Landesweite Demonstrationen und Streiks sollen Regierung in Chile unter Druck setzen

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Der Gewerkschaftsverband CUT hatte zu landesweiten Protesten aufgerufen
Der Gewerkschaftsverband CUT hatte zu landesweiten Protesten aufgerufen

Santiago. Der größte chilenische Gewerkschaftsbund Central Unitaria de Trabajadores (CUT) hatte für den 11. April zu landesweiten Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen aufgerufen. Ziel war es, einem breiten Forderungskatalog Nachdruck zu verleihen. Unterstützt wurde er von einer Vielzahl sozialer Organisationen und Bewegungen.

Es kam zu Arbeitsniederlegungen vor allem im staatlichen Schul- und Gesundheitswesen. Streiks im produzierenden Gewerbe oder öffentlichen Nahverkehr gab es nicht und waren auch nicht vorgesehen. Vielmehr wurde auf Protestaktionen in 25 Städten orientiert, an denen sich Tausende beteiligten.

Der CUT-Vorsitzende David Acuña erklärte dazu, es gebe eine rechte Opposition im Parlament, die keinerlei Fortschritte zulasse und ein Unternehmertum, das sich weitgehend allen gewerkschaftlichen Forderungen verschließe. Er erinnerte auch an Gespräche mit Präsident Gabriel Boric im Februar, wo diesem erklärt wurde, dass die Regierung bei der Erfüllung sozialer Forderungen im Rückstand sei.

Diese Forderungen sind in einem elf Punkte umfassenden Manifest unter der Losung "Eine gesellschaftliche Mehrheit, die den politischen Stillstand und die Blockade der Wirtschaft durchbricht" enthalten.

Mit dem sozialen Manifest und dem Aktionstag werden gewerkschaftliche und soziale Bewegungen für gemeinsame Interessen zusammengebracht. Neben Gewerkschaften gehören landesweite Studentenvertretungen, Organisationen der Klein- und Mittelbetriebe, Benutzer des öffentlichen Gesundheitswesens sowie Vereinigungen von Wohnungssuchende zu den Unterzeichnern.

Im Einzelnen geht es um folgende Forderungen:

- Löhne und Mindestlöhne müssten über dem Existenzminimum liegen, das heute bei etwa 630.000 Pesos (rund 615 Euro) liegt.

- Berufliche Weiterbildung und offensive Arbeitsbeschaffungsprogramme im Staatssektor werden eingefordert.

- Die Privatwirtschaft solle zu produktiven Investitionen veranlasst werden. Gefordert wird eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, die den Klein- und Mittelbetrieben einen gesicherten Platz in der Ökonomie des Landes sichert, da das neoliberale Modell für sie nie funktioniert hat. Eine langfristige, umweltverträgliche, dezentrale und moderne Industrialisierung sei nötig, um sichere Arbeitsplätze und Löhne zu schaffen.

- Eine weitergehende Steuerreform sowie eine Rentenreform, die eine ausreichende Altersversorgung müssten garantiert werden

- Gewerkschaftliche Tarifverhandlungen sollten auf Branchenebene möglich und gewerkschaftliche Rechte besser gesetzlich abgesichert sein.

- Die Staatsangestellten seien in den letzten Jahren Leidtragende der Sparhaushalte gewesen. Ihre Forderungen müssten besser berücksichtigt werden.

- Die Studentenorganisationen fordern den Ausbau und die Reform des öffentlichen Bildungswesens.

- Die Wohnungsuchenden der Organisation "Sin Casa" fordern zusammen mit Anderen einen Dialog mit der Regierung zur Lösung der Wohnungsfrage unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen des jeweiligen Gebietes. Es werden ein staatliches Bodenkataster sowie erschwingliche Kredite und zügige Vergabe durch die Staatsbank verlangt.

- Das öffentliche Gesundheitswesen müsse ausgebaut und strukturell reformiert werden. Dies beinhalte eine Verbesserung der Gehälter der dort Arbeitenden sowie gesicherte berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Konkrete Maßnahmen werden verlangt, um mit den Wartelisten Schluss zu machen, wo Patienten oft jahrelang auf Behandlung warten.

- Angesichts der steigenden Gewalt und Kriminalität müsse ein nationaler Plan der öffentlichen Sicherheit erarbeitet werden. Die Polizei solle verstärkt und besser ausgerüstet werden. Zusammen mit den Anwohnern und sozialen Organisationen müssten schnelle Lösungen für die am meisten betroffenen Stadtviertel gefunden werden.

- Der öffentliche Nahverkehr müsse im Sinne der Beschäftigten und Benutzer nachhaltig geregelt und ausgebaut werden.

Viele Forderungen wurden schon während der sozialen Proteste im Jahr 2019 erhoben und fanden ihren Niederschlag in einem Verfassungsentwurf, der jedoch im Referendum vom September 2022 abgelehnt wurde.

Der Druck, den Gewerkschaften und soziale Bewegungen jetzt in einem ersten Aktionstag aufbauen wollten, hatte im März ein parlamentarisches Vorspiel.

Der kommunistische Senator Daniel Núñez hatte von der Regierung verlangt, zu sozialem Protest aufzurufen, um den geplanten Reformen Nachdruck zu verleihen. Regierung und rechte Opposition lehnten das zum Teil scharf ab, während aus den Reihen der Sozialistischen Partei und der Partei Demokratische Revolution, die dem Regierungsbündnis angehört, Zustimmung kam.