Berater statt Bürgermeister

Ehemaliger "Mayor of London" Livingstone soll nach Abwahl Stadtoberhäuptern in Venezuela beistehen

Caracas. Gut vier Monate lang war unklar, wie die politische Zukunft des ehemaligen Bürgermeisters von London, Ken Livingstone, aussieht. Nun hat er die Katze aus dem Sack gelassen. Mitte vergangener Woche trat der Politiker der britischen Labour-Partei in Caracas nach einem Treffen mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez vor die Presse. Er werde Kommunalverwaltungen des südamerikanischen Landes als Entwicklungsberater zur Seite stehen. Im Fokus ist dabei vor allem die Hauptstadt Caracas. Livingstone, der während seiner achtjährigen Amtszeit (2000 bis 2008) in London unter anderem eine Citymaut einführte, soll für den Moloch Caracas einen Plan für "Sicherheit und Transport" entwerfen.

Das Engagement des "Roten Ken" in Venezuela kommt nicht überraschend. Im Februar vergangenen Jahres hatte der linke Labour-Politiker schließlich bereits mit der Unterzeichnung eines Vertrages zwischen der britischen Hauptstadt und Venezuela für Schlagzeilen gesorgt. Der Deal war einmalig: Das staatliche venezolanische Erdölunternehmen PdVSA lieferte dem öffentlichen Londoner Busunternehmen Treibstoff zu Vorzugspreisen. So wurden bis zu 250000 Bedürftigen Sozialtickets garantiert. Im Gegenzug entsandte die Londoner Regierung Berater für Stadtentwicklung nach Venezuela. Nach der Abwahl Livingstones im Mai löste der rechtspopulistische Nachfolger Boris Johnson das Abkommen umgehend auf. Natürlich standen dahinter politische Gründe. So kündigte Johnson trotz seiner vorgeblichen Sorge um das Wohl der Menschen im Entwicklungsland Venezuela die Beratungsverträge. Ein Büro in Caracas schloss er entgegen der vertraglichen Verpflichtungen sofort. Die Sozialtickets in London hat er bislang nicht abgeschafft. Zu groß ist seine Angst vor politischen Konsequenzen.

Nun wird Livingstone die dringend notwendigen Programme in Venezuela koordinieren - auf Kosten der dortigen Regierung. Er fühle sich "stolz und geehrt", dass er das Angebot erhalten habe, sagte er nach dem Treffen mit Präsident Chávez und mehreren Bürgermeisterkandidaten der neu gegründeten Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas. Er hoffe darauf, sagte Chávez, dass Caracas binnen zweier Jahrzehnte zu einer "Metropole der ersten Welt" wird. Derzeit leidet die Stadt unter der ausufernden Gewalt, einem enormen Verkehrsproblem und mangelhafter Infrastruktur.


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