Eröffnung neuer Gaspipeline in Argentinien weckt Hoffnung und Kritik

Pipeline versorgt vor allem die Wirtschaftszentren. Rechte Opposition kritisiert Kosten des Baus. Mapuche stellen Umweltschäden durch Gasgewinnung fest

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Fernández und Kirchner bei Eröffnung
Präsident Alberto Fernández mit Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner bei Eröffnung der Gaspipeline am 9. Juli in Salliqueló

Buenos Aires/Salliqueló. Die argentinische Regierung hat das erste Teilstück der neuen Gaspipeline "Néstor Kirchner" eröffnet. Sie soll künftig Gasvorkommen aus der Andenprovinz Neuquén in die wirtschaftlichen Zentren befördern und wesentlich zur Energieautarkie des Landes beitragen. Das nun eröffnete Teilstück ist 573 Kilometer lang, kostete rund 2,5 Milliarden US-Dollar und wurde innerhalb von zehn Monaten fertiggestellt.

Am 9. Juli, dem Jahrestag der argentinischen Unabhängigkeit, erklärte Staatspräsident Alberto Fernández in der Ortschaft Saliquelló in der Provinz Buenos Aires: "Es ist die Industrie, die den Fortschritt der Nationen ermöglicht." Es gebe keine Entwicklung ohne die Präsenz des Staates, der dafür sorge, dass "die notwendigen politischen Maßnahmen dort gesetzt werden, wo der freie Markt keine Gewinnperspektiven bietet".

Die bei der Eröffnung ebenfalls anwesende Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wies darauf hin, dass die Planungen für die Pipeline bereits 2015 abgeschlossen waren, die Umsetzung jedoch in der Folge von der Regierung des konservativen Staatspräsidenten Mauricio Macri (2015–2019) verschleppt wurde. Die Gaspipeline ist nach ihrem 2010 verstorbenen Ehemann und ehemaligen Präsidenten Néstor Kirchner (2003-2007) benannt. 

Der aktuelle Wirtschaftsminister und peronistische Präsidentschaftskandidat Sergio Massa informierte darüber, dass das zweite Teilstück ab September gebaut werden soll. Damit werde es möglich, die gesamte Küstenregion mit Gas zu versorgen und dieses über den Süden Brasiliens auch zu exportieren. Dies würde dazu beitragen, dass Elektrizität billiger, kleine und mittlere Betriebe wettbewerbsfähiger und abgelegene Provinzen wie Corrientes oder Misiones erstmals mit Erdgas versorgt würden.

Kritik kam aus dem Lager der konservativen Opposition. Ex-Präsident Mauricio Macri widersprach in einem Tweet den Aussagen der Regierung und schob dieser die Schuld für die Verzögerung bei der Errichtung der Pipeline zu. Dies hätte Argentinien mehr als fünf Milliarden US-Dollar gekostet, so Macri. Der Bürgermeister von Buenos Aires und Präsidentschaftskandidat für das rechte Bündnis Juntos por el Cambio, Horacio Rodríguez Larreta, schloss sich der Kritik seines Parteikollegen an: "Der Bau verzögerte sich, wurde teurer und wird jetzt vom Kirchner-Lager politisch instrumentalisiert".

Der peronistische Vorsitzende des Ministerkabinetts, Augustín Rossi, konterte wiederum, indem er vorrechnete, dass Argentinien acht Milliarden US-Dollar gespart sowie Pandemie, Ukrainekrieg und Dürrekatastrophen besser überstanden hätte, wenn die Ausschreibungen für den Bau nicht von der Vorgängerregierung verzögert worden wären.

Während sich peronistische Regierung und rechte Opposition darüber streiten, wer für die Verzögerungen bei der Umsetzung verantwortlich ist, kommt von anderer Seite grundsätzliche Kritik an dem Projekt. Die Konföderation der Mapuche-Gemeinden in Neuquén befürchtet vermehrte Umweltschäden und soziale Verwerfungen durch den Ausbau fossiler Energien. Die Pipeline "Néstor Kirchner" wird aus riesigen Gas- und Ölvorkommen in dem Gebiet Vaca Muerta in der Provinz Neuquén gespeist.

Die Gasgewinnung erfolgt dabei mittels der umstrittenen Technologie des Frackings, welche bereits zu starker Umweltverschmutzung in dem Gebiet geführt hätte. Zudem wären seit Beginn der Gasgewinnung mehr als 400 Erdbeben in der Region registriert worden, in der es zuvor kaum seismische Aktivitäten gegeben hätte. Die indigenen Gemeinden fordern daher von den Regierenden Lösungen für die Auswirkungen der Gasgewinnung auf ihr Gemeindeleben, die von ihr praktizierte Viehwirtschaft, die Beeinträchtigung ihrer Kultstätten sowie die Zerstörung ihrer Identität durch die Zuwanderung Tausender auswärtiger Personen.

Martín Álvarez Mullally von der Beobachtungsstelle Observatorio Petrolero Sur kritisiert ebenfalls die Energiepolitik Argentiniens, die derzeit zu mehr als 90 Prozent auf fossilen Energieträgern beruhe und keine Maßnahmen setze, um diese zu reduzieren. Zudem äußert er Zweifel an dem Versprechen zunehmender Energieautarkie. Das Fracking bedarf eines massiven technologischen Einsatzes, welcher durch ausländische Unternehmen bereitgestellt wird. Diese würden so Milliarden von US-Dollar aus dem Land befördern.

Neben dem Ausbau der Gasversorgung plant die argentinische Regierung weitere energiepolitische Großprojekte wie ein Staukraftwerk in Patagonien, das dritte Kernkraftwerk Atucha sowie den Abbau und die Raffinierung von Lithium im Norden des Landes (amerika21 berichtete). Möglich wird dies vor allem durch die Ausweitung der bilateralen Handelsbeziehungen zu China, die chinesische Kredite in Milliardenhöhe sowie seit Juni auch die Begleichung von Zahlungen in Yuan ermöglichen.