Venezuela / Wirtschaft

Chávez erklärt Unternehmen den "Krieg"

Venezuelas Präsident unterstellt nationalen Unternehmerverbänden gezielte Destabilisierung und Spekulation. Weitere Verstaatlichungen möglich

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Chávez erklärt Unternehmen den "Krieg"
Chávez bei der TV-Ansprache

Caracas. In einer Fernsehansprache hat Venezuelas Staatschef Hugo Chávez Unternehmerverbände des südamerikanischen Landes für Versorgungsengpässe und Inflation verantwortlich gemacht. Der oppositionellen Unternehmerfamilie Mendoza, Mehrheitseignerin des multinationalen Getränke- und Lebensmittelkonzerns Polar, erklärte er in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache sinnbildlich den "Krieg".

Am Mittwoch berichteten venezolanische Medien über drei Container mit abgelaufenen Lebensmitteln im Hafen von Puerto Cabello. Wie sich später herausstellte, gehören die Waren, überwiegend Grundnahrungsmittel, dem staatlichen Lebensmittelmarkt PDVAL. Ob diese absichtlich zurückgehalten oder schlicht vergessen wurden - angesichts der Versorgungsknappheit bestimmter Waren sehen sowohl regierungsfreundliche als auch oppositionelle Medien in dem Vorfall ein Beispiel staatlicher Ineffizienz. Am selben Tag demonstrierten Arbeiter staatlicher Lebensmittelkonzerne gegen die Spekulation und Warenverknappung und machten dabei den Arbeitgeberverband Fedecámaras verantwortlich.

Ebenfalls am Mittwoch ging Präsident Chávez in einer Fernsehansprache gegen die nationalen Unternehmer in die Offensive. "Ich erkläre den Krieg gegen die Wirtschaft und rufe die Arbeiterinnen und Arbeiter des Landes zum Krieg gegen die Wirtschaft auf", erklärte er beim Besuch einer verstaatlichten Speiseölfabrik. Die öffentliche Kritik an der Ineffizienz der staatlichen Unternehmen wies er zurück, gestand jedoch ein, dass einige Unternehmen mit den "Erbkrankheiten des Kapitalismus" zu kämpfen hätten.

Vizepräsident Elías Haua, der sich am selben Tag mit Vertretern des Privatsektors getroffen hatte, drohte mit weiteren Teilverstaatlichungen von Unternehmen. "Wenn Unternehmen sich nicht an Gesetze halten, müssen wir sie verstaatlichen. Krieg ist Krieg". Unternehmen, die freiwillig einer staatlichen Beteiligung zustimmten, würden dafür mit Wachstum belohnt, sagte Elías Haua dem Fernsehsender VTV.

Chávez machte vor allem die Unternehmerfamilie Mendoza für gezielte Destabilisierung des Landes verantwortlich und drohte im Falle einer politischen Einflussnahme des Unternehmers Lorenzo Mendoza mit der Verstaatlichung der Polar-Gruppe, zu der neben dem größten Bierproduzenten des Landes (Cervezeria Polar) auch der multinationale Lebensmittelkonzern Alimentos Polar und der venezolanische Franchisenehmer von Pepsi gehört. Bereits am Sonntag hatte Chávez in seiner wöchentlichen Fernseh- und Radiosendung Aló Presidente angekündigt, die Brauereien des Konzerns in Fabriken für Speiseeis umzuwandeln, um - wie er sagte - nebenbei auch Bierbäuche und zu hohen Cholesterinspiegel zu verhindern.

Nachdem sich die venezolanische Wirtschaftskraft zwischen 2004 und 2008 verdoppelt hatte, leidet Venezuela seit 2009 unter hoher Inflation und Rezession. 5,8 Prozent büßte das venezolanische Bruttoinlandsprodukt allein im ersten Quartal 2010 im Vergleich zum Vorjahr ein. Nach Berechnungen der Zentralbank des Landes wird die Inflation auch dieses Jahr zwischen 25 und 30 Prozent betragen.

Neben der Krise der Weltwirtschaft, die Venezuela dieses Jahr härter trifft als etwa das Nachbarland Brasilien, mehrt sich Kritik an der Wirtschaftspolitik auch von ehemaligen Unterstützen der Regierung. Die Soziologin Margarita Lopéz Maya warf der Staatsführung in einem Kommentar unlängst "Unfähigkeit" und "Ineffizienz" vor. Das politische Projekt einer partizipativen Demokratie, zu der auch die Wirtschaft gehören sollte, ist ihrer Ansicht nach aus den Augen geraten. Chávez macht dafür vor allem die Spekulation verantwortlich. Am Mittwoch stellte er fest, dass immer dann die Preise steigen, wenn seine Regierung Lohnerhöhungen beschließt. Unterdessen will die Zentralbank des Landes am Freitag einen neues Wechselband einführen, um damit gegen den ausufernden illegalen Devisenhandel, Inflation und Kapitalflucht vorzugehen.


Bildquelle: abn.info.ve