Venezuela

Keine Einheitsdienste

Venezuela reformiert seine Spionageabwehr. Strikte Trennung von Polizei und Geheimdiensten beabsichtigt. Präsident Chávez geht auf Kritik ein

Caracas. In Venezuela läuft die rechtsgerichtete Opposition gegen eine geplante Geheimdienstreform Sturm. Seit das entsprechende Gesetz Mitte Mai von Präsident Hugo Chávez per Dekret erlassen wurde, hagelt es Kritik: Das Vorhaben höhle die Menschenrechte aus und mache Venezuela zu einem "Spitzelstaat". In einem venezolanischen Nachrichtenmagazin wurde das Gesetzvorhaben sogar mit der "Reichtagsbrandverordnung" der Hitlerfaschisten verglichen. Die Vorwürfe fanden sich in den vergangenen Tagen auch in der deutschen Presse von der linksliberalen taz bis zum Springer-Blatt Die Welt wieder. Gemein haben die Artikel, dass sie die Vorwürfe der venezolanischen Opposition ungeprüft verbreiten. Dabei hätte sich ein Blick in die 29 Artikel des neuen "Gesetzes über das Nationale Systems des Nachrichtendienstes und der Spionageabwehr" gelohnt.

Der Text, der am 28. Mai im Amtsblatt erschien, soll den venezolanischen Geheimdienstapparat neu ordnen. Bisher gibt es zwei staatliche Behörden. Für die Nachrichtenbeschaffung und die Sicherheit in den Streitkräften war die Abteilung militärische Information (DIM) zuständig. Im zivilen Bereich hingegen war seit Ende der 60er Jahre die Abteilung der Nachrichten- und Präventionsdienste (DISIP) tätig. Zu ihrem Hauptziel gehörte es über lange Zeit hinweg, linksgerichtete Guerilla-Organisationen im Land zu bekämpfen. Über die Landesgrenzen hinaus agierte die DISIP nach ihrer Gründung zudem gegen den damals starken Einfluss des sozialistischen Kuba. Diese Arbeit wurde eng mit den US-Geheimdiensten koordiniert.

Das neue Gesetz soll in Venezuela nun zwei neue Geheimdienstbehörden schaffen, die beim Innen- und Verteidigungsministeriums angegliedert sind. Damit vollzieht die Regierung des süd­amerikanischen Landes eine für die Wahrung von Bürgerrechten wichtige Trennung zwischen Polizeibehörden und Geheimdiensten. Venezuela tritt damit dem Trend in den USA und Deutschland entgegen. In diesen beiden Ländern wurden mit der Gründung eines Heimatschutzministeriums und eines Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) Geheimdienste und Polizeibehörden auf höchster Ebene zusammengeführt.

Den venezolanischen Diensten kommt indes allein die Aufgabe zu, das Staatsoberhaupt zeitnah über Gefahren zu informieren. Das Verteidigungsministerium ist für die Streitkräfte zuständig, der Aufgabenbereich des Innen- und Justizministeriums ist weiter gefasst. Laut Artikel 20 muss bei Gefahr im Vollzug keine richterliche Anordnung für Überwachungsmaßnahmen angefordert werden. Aus Gründen des Quellenschutzes können Beweismittel zurückgehalten werden. Die Rechte der Verteidigung müssen jedoch in jedem Fall gewahrt bleiben. Gemäß Artikel 24 können auch Personen außerhalb des Geheimdienstes für Einsätze angeworben werden. Artikel 17 verpflichtet alle Personen und Einrichtungen, mit den Geheimdiensten auf Anfrage zu kooperieren.

Auf die Kritik der Opposition hin hat Präsident Chávez diesen letzten Punkt am Samstag nun wieder zur Disposition gestellt und als "Fehler" bezeichnet. "Ich habe kein Problem damit, das zuzugeben", wird der Staatschef in nationalen Medien zitiert.


Den vollständigen Originaltext des Artikels in der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.