Honduras

Fakten gegen Fiktionen der Putschisten

Honduranisches Tagebuch (II): Warum in Honduras ein Putsch stattgefunden hat und keine "Machtablösung". Gespräch mit einem Staatsanwalt

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Fakten gegen Fiktionen der Putschisten
Staatsanwalt Jari Dixon Herrera

Tegucigalpa. Jari Dixon Herrera arbeitet seit vier Jahren als Staatsanwalt in Honduras. Und er nimmt seine Arbeit ernst. "Alle Menschen sollten vor dem Gesetz gleich sein", sagt er bei einem Treffen mit unserer Delegation. In Honduras aber würden die Gesetze nur gegen die Armen angewandt. "Wer Geld hat, kann sich freikaufen". Aus diesem Rechts- und Gerechtigkeitssinn heraus hat sich der junge Jurist auch gegen den Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten Manuel Zelaya gewandt. Während die Putschisten die Legalität ihres Handelns nachzuweisen versuchen, beweist Herrera das Gegenteil. Nüchtern, sachlich, juristisch.

Als Präsident Zelaya am 28. Juni von einem Armeekommando verschleppt wurde, brachten die Putschisten gleich mehrfach das Gesetz, sagt Herrera. Erstens lag gegen den Staatschef keine Anklage vor, zweitens darf das Militär in Honduras keinen Staatsbürger festnehmen, drittens verbietet die geltende Verfassung die gewaltsame Ausweisung von Staatsbürgern ins Ausland.

Wegen der starken internationalen Ablehnung hätten die Putschisten später rückwirkend vermeintliche Belege für die Legalität ihres Handelns konstruiert, sagt Herrera. Das bekannteste Beispiel ist das gefälschte Rücktrittsgesuch, das Zelaya verfasst haben soll. Als der Betrug aufflog, änderten die Putschisten ihre Argumentation. Plötzlich behaupteten sie, gegen Zelaya hätte seit dem 25. Juni eine Anklage vor dem Obersten Gerichtshof bestanden. Das Problem ist nur: Jede Anklage wird bei dem Gericht in einem Buch vermerkt - und nach dem 25. Juni waren in dem Register schon andere Fälle eingetragen worden. Die angeblich schon bestehende Anklage konnte also nicht mehr nachgetragen werden. Die Putschisten legten kurzerhand ein neues Buch an. Einziger Eintrag: Der "Fall Zelaya".

Stück für Stück nimmt Herrera die Argumente des Micheletti-Regimes auseinander. Der Nationalkongress, sagt er, dürfe nach geltendem Gesetz keinen Präsidenten entlassen oder einsetzen. Er darf nur die Amtsführung positiv oder negativ bewerten.

Warum in Honduras nicht ein Prozess gegen Zelaya angestrengt worden sei, will ein Mitglied der Beobachterdelegation wissen. So hätte man dem Putsch wenigstens einen legalen Anstrich gegeben. Herrera denkt einen Moment nach. "Wissen Sie", sagt er dann, "ich glaube, dass die Oligarchie am 28. Juni eine politische Nachricht senden wollte". Sie lautete: "Wir setzen hier die Präsidenten ein. Und wenn sie uns nicht mehr passen, dann setzen wir sie auch wieder ab."


Harald Neuber ist unter anderem mit dem Mandat von Attac Deutschland in Honduras, um die Lage vor Ort zu beobachten.