Guatemala: "Uns bleibt wieder nur die Straße"

Landesweite Proteste gegen drohenden Ausschluss des linken Kandidatenduos bei der Präsidentschaftswahl. Hauptverbindungsstraßen blockiert. Zunehmende Solidarität im Land und international

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Protest vor der Handelskammer: "Nein zum Betrug"
Protest vor der Handelskammer: "Nein zum Betrug"

Guatemala-Stadt. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche haben einige tausend Sympathisanten der linken Partei "Bewegung für die Befreiung der Völker" (MLP) gegen den Ausschluss ihrer Kandidaten Thelma Cabrera und Jordán Rodas für die Präsidentschaftswahlen am 25. Juni demonstriert. Am vergangenen Dienstag blockierten sie für Stunden an mindestens 16 Punkten im Land wichtige Verbindungsstraßen. Die Polizei war dabei meist mit Großaufgeboten präsent.

Die Interamericana wurde am wichtigen Verkehrsknotenpunkt Cuatro Caminos und am "Gipfel von Alaska", einem rund 3.000 Meter hoch gelegenen Streckenabschnitt im Departamento Totonicapán blockiert, in El Progreso die Verbindungsstraße von der Hauptstadt an den Atlantik.

Bereits am 16. Februar hatten es ähnliche Aktionen gegeben, achtzehn Verkehrsknotenpunkte wurden blockiert, sieben hatten laut Medienberichten über mehrere Stunden bestand.

In der Hauptstadt hatten rund 50 Aktivisten die von einem Privatunternehmen betriebene Zollabfertigung am internationalen Flughafen La Aurora blockiert, schnell stauten sich Fahrzeuge von Speditionen und privaten Postzustellern vor dem Betrieb. Nach zwei Stunden wurde die Blockade durch die Polizei beendet. Am 21.Februar protestierten Aktivisten mit Schildern "Nein zum Betrug" vor dem Gebäude der Industriekammer.

Mit beiden Aktionen sollten die "Unternehmen der Oligarchie, die hinter dem Wahlbetrug stehen, in den Fokus gebracht werden", erklärte ein Aktivist gegenüber amerika21.

Offiziell rufen die Landarbeiterorganisation Komitee für bäuerliche Entwicklung (Codeca) und die MLP nicht zu den Protesten auf, unterstützen sie aber.

Jordán Rodas sagte, es handele sich bei den Protesten nicht um Blockaden, die einzige Blockade sei der Ausschluss der Kandidatur.

Aktivisten äußerten gegenüber amerika21, die Gründung der MLP sei gerade erfolgt, weil kritisiert wurde, "Codeca sei nur dagegen und blockiere Straßen". Nach der Entscheidung des Wahlgerichtes bleibe "wieder nur die Straße."

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Blockade vor dem Zoll am 16. Februar: "Von den Mafias übernommene Gerichte. Es bleiben nur die Straßen"
Blockade vor dem Zoll am 16. Februar: "Von den Mafias übernommene Gerichte. Es bleiben nur die Straßen"

Das Kandidatenduo Cabrera/Rodas war Ende Dezember auf der zentralen Versammlung der MLP gewählt worden. Cabrera ist langjährige Codeca-Aktivistin. Die MLP wurde 2018 gegründet und versteht sich als politisches Instrument der Landarbeiterorganisation. 2019 nahm die Partei erstmals an den Wahlen teil und konnte mit Cabrera als Präsidentschaftskandidatin mit dem vierten Platz einen überraschenden Erfolg verbuchen.

Rodas war bis August 2022 Menschenrechtsobman und musste wenige Stunden vor Ablauf seiner Amtszeit nach Drohungen aus dem Umfeld der ultrarechten "Stiftung gegen den Terrorismus" das Land verlassen.

Ende Januar lehnte das Wahlgericht TSE die Kandidatur des Duos Cabrera/Rodas ab, die Plenarsitzung der Richter des TSE bestätigte die Entscheidung wenige Tage später.

Hintergrund ist eine Beschwerde des Amtsnachfolgers von Rodas. Diese betrifft das "Finiquito" von Rodas, das Personen ausgestellt wird, die öffentliche Ämter bekleiden und die korrekte Verwendung staatlicher Gelder bescheinigt.

Eine entsprechende Anweisung des Richterplenums des TSE an das Bürgerregister, die "Authentizität, Gültigkeit und Legitimität" des "Finiquito" der Kandidaten zu überprüfen, war kurz vor der offiziellen Einschreibung der Kandidatur Rodas' herausgegeben worden. Dies geht aus einem publik gewordenes Schreiben hervor, dessen Echtheit jetzt bestätigt wurde. Veröffentlicht hatte es der frühere und mittlerweile ins Exil gedrängte Staatsanwalt Juan Fransisco Sandoval.

"Allerdings macht das TSE keine konkreten Aussagen dazu, was Rodas eigentlich vorgeworfen wird, es sagt nur, es läge eine Beschwerde vor", bemängelt der Rechtsanwalt der MLP, Gustavo Maldonado gegenüber amerika21. "Juristisch gesehen müsste die Kandidatur zugelassen werden, politisch habe ich aufgrund der Situation im Land meine Zweifel, obwohl wir alle rechtlichen Schritte gehen werden".

Bleibt die Ablehnung der Kandidatur von Rodas bestehen, wird die MLP ohne Präsidentschaftskandidaten in die Wahlen gehen, bei denen auch das Parlament und die Bürgermeister gewählt werden.

Die politischen Parteien müssen laut Gesetz mit Kandidaten für beide Ämter antreten und registriert werden. Den theoretisch möglichen Weg der Wahl eines neuen Vizepräsidentschaftskandidaten schließen Codeca und die MLP aus. "Wir würden damit das Spiel des Betruges und des Ausschlusses mitspielen, es handelt sich um eine politisch motivierte Entscheidung" erklärt Codeca-Generalkoordinator Mauro Vay gegenüber amerika21.

Thelma Cabrera ergänzt: "Ich werde mich in den Wahlkampf einbringen. Wenn dies als Präsidentschaftskandidatin nicht möglich ist, werde ich zur Wahl unser Kandidaten als Abgeordnete und Bürgermeister aufrufen. Die MLP ist ein politisches Projekt, keine klassische politische Partei, die nur auf die Wahlen blickt. Unser Ziel sind grundlegende Veränderungen und eine Neugründung Guatemalas, daran halten wir fest, ob wir nun an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen können oder nicht".

Derweil wächst national und international die Solidarität mit der MLP. Ihr Generalsekretär Cirilo Pérez sprach gegenüber amerika21 von einer "Welle der Solidarität aus Guatemala, den USA, Lateinamerika und Europa".