Venezuela

Neuer Geheimdienstskandal in Kolumbien

Oppositionelle, Journalisten und Richter wurden massenhaft überwacht. Betroffene sehen Präsident Uribe als Verantwortlichen

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Neuer Geheimdienstskandal in Kolumbien
Gustavo Petro, Senator des Polo Democrático

Bogota. In der letzten Woche erreichte die Kette von Skandalen um die staatlichen Sicherheitskräfte in Kolumbien einen neuen Höhepunkt. Nach Angaben der Wochenzeitung Semana überwacht der kolumbianische Geheimdienst (DAS) massenhaft Oppositionelle, Journalisten und Richter ohne juristische Grundlage. Das dabei anfallende Material sei an paramilitärische Gruppen und Drogenhändler weitergegeben, teilweise sogar verkauft worden. Als Reaktion auf den Bericht ließ die Generalstaatsanwaltschaft am Wochenende die Gebäude des Geheimdienstes von der Polizei besetzen, ein Vorgehen, dass weltweit einmalig sein dürfte. Dass die Generalstaatsanwälte dabei belastendes Material finden, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Denn wie Semana auch berichtete, haben Mitarbeiter des DAS im Januar in einer groß angelegten Säuberungsaktion massenhaft belastende Akten und Datenträger vernichtet, die im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten des Geheimdienstes stehen. Diese interne Säuberung sei unmittelbar vor dem Amtsantritt des neuen Geheimdienstchefs Felipe Muñoz erfolgt. Der sprach jetzt von einer "mafiösen Struktur" im Sicherheitsdienst und betonte, keinerlei Kenntnis von den Vorgängen gehabt zu haben.

Muñoz hatte sein Amt angetreten, nachdem seine beiden Vorgänger wegen ihrer Verstrickung in den Para-Politics-Skandal zurücktreten mussten. Im Mittelpunkt steht der seit Jahren erhobene Vorwurf, dass Politiker und Sicherheitsbehörden des Landes die Paramilitärs bei ihrem mörderischen Feldzug gegen Oppositionelle, soziale Bewegungen und Guerilla-Gruppen unterstützen, wenn nicht sogar steuern. Der Skandal begann, nachdem führende Paramilitärs zu ihrer engen Zusammenarbeit mit Regierungspolitikern ausgesagt hatten. Daraufhin leitete der Oberste Gerichtshof des Landes Ermittlungen ein, in deren Folge über 60 Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete von Uribes Regierungsbündnis eröffnet wurden. Die wichtigsten Minister seines Kabinetts mussten zurücktreten, so auch die Direktoren des Geheimdienstes. Präsident Uribe selber konnte sich bisher jedoch auf seinem Posten halten. Auch im aktuellen Fall beeilte sich der kolumbianische Präsident am Wochenende zu erklären, dass er sich selber als Opfer dieser Vorgänge sehe. Die Ermittlungen waren begleitet von massivem Druck auf die Richter des Obersten Gerichtshofes, denen Uribe vorwarf, sie führten eine Kampagne gegen ihn. Auch die Obersten Richter befinden sich nun auf den Listen der überwachten Personen, die Semana vorlegte. Allein von Richter Iván Velásquez sollen über 1900 Gespräche aufgezeichnet worden sein.

Eine zweite stark von der Überwachung betroffene Berufsgruppe sind Journalisten. Auf der Liste der überwachten Personen befindet sich unter anderem Iván Cepeda, Kolumnist der Tageszeitung El Espectador und Koordinator der Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen. Der Journalist Ramiro Bejarano ist sich sicher, dass der Präsident unmittelbar für die illegalen Praktiken seines Geheimdienstes verantwortlich ist: "Hinter dem Rücken der DAS-Führung und des Präsidenten hätten diese Abhöraktionen nicht stattfinden können." Bejarano kann als kompetent gelten, denn er ist nicht nur heute von der Überwachung betroffen, sondern war früher selber Chef des Geheimdienstes. Die wenigen Journalisten in Kolumbien, die noch versuchen eine kritische Berichterstattung zu gewährleisten, leben gefährlich. Insbesondere seitdem Präsident Uribe einige Journalisten öffentlich der "Unterstützung des Terrorismus" bezichtigte, gehen bei ihnen täglich Morddrohungen ein. Prominenteste Opfer sind der Chef der Fernsehsendung "Contravia", Hollman Morris und seine Kollegen Jorge Enrique Botero und Daniel Samper, die auch für den lateinamerikanischen Nachrichtenkanal TeleSur arbeiten. Und derartige Drohungen bleiben in Kolumbien nicht folgenlos. In den letzten 30 Jahren wurden nach Angaben der kolumbianischen Stiftung für die Pressefreiheit (Flip) 170 Journalisten in dem Land ermordet.

Die dritte Gruppe von Betroffenen sind schließlich Angehörige der Opposition, von Menschenrechtsgruppen und sozialen Bewegungen. Unter den Überwachten befinden sich prominente Vertreter des Polo Democrático wie Gustavo Petro, aber auch die liberale Senatorin Piedad Córdoba, die sich in den letzten Jahren immer wieder um Friedensverhandlungen bemühte - auch gegen den Widerstand des Präsidenten. Der hatte die Senatorin daraufhin ebenfalls als "Unterstützerin des Terrorismus" bezeichnet. Gustavo Petro beschuldigte seinerseits am Sonnabend den Präsidenten, hinter den Überwachungsmaßnahmen zu stehen. "Es ist unzweifelhaft, dass der Befehl dafür vom Präsidenten kam." sagte er am Samstag gegenüber der kolumbianischen Presse und führte aus: "Das DAS hat sich zu einer politischen Polizei entwickelt, wie der KGB und die Gestapo." Uribe selber ließ durch seinen Innenminister inzwischen mitteilen, dass auch seine eigenen Telefonate abgehört worden seien.

Der Oberste Gerichtshof hat den Fall inwischen an die UNO und die Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) überwiesen, teilte der Präsident des Gerichtshofes, Francisco Ricaurte, heute mit. Die Ereignisse stellten einen "Schlag mit unkalkulierbaren Folgen für die Demokratie" dar. Bisher wurden die kolumbianischen Regierungen wegen der systematischen Menschenrechtsverbrechen in ihrem Land international nicht verurteilt. "Wirtschaftlich ist Kolumbien nicht nur für Deutschland, sondern für viele Länder ausgesprochen interessant. Kolumbien ist ein rohstoffreiches Land und da werden anscheinend beide Augen zugedrückt." beschrieb die Menschenrechtsanwältin Yenly Angélica Méndez gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland das Nichtverhalten westlicher Regierungen zu den anhaltenden Menschenrechtsverbrechen in ihrem Land. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erst kürzlich "die Verbesserung der Menschenrechtslage" in Kolumbien gelobt und Präsident Uribe in seinem "harten Kurs gegen linksgerichtete Guerilla-Organisationen" unterstützt. Bei einem Treffen Ende Januar in Berlin kündigten beide Politiker an, die Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich verstärken zu wollen und drangen auf Fortschritte bei dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen dem Anden-Staat und der Europäischen Union.