Mit nachhaltigen makroökonomischen Maßnahmen, Steuerpolitik wie auch der schrittweisen Abschaffung der Subventionen für den Verbrauch flüssiger fossiler Brennstoffe sollen die Veränderungen gefördert werden.

Juan Camilo Campos, Leiter des Bereichs natürliche Ressourcen und Energie für das internationale Netzwerk von Wirtschaftsprüfungs- und -beratungsfirmen BDO in Kolumbien, nannte den Plan der Regierung Petro "einen wichtigen Schritt zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und grüne Energie". Der Nationale Entwicklungsplan lege auch spezifische Ziele für die Erhöhung der Stromerzeugung aus nicht-konventionellen erneuerbaren Energiequellen während des Vierjahreszeitraums fest.

Campos sieht eine der wichtigsten offenen Fragen nun darin, dass die Regierung einen Konsens darüber herstellt, wie dieser Übergang mit dem Privatsektor durchgeführt werden soll. Das Ministerium für Bergbau und Energie habe angekündigt, dass der Aktionsplan für eine gerechte Energiewende im Februar 2024 vorliegen werde, so der BDO-Experte. Regierung und Privatsektor müssten einen detaillierten Fahrplan verfolgen, der klare Finanzierungsquellen, Zeitpläne und Strategien benennt.

Auf dem Portal für Wirtschaftsnachrichten Más Colombia, das mehr die nationale Ökonomie in Kolumbien in den Vordergrund rückt, treten aktuell kritische Stimmen auf. "Ist die Rivalität zwischen Öl und Tourismus eine sinnvolle Strategie?", lautet die zusammengefasste Fragestellung.

Das Portal bezieht sich darauf, dass Präsident Petro bei der Vorstellung der Kampagne "Kolumbien, das Land der Schönheit" versicherte, dass das Erdöl in Kolumbien durch den Tourismus ersetzt werden könne. Seine Äußerungen erfolgten im Zusammenhang mit der Energiewende und der Dekarbonisierung der Wirtschaft.

Más Colombia lässt jedoch Fachleute für die Energiewende zu Wort kommen, wonach sich "die Beiträge des Landes zum Kampf gegen den Klimawandel an der Realität des Landes und seiner geringeren Verantwortung für die globalen Treibhausgasemissionen orientieren sollten und nicht an Rezepten, die für andere Kontexte entwickelt wurden". Das Land sei in hohem Maße von den Öleinnahmen abhängig und besitze eine Energiesouveränität, die es nicht verlieren dürfe. Auch würden genau die Einnahmen aus dem Verkauf von Kohlenwasserstoffen gebraucht, um die Energiewende schrittweise durchzuführen. Eine Beschleunigung der Veränderungen wären angesichts des Anteils an der Umweltbelastung Kolumbiens für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der Welt unbedeutend.

Kolumbiens Beitrag zur globalen Erwärmung sei gering, da das Land laut Climate Watch nur 0,54 Prozent der weltweiten Treibhausgase verursacht.

Kritiker der beschleunigten Energiewende argumentieren, dass in einem Land wie Kolumbien, das durch soziale Probleme wie Ungleichheit und Armut belastet ist, die Energiewende nur in Verbindung mit der wirtschaftlichen Entwicklung erfolgen könne. Auf dem Weg zur Emissionsreduzierung und zum Umweltschutz müsse die differenzierte Verantwortung der Länder für die Umweltbelastungen berücksichtigt werden, so Otero. Dieses Kriterium wurde indes in den entsprechenden Gremien der UNO bereits anerkannt.

Sara Osorio, Wissenschaftlerin beim Centro de Estudios del Trabajo, ist der Ansicht, dass die Energiewende in Kolumbien nicht als eine Entscheidung zwischen Öl und Tourismus gesehen werden sollte. Die Komplementarität zwischen diesen Sektoren könne wirtschaftliche Stabilität gewährleisten und gleichzeitig dazu beitragen, Emissionen zu reduzieren und natürliche Ressourcen zu erhalten.