Bolivien

Boliviens Landkarte weiter nach links verschoben

Regierungspartei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) gewinnt Regionalwahlen am Sonntag deutlich. Endergebnisse in zwei Wochen erwartet

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Boliviens Landkarte weiter nach links verschoben
Gute Stimmung: Präsident Morales (m.) mit Vizepräsident García Linera (l.) und dem gewählten Gouverneur von La Paz, Cesar Cocarico (r.)

La Paz. Ersten Hochrechnungen am Wahlabend zufolge stellt die Partei von Präsident Evo Morales erstmalig sechs der neun Departamento-Präfekten. Erstmals auch werden in den kommenden fünf Jahren drei von zehn Rathäusern der wichtigsten Städte des Landes von MAS-Polikern kontrolliert. Auch wenn die Regierungspartei in strategisch wichtigen Städten wie La Paz, Sucre, Oruro und Potosí verlor, konnte sie insgesamt über 200 von insgesamt 337 Bürgermeisterposten in kleinen Städten und auf dem Land für sich gewinnen.

In einer ersten Pressekonferenz am Sonntag zog Morales Bilanz. In jeder Wahl habe man bisher Zuwächse verzeichnen können. Bei der ersten Wahl 1997 nach der MAS-Gründung vor 15 Jahren wurden "3,9 Prozent, 2002 dann 20 Prozent, 2005 ganze 54 Prozent und 2009 schließlich mehr als 64 Prozent erreicht", unterstrich Morales die "historische Bedeutung" seiner Partei auf nationaler Ebene hervor. Die MAS sei ohne Zweifel "die größte Partei in der Geschichte Boliviens" seit der Unabhängigkeit 1825.

Die Zahlen würden klar zeigen, dass auch regional der MAS-Einfluss wachse. "Bei den Kommunalwahlen 2004 wurden wir mit 18 Prozent die erste politische Kraft im Land und gewannen vor allem auf dem Land viele Rathäuser, allerdings keine einzige in den wichtigsten Städten Boliviens", so der Staatschef. Ein bitterer Beigeschmack aber bleibt. Ely Salguero vom MAS verfehlte das Bürgermeisteramt in der symbolträchtigen Andenhauptstadt knapp gegen den Kandidaten des MAS-Allierten "Bewegung ohne Angst" (MSM). In der Millionen-Armenstadt El Alto setzte sich der Gewerkschaftschef Edgar Patana nur knapp gegen den MSM-Kandidaten durch.

Auch wenn die MAS in den Departamentos ihre Vormachtstellung ausbauen konnte, der erhoffte Durchmarsch in den regierungsfeindlich kontrollierten Tiefland-Departamentos Santa Cruz, Tarija und Beni wurde verfehlt. Beim Urnengang am Ostersonntag, bei denen 5.059.453 Stimmberechtigte zur Wahl ihrer politischen Vertreter auf regionaler und kommunaler Ebene aufgerufen waren, hatte eine nervöse Opposition Stimmung gemacht und vor der "uneingeschränkten Dominanz des MAS" und einer "kommunistischen Diktatur" gewarnt. Politiker der Morales-Administration hingegen hatten auf einen "großen Sprung" gehofft.

Zwar präsentiert das Oberste Wahlgericht erste offizielle Auszählungsergebnisse erst am Dienstag (MEZ), die regional und personell zersplitterte Opposition aber scheint sich vor dem politischen Untergang bewahrt zu haben. Vorläufige Hochrechnungen sehen Morales-Widersacher Rubén Costas als alten und neuen Präfekten des Tiefland-Departamentos Santa Cruz. Auch der Sessel des Bürgermeisteramtes der gleichnamigen Departamento-Metropole wird nicht neu vergeben und bleibt in Händen der rechten Oligarchie. Das gleiche Bild zeichnet sich in Tarija ab, wo der Konservative Mario Cossío weiterhin die Geschicke der erdgasreichsten Region Boliviens lenken wird. In Beni an der Grenze zu Brasilien konnte die Dominanz der mächtigen Viehzuchtclans trotz massivem und teurem Wahlkampf ebenfalls nicht aufgebrochen werden, auch wenn die MAS hier die allseits beliebte Schönheitskönigin und Miss Bolivien Jessica Jordan ins Rennen schickte. Ungewiss bleibt der Wahlausgang in Pando, wo Regierung und Opposition ein Millimeter-Finish liefern. Vom Hochland hingegen sind keine Überraschungsmeldungen zu vermelden. Wie erwartet gewannen in Oruro, La Paz, Potosí, Cochabamba und Chuquisaca die Sozialisten.

Allen Unkenrufen der konservativen Massenmedien zum Trotz, die der MAS einen "herben Rückschlag" unterjubeln wollen, hat sich die politische Landkarte in Bolivien weiter nach links verschoben. Mit dem sechsten Wahlsieg in Folge konnten die Sozialisten ihren Einfluss auch auf die unteren Verwaltungsebenen ausweiten. Die MAS-Macht fußt nicht allein auf der verarmten Landbevölkerung, auch Hunderttausende von Landflüchtigen in den Städten setzen auf das Bündnis der Morales-Administration. Angesichts des in La Paz und Oruro erstarkten Bündnispartner MSM muss die Regierungspartei jedoch eingestehen, dass in Zukunft stärker auf ihre Partner eingegangen werden muss. In einem zeitweise "schmutzigen Wahlkampf" war es immer wieder zu Spannungen gekommen, "MASistas" waren nicht bereit MSM-Kandidaten umkämpfte Listenplätze zu überlassen. Offensichtlich erlitt das linke Lager durch Stimmenteilungen ("voto cruzado") unentschiedener Wähler an Geschlossenheit. Die Bolivianer trauen ihrer sozialistischen Regierung die Führung des Landes weiter zu - auf kommunaler Ebene ist mit der MSM eine wichtige Kraft hinzugekommen.

Es wird wohl noch Tage dauern, bis sich das Abschlussbild zusammengesetzt hat, auch was die Zusammensetzung der Departamento-Parlamente, indigenen Räte und Stadtratsversammlungen angeht. Das offizielle Wahlergebnis wird in rund zwei Wochen erwartet. Das Oberste Wahlgericht bat am Dienstag um Geduld. Letzte Meldungen berichten vom Vorwurf des Wahlbetrugs in Beni, erhoben von MAS-Kandidatin Jessica Jordan.


Bildquelle: www.abi.bo