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Unternehmen vor Gericht

Berichte von "Enlazando Alternativas 4": Politik von Konzernen der EU wurde vor einem "Tribunal der Völker" verhandelt

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Unternehmen vor Gericht
Sitzung des Tribunals der Völker

Madrid. Zwei Tage lang haben Vertreter sozialer Bewegungen und internationale Persönlichkeiten im Rahmen des Alternativgipfels "Enlazando Alternativas 4" in Madrid über die Aktivitäten transnationaler Konzerne in Lateinamerika befunden. Vor einem so genannten Tribunal der Völker wurden 27 Fälle verhandelt. In fast allen dieser Fälle erging ein - wenn auch symbolisches - Urteil wegen Verursachung von Umweltschäden oder Menschenrechtsverletzungen.

Auf der Anklagebank saß bei dem Tribunal auch das neoliberale Modell, da in diesem - so die Richter - "die Menschen nicht zählen" und "Verantwortung für Leben und Umwelt" missachtet werde. Ausdrücklich gewürdigt hingegen wurde von den Anwesenden der Mut der Zeugen, für die ihre öffentlichen Aussagen vor dem Tribunal gefährlich werden können.

Im Zentrum stand auch bei dem diesjährigen Tribunal wieder der Fall des deutschen Stahlkonzerns ThyssenKrupp in Brasilien. Das Unternehmen errichtet in der Nähe der Millionenstadt Rio de Janeiro das größte Stahlwerk Lateinamerikas, das ihm Profite bescheren soll und bereits jetzt tausenden ortsansässigen Fischern ihre Existenzgrundlage entzieht.

Einer dieser Fischer, der diesen Fall vor zwei Jahren vor das "Tribunal der Völker" in der peruanischen Hauptstadt Lima gebracht hatte, muss sich wegen massiver Todesdrohungen versteckt halten.

Ein weiterer deutscher Konzern, der in Madrid wieder angeklagt wurde, ist der Pharmariese Bayer. Vor zehn Jahren waren in Peru 25 Kinder gestorben, weil Bayer verbotene Pestizide verkauft hatte. Die Eltern klagten daraufhin vor peruanischen Gerichten. Dennoch ist es ihnen bislang nicht gelungen, Bayer zur Verantwortung zu ziehen.

Um weitere solcher negativen Folgen des neoliberalen Handels zu verhindern, sprachen die Vorsitzenden des "Tribunals der Völker" - allesamt international anerkannte Persönlichkeiten - mehrere Empfehlungen aus. Dazu gehören unter anderem:

  • Die UNO soll befähigt werden, die bestehenden Gesetze und die Prinzipien der UNO-Charta durchsetzen zu können;
  • Ein internationaler Gerichtshof für Wirtschaftsverbrechen soll eingerichtet werden;
  • Neoliberale Megaprojekte in Lateinamerika sollen bis auf Weiteres gestoppt werden;
  • Waldrodungen für Großplantagen für Agrartreibstoff sollen umgehend gestoppt werden;
  • Stopp der unkontrollierten Ölbohrungen im Regenwald.

An die Führung der Europäischen Union, die am heutigen Dienstag ihren offiziellen EU-Lateinamerika-Gipfel beginnt, ging die Ermahnung, das illegale Vorgehen von Konzernen nicht weiter zu weiter decken. Die Freihandelsverträge mit Zentralamerika, Kolumbien und Peru, die in Madrid unterzeichnet werden sollen, müssten ausgesetzt werden.


Bildquelle: flickr.com/photos/tni