Kolumbien / Politik

Kolumbien vor der Wahl

Parapolitik holt Uribe ein. Vorladung wegen Abhörskandal. Armeechef tritt zurück

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Kolumbien vor der Wahl
Ehemaliger Verteidigungsminister Kolumbiens Manuel Santos

Bogotá. In Kolumbien werden heute die letzten Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahlen am morgigen Sonntag abgeschlossen. Umfrage-Institute sagen ein knappes Rennen zwischen dem ehemaligen Verteidigungsminister Santos und dem Grünen-Kandidaten Mockus voraus. Da bisher niemand davon ausgeht, dass einer der Kandidaten im ersten Wahlgang über 50 Prozent gewinnt, stellen sich alle Beteiligten auf eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kandidaten am 20. Juni ein. Aber auch bei einer solchen Entscheidung liegen Santos und Mockus allen Prognosen zufolge bisher gleichauf. Allerdings hat der Grüne Mockus eine in der kolumbianischen Geschichte einmalige Aufholjagd gewonnen. Er verbesserte sich von 12 Prozent im Januar auf gegenwärtig 35 Prozent. Die Gründe für diesen Stimmenzuwachs sind auch in den sicherheitspolitischen Skandalen der Regierung Uribe zu suchen, als dessen Kronprinz Manuel Santos gilt.

In der vergangenen Woche erreichte die Debatte um die skandalöse Menschenrechtssituation im Land den scheidenden Präsidenten Álvaro Uribe. Am Dienstag veröffentlichte die Washington Post Aussagen eines ehemaligen Polizeioffiziers, nach denen der jüngere Bruder des Präsidenten, Santiago Uribe, verantwortlich für die Organisierung von Paramilitärs in den 1990er Jahren war. Die Polizei sei bestochen worden, um die Aktivitäten der Bande Die zwölf Apostel in der Region Antoquia zu decken. Der Gruppe werden über 50 Morde in einer Gegend angelastet, in welcher der Großgrundbesitz der Uribe-Familie liegt. Zum Zeitpunkt der Geschehnisse war Álvaro Uribe Gouverneur des betreffenden Bundesstaates.

Während die Generalstaatsanwaltschaft ankündigte, dass sie den Zeugen in Argentinien vernehmen wolle, wiesen die Uribe-Brüder die Vorwürfe weit von sich und sprachen von einer "aus Venezuela gesteuerten Kampagne". Doch schon am Donnerstag veröffentlichte die Staatsanwaltschaft ihre Absicht, den Präsidenten in einer weiteren Angelegenheit zu verhören: Spätestens seit dem Jahr 2005 überwachte der Geheimdienst DAS in Kolumbien tausende Oppositionelle, Gewerkschafter, Journalisten und Menschenrechtler. Ergebnisse der Bespitzelung nutzte der Sicherheitsdienst einerseits für Schmutzkampagnen gegen die Betroffenen - unter ihnen auch Richter des Obersten Gerichtshofes. Außerdem war Material aus den illegalen Überwachungen an paramilitärische Gruppen übergeben worden, Opfer der Überwachung wurden bedroht und ermordet.

Unterdessen trat am Mittwoch der Chef der Streitkräfte, General Freddy Padilla de León, zurück. Verteidigungsminister Gabriel Silva - in diesem Amt Nachfolger von Kandidat Manuel Santos - deutete gegenüber der kolumbianischen Presse einen Zusammenhang mit dem Skandal der "falsos positivos" (gefälschten Belege) an. Wie in diesem Jahr bekannt wurde, hatten Teile des Militärs jahrelang unbeteiligte junge Männer ermordet und als gefallene Guerilleros ausgegeben. Für deren Tod kassierten Offiziere und Soldaten Vergünstigungen und Prämien. Ausgangspunkt für diese massenhaften Verbrechen - gegenwärtig untersucht die Staatsanwaltschaft etwa 2000 Fälle - war ein Erlass über ein entsprechendes "Anreizsystem" durch den damaligen Verteidigungsminister und heutigen Kandidaten Manuel Santos.

Antanas Mockus kann nun davon profitieren, dass er als politischer Außenseiter nicht mit Uribes Politik der "demokratischen Sicherheit" in Verbindung steht. In einer Talk-Runde aller Kandidaten signalisierte er jedoch, dass er bei Uribe zwar eine moralische, nicht jedoch eine strafrechtliche Verantwortung sehe. Ein ernsthafter Bruch mit der bisherigen Politik des Uribe-Regimes wird auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht nicht zu erwarten sein. Mockus ist zwar berühmt für seine unkonventionellen Politikformen, inhaltlich gilt er jedoch als konservativ und wirtschaftspolitisch liberal. Nicht umsonst besteht seit dem Jahr 2002 ein taktisches Bündnis zwischen Mockus und der konservativen Kandidatin Noemí Sanín. Alleine die selbstständige Kandidatur der konservativen Politikerin kostet Manuel Santos etwa 12 Prozent der Stimmen, die ihm aus dem konservativen Lager sonst zufallen würden. Bei einer Stichwahl zwischen zwei gleich starken Kandidaten wird Saníns Votum im Juni eine entscheidende Rolle spielen.


Bild: Wikipedia