Wahlen in Bolivien 2020

Am 18. Oktober finden nach mehrfacher Verschiebung erstmals wieder Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seit dem Putsch gegen Präsident Evo Morales statt.

Wahl von Bolivianern im Ausland scheint gut zu verlaufen

Während die Wahllokale in Bolivien noch knappe zwei Stunden bis 17 Uhr Ortszeit geöffnet haben, haben die meisten Bolivianer im Ausland ihre Stimme bereits abgegeben. In Argentinien leben über 140.000 Bolivianer, dies entspricht rund einem Drittel aller Stimmberechtigen im Ausland. 

Nachdem es vor einigen Tagen noch Sorgen gegeben hatte (amerika21 berichtete), dass in der Wahlapp YoParticipo nicht rechtzeitig die Wahldaten aktualisiert werden, scheint sich zumindest in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires der Wahltag heute gut zu entwickeln. El Deber berichtet von bereits 40 Prozent der Wahlberechtigten, die ihre Stimme abgegen hätten. Zu mehr Problemen käme es in den Provinzen, wo teils kurzfristig die Informationen zu den Wahllokalen geändert worden wären.

Der ehemalige Botschafter Boliviens in Argentinien, Ademar Valdar, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Prensa Latina, die linke MAS habe im südamerikanischen Ausland traditionell rund 60 Prozent der Stimmen erhalten, in Argentinien seien es sogar stets zwischen 70 und 90 Prozent gewesen.

Führer des rechtsaußen Bürgerkommites von Santa Cruz erklärt Urnengang bereits für "unrechtmäßig"

Der Politiker Rómulo Calvo aus dem Lager des ultrarechten Präsidentschaftskandidaten Luis Fernando Camacho hat bereits vor Schließung der Wahllokale den Urnengang als "unrechtmäßig" bezeichnet und geäußert, dass das Wahlgericht (TSE) die Bewegung zum Sozialismus (MAS) zu den Wahlen gar nicht hätte zulassen dürfen.

Die von der OAS und EU 2019 beanstandeten Punkte seien nicht geklärt worden. Mit der Zulassung der MAS-Kandidaten würde das TSE "gegen das demokratische Recht aller Bolivianer vorzugehen". Auch Camacho selbst erklärte bei seiner Stimmabgabe, er habe wenig Vertrauen in das TSE, "aber ich habe viel Hoffnung in Gott".

Wahltag in Santa Cruz verläuft bislang ruhig

Ein Repräsentant der MAS zur Wahlbeobachtung im Barrio El Fuerte in Santa Cruz berichtet gegenüber amerika21 von einem ruhigen Verlauf des Wahltages in seinem Wahllokal. Dort hätte bei den letzten Wahlen immer die MAS die Mehrzahl der Stimmen geholt. Dies ist für Santa Cruz sehr ungewöhnlich.

Es gebe auch keinerlei Probleme mit den Repräsentanten der anderen Parteien, die ebenfalls mit an den Wahltischen sitzen und den Ablauf der Wahl beobachten.

Zwar werden in Santa Cruz aller Voraussicht nach die meisten Wähler für Comunidad Ciudadana (CC) mit Kandidat Carlos Mesa und vor allem für Creemos mit Fernando Camacho stimmen, jedoch hat unser Autor Andreas Hetzer auch einige Stimmen bei Wählern von CC einholen können, die befürchten, dass es schon heute für den linken Kandidaten Luis Arce zum Sieg reichen könnte: Die Mehrzahl der Bundestaaten, mit Ausnahme von Santa Cruz und Tarija, könnte von der MAS gewonnen werden.

Die "Doppelmoral" der OAS in Bolivien

Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina berichtet heute von Kritik von Wählern und Analysten an der "Doppelmoral" der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bezüglich des Verzichts auf Verbreitung vorläufiger Ergebnisse. Dies hatte das bolivianische Wahlgericht (TSE) gestern entschieden. Die OAS unterstütze diese kurzfristige Änderung des Prozedere und halte es nun für unnötig, vorläufige Informationen der Stimmenzählung bereitzustellen.

2019 hätte die US-freundliche Regionalorganisation normale Auszählungsverzögerungen, die der Geografie des Landes und unterschiedlicher Infrastruktur geschuldet sind, dazu genutzt, die Wahlen als betrügerisch zu bezeichnen.

Die Absage der Schnellauszählung vermeide nun, die gleichen technischen Verläufe zu reproduzieren, die das damalige Verdikt der OAS erneut auf den Prüfstand stellen würden.

Seither bestätigten Studien des Zentrums für wirtschaftliche und politische Forschung (CEPR), des Massachusetts Institute of Technology (MIT), der Universitäten von Pennsylvania, Tulane und Michigan sowie der New York Times die Haltlosigkeit des damaligen OAS-Urteils.

Kaum Wahlwerbung der MAS in Santa Cruz

Der Eindruck unseres Autors Andreas Hetzer aus Santa Cruz ist bezüglich der Wählerschaft und der Wahlwerbung recht eindeutig: "Ich habe bis heute noch keine größere Wahlwerbung der MAS gesehen. Es ist alles voll mit Creemos, der Partei des ultrarechten Lokalhelden Camacho. Auch Werbung der Comunidad Ciudadana von Carlos Mesa gibt es immer wieder. Ich werde aber heute Nachmittag weiter unterwegs sein und dann auch sicher noch ein paar MAS-Wähler für ein Gespräch gewinnen können."

Neue Impressionen vom Wahltag in Bolivien

Unser Autor Andreas Hetzer ist weiter fleißig in Santa Cruz unterwegs und sammelt für uns Eindrücke und Stimmen.

Man merke deutlich, dass in Santa Cruz die Wahl vor allem zwischen Camacho und Mesa fällt. MAS-Wähler gibt es hier traditionell wenige. Aber er gibt die Suche noch nicht auf...

Die Bildergalerie haben wir mit neuesten Fotos aktualisiert: Bildergalerie zur Wahl in Bolivien

Lange Warteschlangen vor Wahllokalen in La Paz

In der Hauptstadt La Paz bilden sich lange Warteschlangen vor den Wahllokalen. Auf dem Bild unseres Korrespondenten, Cristian Farias, sieht man einen Teil einer Schlange von Menschen vor dem Wahllokal im Colegio Herschell in Obrajes, die den Plaza de la Loba im Süden der Hauptstadt einmal komplett umrundet.

Eigentlich wollte man ausreichend Wahllokale öffnen, um ein langes Warten in Zeiten der Corona-Pandemie zu verhindern. Aber auch in den sozialen Netzwerken findet man sehr viele Bilder von wartenden Menschen.

MAS-Kandidat Arce kritisiert bei Stimmabgabe Suspendierung der Schnellauszählung

Der bei der Wahl gemäß der letzten Umfragen klar favorisierte Präsidenschaftskandidat der Bewegung zum Sozialismus (MAS), Luis Arce, hat in der Hauptstadt La Paz seine Stimme abgegeben.

Er kritisierte dabei die gestern Abend erst erfolgte Suspendierung der Schnellauszählung: "Sie hatten mehr Zeit als jedes andere Gericht, genug Zeit, um Tests durchzuführen", so Arce. Die MAS hätte die fehlende Transparenz des Auszählungsystems schon seit langem kritisiert.

Nachdem das Oberste Wahlgericht die Schnellauszählung gestern ausgesetzt hatte, werden die ersten Ergebnisse der Wahl frühestens am Montag, vielleicht sogar erst am Mittwoch erwartet. Prognosen über die Ergebnisse könnte es aber trotzdem bereits am frühen Morgen deutscher Zeit geben.

Ist Verzicht der EU auf effektive Wahlbeobachtung demonstratives Wegschauen?

Unter Berufung auf Covid-19-Gefahren hat die Europäische Union ihre auf ursprünglich 100 Personen geplante Delegation auf "fünf bis sechs" reduziert.

Italienische Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sowie aus Politik, Wissenschaft und der Medienwelt richteten daraufhin Anfang Oktober einen Appell an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und an das EU-Parlament. Darin forderten sie, dass nicht nur wenige Fachkräfte, sondern eine vollständige Beobachterkommission nach Bolivien gesendet hätte werden müssen. Dem kam Borrell jedoch nicht nach.

Das Lithium weckt Begehrlichkeiten, auf die Wahlen Einfluss zu nehmen

Aus internationaler Sicht dürfte der Ausgang der Wahlen richtungsweisend für den Zugang zum bolivianischen Lithium sein. In Bolivien liegen die größten bekannten Vorkommen des für E-Auto-Batterien wichtigen Alkali-Metalls. US-Unternehmer und Tesla-Chef Elon Musk drückte im Juli seine Prioritäten in dieser Hinsicht aus, auch Deutschland will beim Lithium-Abbau mitmischen. Lediglich die MAS gibt in ihrem Wahlprogramm hinsichtlich der Rohstoffe der nationalen Souveränität den Vorrang.

Frühstück mit dem Vizepräsidenten der Partei von Carlos Mesa

Bei einem Frühstück mit Journalisten im Haus von Gustavo Pedraza, dem Vize-Präsidenten der Allianz Comunidad Ciudadana (CC) von Präsidentschaftskandidat Carlos Mesa, konnte unser Autor Andreas Hetzer einige Wort mit dem Politiker wechseln:

Bei der CC sei man zunächst zwar etwas besorgt gewesen, dass es zu keiner Schnellauszählung kommen werde, "zumindest am Anfang".

Da aber auch internationale Wahlbeobachter für die Aussetzung plädierten, entschied die CC laut Pedraza, "die Suspendierung mitzutragen". Besser sei es abzuwarten, bis valide Ergebnisse vorlägen. Man wolle mit einem Sieg "die demokratischen Institutionen wiederherstellen und die Wirtschaftskrise lösen".

Der CC-Kandidat Mesa lag bei den letzten Umfragen auf dem zweiten Platz. Auf seine Stimmenanzahl wird es heute ankommen. Sollte er mehr als zehn Prozentpunkte hinter dem linken Kandidaten Luis Arce zurückliegen, wenn dieser wiederum mindestens 40 Prozent der Stimmen erhält, könnte Arce schon nach dem ersten Wahlgang der Wahlsieger sein.

Bringen bolivianische Behörden internationale Wahlbeobachter in Gefahr?

Wie gestern bereits im Ticker berichtet, haben sowohl argentinische als auch spanische Abgeordnete, die als Wahlbeobachterdelegation nach Bolivien gereist sind, Probleme mit den bolivianischen Behörden bekommen.

Im Fall des Argentiniers Federico Fagioli war der Innenminister der De-facto-Regierung, Arturo Murillo, gestern darum bemüht, die Verantwortung für die vorübergehende Festnahme der argentinischen Delegation zuzuschieben. Sie seien als Touristen eingereist und deswegen abgewiesen worden.

Jedoch postete Leonardo Grosso, ebenfalls Mitglied der Delegation, kurze Zeit später ein Foto, auf dem die vier Abgeordneten ihre offiziellen Akkreditierungen zeigen. Fagioli war zunächst festgenommen, nach ein paar Stunden aber wieder freigekommen.

Murillo hatte im Laufe der Woche immer wieder Ausländern gedroht, sollten sie Chaos stiften wollen, nicht ins Land gelassen zu werden und ins Gefängnis zu kommen.

Auch die spanischen Wahlbeobachter sahen sich Schikanen der Behörden ausgesetzt. So veröffentlichte das Nachrichtenportal "Okidiario" Bilder der Ausweise der Delegation, die von den bolivianischen Behörden bei der Einreise gemacht wurden.

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Erste Schlangen vor den Wahllokalen in Santa Cruz

In Santa Cruz braucht man heute eine Sondergenehmigung, um durch die Stadt fahren zu dürfen.

Da auch keine Taxis erlaubt sind, konnte unser Autor Andreas Hetzer ein Stück mit einem Fahrzeug mitfahren, das auf die Allianz Communidad Ciudadana (CC) des Präsidentschaftskandidaten Carlos Mesa zugelassen ist.

Dabei nahm er das Foto eines Wahllokals in der Avenida Roca und Coronado auf. Dort bildete sich bereits um 7:30 Uhr eine Schlange von Wählern.

Kein Wahlrecht für Evo Morales

Boliviens gestürzter Ex-Präsident Evo Morales, der in Argentinien im Aysl lebt, darf sein Stimmrecht nicht ausüben. Dies gab das Pressebüro der MAS-Wahlkampfleitung am Samstag bekannt, wie die bolivianische Zeitung La Razon berichtet. Demnach sei Morales "aus politischen Gründen" von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden und habe sich daher in Buenos Aires nicht für die Stimmabgabe registieren lassen können. Er werde die Wahlen von seinem Wohnort in Argentiniens Hauptstadt aus verfolgen und "das bolivianische Volk mit seinen Gedanken und seinem Herzen begleiten."

Heute früh richtete sich Morales, der auch Leiter der Wahlkampagne der MAS war, über den Kurznachrichtendienst Twitter an die Wählerschaft: "Schwestern und Brüder: Wir rufen euch dazu auf, euer Wahlrecht friedlich auszuüben, wie es schon immer die Tradition des bolivianischen Volkes war und ist, um den Wahltag zu einem demokratischen Fest zu machen."